KOPFLOS IM KURHOTEL. Christina Unger
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Читать онлайн книгу KOPFLOS IM KURHOTEL - Christina Unger страница 13
»Wow! Sie sind aber fit!«, rief dieser.
Walters Brust hob und senkte sich von der Anstrengung. Keuchend, aber nicht ohne Stolz, sagte er: »In meiner Schulzeit war ich beim Österreichischen Schwimmverband.«
»Wie wär‘s mit einem Wettschwimmen?«, forderte Herr Kamiscynski ihn heraus. »Ich bin ebenfalls ein guter Schwimmer.« Und als Walter nicht sogleich reagierte, setzte er nach: »Oder trauen Sie sich nicht?«
Walter lächelte nur mitleidig. Er war ein sehr guter Schwimmer, wollte aber vor seinem Gegenüber nicht damit angeben.
»Sei kein Spielverderber!«, mischte sich Beate zu Walters Überraschung ein. »Ich fände ein Wettschwimmen zwischen dir und Stefan lustig.«
»Stefan?«
Stefan lächelte. »Ihre Frau und ich haben uns schon etwas näher kennengelernt.«
Walter antwortete abweisend: »Meine Frau ist da ziemlich entspannt. Sie freundet sich schnell mit Menschen an.«
»Das finde ich doch sehr sympathisch«, lächelte Stefan. »Sie selbst sehen das wohl anders?«
»Was ist mit euch beiden?«, rief Beate, die schon am Beckenrand stand und aufgeregt mit den Händen ruderte. »Ich mache den Schiedsrichter. Auf los geht’s los!«
Die zwei Männer starrten sich an. »Tun Sie Ihrer Frau doch den Gefallen«, raunte Stefan Walter zu. »Sehen Sie nur, wie sie sich freut.«
Insgeheim ärgerte sich Walter, dass dieser Fremdling ihm sagte, womit er seiner eigenen Frau eine Freude machen konnte.
»Ich warne Sie!«, gab Walter nun zu. »Ich bin immer noch ein recht guter Schwimmer.«
»Herausforderung angenommen! Wie viele Längen?«
»Zehn?«
»Das sind hundertfünfzig Meter!«
»Angst, dass Ihnen die Puste ausgeht?«
»Ich riskier‘s einfach!«, grinste Stefan. »Brust oder Kraulen?«
»Das überlasse ich ganz Ihnen.«
»Dann Kraulen. Zehn Längen, Frau Schiedsrichter«, rief Stefan zu Beate.
Beate nickte und schaute auf die Uhr.
Die beiden kletterten aus dem Becken und brachten sich in Stellung.
Beate hob die Hand und wartete, bis der Sekundenzeiger die volle Minute anzeigte. »Auf die Plääätze … Achtung … fertig … los!«
Walter und Stefan stürzten sich kopfüber ins Becken. Beate beobachtete mit Argusaugen, ob auch beide am Beckenrand anschlugen und keiner von ihnen schummelte. Zuerst schien es, als würde Stefan die Nase vorn haben, doch je länger das Schwimmen dauerte, desto mehr setzte sich ihr Gatte durch. Beate wusste nicht, wem sie den Sieg mehr gönnte, ihrem eigenen Mann oder dem Fremdling, dem es gelungen war, den jungen Tag schon mit einem Lachen zu beginnen. Während sie die beiden Wettkämpfer im Wasser beobachtete, bemächtigte sich ihrer ein Gefühl der Ausgelassenheit, das sie seit vielen Jahren nicht mehr hatte erleben dürfen. Auch Walter erkannte sie nicht wieder. Dass er sich auf dieses Spiel überhaupt eingelassen hatte, grenzte an ein Wunder.
Nach neunzig Sekunden schlug Walter als Erster an. Stefan blieb mit drei Sekunden im Rückstand.
»Alle Achtung!«, sagte Stefan noch ganz außer Atem. »Wenn ich einen Hut hätte, würde ich ihn jetzt vor Ihnen ziehen.«
Walter war bleich im Gesicht und so fertig, dass er kein Wort hervorbrachte. In diesen neunzig Sekunden war er buchstäblich über sich selbst hinausgewachsen und musste sich erst wieder fangen.
Stefan konnte schon wieder grinsen und schlug ihm anerkennend auf die Schulter. »Mann o Mann, das hätte ich Ihnen nicht zugetraut.«
Walter fragte sich, was das wieder heißen sollte. So unsportlich wie er vielleicht aussah, war er nämlich bei weitem nicht. Aber er hatte immer noch zu wenig Luft, um zu antworten, so grinste er nur und freute sich über Beates strahlendes Gesicht. Sie sprang zu ihm ins Becken und umarmte ihn lachend. Unter Wasser umklammerte sie ihn mit ihren Beinen, und trotz der mangelnden Atemluft wurde es Walter wuschig in der Badehose.
Margot Kitzler
Walter freute sich wie ein Schneekönig, dass er diesen Angeber geschlagen hatte, und erzählte es sofort am Frühstückstisch weiter. Beate fand das zwar kindisch, aber selbst Stefan schien ihm diese Freude zu gönnen, was Stefan bei Beate einen weiteren Pluspunkt einbrachte. Leise stieg jedoch in ihr der Verdacht auf, dass Stefan ihren Mann hatte gewinnen lassen, aber an so was wollte sie gar nicht denken.
Frisch geduscht und gut gelaunt waren sie Punkt acht Uhr in den Speisesaal gekommen, wo Frau Professor Rosenblatt und Frau Margot Kitzler sich schon wieder ein Wortgefecht lieferten. Diesmal ging es darum, ob man seinen Namen amtlich ändern durfte. Immerhin waren beide rücksichtsvoll genug, ihren Disput nicht weiter auszutragen, als sich Walter und Beate mit Opa und Tommy im Gefolge am Tisch niederließen. Nachdem Walter sich von den beiden Frauen gebührend zu seinem Sieg hatte gratulieren lassen und Stefan Kamiscynski sich vom Nachbartisch aus an den Gratulationen beteiligt hatte, begab sich Familie Schneider zum Frühstücksbuffet.
Vorher hatte Beate ihrem Sohn die Leviten gelesen, weil er allein joggen gewesen war, und ließ sich hoch und heilig schwören, dass er den Wald nicht ohne Begleitung betreten würde, egal wie heiß es tagsüber werden sollte.
Opa hatte geschlafen wie ein Baby und am Morgen nicht mehr gewusst, wo er war. Er war so lange im Hotel herumgegeistert, bis ihn ein Zimmermädchen in der Wäschekammer fand und bei der Rezeption abgab. Daraufhin fertigte Beate ihrem Schwiegervater ein Schildchen mit seiner Zimmernummer an und hängte es ihm kurzerhand um den Hals. Tommy fand das mega-peinlich, Walter völlig übertrieben, aber Beate fühlte sich besser. Und Opa hatte gegen die Fürsorglichkeit seiner sonst so spröden Schwiegertochter auch nichts einzuwenden.
Am Frühstücksbuffet gab es alles, nur nicht das, was Walter gewöhnt war. Es gab Frischkäse in allen Varianten, Vollkornbrötchen, frisches Gemüse, Obst und Fruchtsäfte, Müsli, Kefir und Buchweizensuppe. Und um ihm den Appetit komplett zu verderben, war jedes einzelne Produkt mit der Anzahl der Kalorien gekennzeichnet.
So lernten sie, dass ein einziges mickriges Vollkornbrötchen bereits den Organismus mit hundertzwanzig Kalorien belastete, und ein Esslöffel fader Frischkäse vierzig Kalorien hatte. Wenn er jetzt noch einen Fruchtsaft dazu trank, war seine Ration von zweihundert Frühstückskalorien bereits überschritten. Nach dem anstrengenden Morgensport und der gestrigen Askese krachte Walter vor Hunger der Magen. Drei Eier mit gebratenem Speck und mindestens ein Würstchen dazu hätte er locker geschafft. Als sich seine Finger um ein zweites Hundertzwanzig-Kalorien-Brötchen krallen wollten, wurde es ihm von einer fürsorglichen Frauenhand sanft von der Brotzange genommen und in den Korb zurückbefördert.
»Das ist eines zu viel.« Beate lächelte nachsichtig über Walters Schulter hinweg. Seit ihr Mann einen sportlichen Sieg davongetragen hatte, lächelte sie häufiger.
»Ich habe aber Hunger!«, beschwerte er sich. »Ich könnte auf der Stelle drei Wurstsemmeln verputzen und würde mich