KOPFLOS IM KURHOTEL. Christina Unger

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KOPFLOS IM KURHOTEL - Christina Unger

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sehen, wie die kleinen grauen Zellen in seinem Kopf Amok liefen.

      »Sie können Biowein haben«, versuchte es der Mann aus der Teebar.

      Walter beugte sich über Beate zum Nachbartisch hinüber und bemühte sich erst gar nicht, seine Schadenfreude zu verbergen: »Vier Euro achtzig das Glas!«

      Seinem Gesichtsausdruck nach zu schließen, stand Biowein eindeutig nicht auf Herrn Buschs Prioritätenliste.

      »Heute haben Sie zwei Menüs zur Auswahl«, führte der erfahrene Kellner geduldig aus. »Kichererbsen und Grünkornbrätling auf Cremespinat. Oder Ofenkartoffel mit Kohlsprösschen in Kurkuma-Rahmsause.«

      Die Kinnlade von Herrn Busch fiel nach unten und sein Gesichtsausdruck wurde geradezu aggressiv. »Und wo ist das Fleisch?«

      »Wir servieren nur fleischlose Vollwertkost.«

      Frau Professor Rosenblatt bemerkte naserümpfend und nur für ihren Tisch bestimmt: »Ich glaube, der Mann verfügt über eine sehr kurze Ahnenreihe.«

      Frau Busch entfaltete eine Papierrolle, auf der die Speisenabfolge stand. »Ich nehme die Kohlrabisuppe«, teilte sie dem Kellner nach längerem Studium mit, »und anschließend die Kichererbsen.«

      »Kann ich sehr empfehlen«, sagte der Mann aus der Teebar und lächelte aufmunternd.

      »Wissen Sie«, erzählte sie unaufgefordert, »wir haben den Aufenthalt hier nämlich gewonnen. Es war der Hauptgewinn.«

      »Ach was!«

      »Bei einem Preisausschreiben der Kronen Zeitung. Wir waren völlig aus dem Häuschen, als wir die Nachricht bekommen haben.«

      Der Kellner, der immer noch auf die Bestellung des Mannes wartete, zog eine Augenbraue hoch und sagte: »Gratuliere.«

      »Was nimmst du jetzt, Wilhelm?«, drängte Frau Busch ihren Mann.

      »Mir bringen Sie nur die Nachspeise«, befahl dieser.

      Der Kellner schritt mit undurchsichtigem Pokerface in Richtung Küche.

      Beate lächelte verständnisvoll zu Frau Busch hinüber. Dieser Hauptgewinn schien zumindest für Herrn Busch gründlich in die Hose zu gehen.

      Professor Rosenblatts Augen funkelten hinter der randlosen Brille, als sie raunte: »Dieser Alm-Dödi hat überhaupt kein Benehmen. Solche Leute gehören eigentlich in den Keller verbannt.«

      »Und so was gewinnt auch noch ein Preisausschreiben«, ärgerte sich Frau Kitzler. »Ungerecht ist das!«

      Frau Professor Rosenblatt neigte sich vor und flüsterte: »Ob die beiden vom Hotelmanager schon gewarnt worden sind, was heute passiert ist? Oder lässt er sie direkt ins Messer laufen?«

      »Sie drücken sich wieder drastisch aus!«, raunte Margot Kitzler zurück.

      Tommy, der Fleischfresser gar nicht mochte, rümpfte die Nase. »Dieser Busch ist ein ausgesprochen unsympathischer Mensch!«

      »Das ist kein Mensch, das ist ein Kronen-Zeitung-Leser!«, gab Frau Professor Rosenblatt ihrer Verachtung Ausdruck. »Ich selbst habe ja Die Presse abonniert.«

      Während sie auf das Essen wartete, erzählte Frau Busch unbekümmert weiter: »Jeden Tag um fünf Uhr früh holt mein Mann die Kronen Zeitung aus dem Postfach und dann lesen wir als Erstes die Leserbriefe.«

      »Dann haben Sie uns gegenüber ja einen gewaltigen Bildungsvorsprung!«, bemerkte Frau Professor Rosenblatt süffisant.

      Der Kellner kam und servierte Frau Busch die Suppe, während ihr Mann mit Todesverachtung in die Luft starrte.

      »Willst du sie nicht wenigstens probieren, Wilhelm?«, machte sie einen Versuch, ihren Mann umzustimmen.

      »Lass mich bloß in Ruh!«, knurrte er seine Frau an.

      Während Frau Busch wartete, bis ihre Suppe etwas ausgekühlt war, plapperte sie weiter: »Wilhelm schreibt jeden Tag einen Leserbrief, gell, Wilhelm? Und fast alle werden abgedruckt. In Kaindorf, wo wir wohnen, ist er schon eine Berühmtheit, weil er so messerscharf formuliert.«

      »Vielleicht wird Ihr Mann ja bald für den Literaturnobelpreis vorgeschlagen«, antwortete die Frau Professor und lächelte maliziös.

      »Was nicht ist, kann ja noch werden, gell, Wilhelm?«

      Wilhelm interessierte sich jedoch für etwas ganz anderes. Er wollte von dem Mann aus der Teebar wissen: »Wo kriegt man denn hier in der Umgebung was Ordentliches zu essen?«

      »Sie können die paar Kilometer in den Ort fahren«, schlug dieser vor, »oder Sie gehen hinter dem Hotel die steinerne Stiege hoch, und wenn Sie oben angekommen sind, wenden Sie sich nach links. Dort finden Sie nach dreihundert Metern eine Backhendlstation.«

      »Ich komme mit!«, krähte Opa, wurde aber augenblicklich von Beate an seinen Hosenträgern gezogen.

      Eine Backhendlstation war ganz nach Herrn Buschs Geschmack und seine Miene heiterte sich merklich auf. Auch Walter hatte unauffällig der Wegbeschreibung gelauscht und sich eine mentale Notiz gemacht.

       Die Wette

      Der nächste Tag war Sonntag und Ruhetag. Es war noch nicht einmal sechs Uhr, als sich ein Schlüssel im Schloss drehte und die Tür zu Beates und Walters Zimmer leise aufging. Beate hatte einen leichten Schlaf und war ruckartig wach. Außerdem sagte ihr sechster Sinn, dass sie nicht allein im Zimmer waren. In der Dämmerung der herabgelassenen Rollos folgten ihre Augen einer Gestalt, die lautlos und nur schemenhaft sichtbar hereinschlich. Beate unterdrückte einen Schrei und zog sich die Bettdecke bis über den Kopf. Walter schnarchte und hörte durch die wächsernen Ohrenstöpsel nichts.

      Die Gestalt näherte sich ihrem Bett und Beate hielt den Atem an, während eines ihrer Augen unter der Decke hervorlugte. War das ein Hoteldieb? Oder gar ein Überfall? Siedend heiß fielen ihr die beiden Morde ein. Sollte sie nach Hilfe schreien?

      Die Gestalt trat auf das Nachtkästchen zu, das zwischen ihren beiden Einzelbetten stand, und war nun keinen Meter von ihr entfernt. Eine ausgestreckte Hand schien zu schweben, tastete sich schlafwandlerisch durch die Dämmerung und fand zwei Tassen, während die andere Hand leise plätschernd Flüssigkeit hineingoss. Genauso geräuschlos wie der Spuk gekommen war, verschwand er auch wieder.

      Beates Herz klopfte ihr bis zum Hals. Zitternd tastete sie nach der Nachttischlampe und drehte das Licht an. In den Tassen schimmerte eine Flüssigkeit, gelb und warm wie frischer Urin.

      Sie sprang aus dem Bett. »Walter!«, raunte sie. »Wach auf!«

      Walter knurrte im Schlaf. »Was ist los?« Schlaftrunken kratzte er sich das Wachs aus den Ohren.

      »Jemand war im Zimmer!«, flüsterte sie.

      »Wer?«

      »Das weiß ich doch nicht! Er hat etwas in unsere Tassen gefüllt.«

      Walter setzte sich im Bett auf. »Zeig mal her!« Seine Stimme war belegt und er gähnte herzhaft.

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