KOPFLOS IM KURHOTEL. Christina Unger
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Familie Schneider, die in der zweiten Reihe stand, sah sich entsetzt an, nur Tommy schien das Gehörte aufregend zu finden.
»Das muss ich leider bestätigen. Die Opfer waren ein deutsches Ehepaar aus Dresden.«
Ein Aufschrei aus der vorletzten Reihe: »Mein Mann und ich sind aus Leipzig! Meinen Sie, der Mörder hat es auf uns Deutsche abgesehen?«
An diesem heiklen Punkt übernahm Josef Bundschuh das Mikrofon. »Ganz bestimmt nicht!«, versicherte er. Wenn es sich bis nach Deutschland herumsprach, dass hier ein Mörder sein Unwesen trieb, konnte er weitere Reservierungen von dort vergessen. Mord war keine gute Werbung für ein Hotel, von dem man sich Erholung versprach.
»Sie hatten eine Panne mit dem Wagen, und wir schätzen, es war reiner Zufall, dass es ausgerechnet dieses Ehepaar traf. Sie waren schlicht zur falschen Zeit am falschen Ort.«
Gleich zwei Morde! Kaum fünfhundert Meter entfernt!
»Der Bärenwald ist unsere tägliche Jogging- und Walkingstrecke«, gab der Mann aus der Teebar zu bedenken.
»Genau deshalb bin ich hier«, übernahm Chefinspektor Yilmaz wieder das Wort. »Ich muss Sie auffordern, den Wald zu meiden, bis wir den oder die Täter gefasst haben.«
»Aber der Wald bietet den einzigen Schatten in der Umgebung! Bei dieser Hitze kommt man schon nach hundert Metern um.«
»Wenn Sie dort weiterhin spazieren oder joggen wollen, tun Sie das bitte nur in Gruppen. Ich weiß, dass der Wald sehr beliebt ist. Ich jogge dort selbst gern.«
»Dann wird der Mörder seine Opfer woanders suchen«, malte der Mann aus der Teebar den Teufel an die Wand.
»Dazu wird er keine Gelegenheit bekommen, denn wir werden ihn vorher dingfest machen«, zeigte sich der Chefinspektor zuversichtlich.
»Die Botschaft hör ich wohl …!«, krähte Opa über die Schulter seines Sohnes in Richtung des Chefinspektors.
»Haben Sie schon einen Verdacht?«, wollte nun auch Walter wissen und erhielt gleich darauf von seiner Frau einen Rippenstoß. Noch keinen Tag da und schon musste sich die ganze Familie wichtigmachen!
»Im Moment noch nicht. Die Opfer wurden ja erst vor drei Stunden von einem der Biobauern aufgefunden.«
Josef Bundschuh standen die Schweißperlen auf der Stirn. »Ich möchte Sie bitten, sich von diesem schrecklichen Ereignis nicht Ihren Aufenthalt verderben zu lassen. Ich kann Ihnen versichern, dass Sie bei uns sicher und gut aufgehoben sind.«
»Das hatten die aus Dresden auch gedacht!«, riefen die Leipziger panisch.
Jetzt hob der Chefinspektor die Hand und die Gäste saugten sich an seinen Lippen fest. »Ich kann Sie beruhigen. Das Ehepaar aus Dresden hatte sich verfahren und obendrein noch eine Panne erlitten. Da trafen ganz einfach mehrere unglückliche Umstände aufeinander.«
»Weiß man, ob es Raubmord war?«, fragte eine männliche Stimme aus der mittleren Reihe.
»Raubmord können wir ausschließen.«
»Wenn es kein Raubmord war, handelt es sich bestimmt um einen Serienkiller!«
Die Gäste hielten den Atem an.
»Dann gute Nacht!« Tommys Kommentar platzte in die geschockte Stille hinein. Da er sich für Kriminaldokus begeisterte, wusste er, dass Serienkiller besonders schwer zu fassen waren.
»Ein Serientäter ist sehr unwahrscheinlich …«
»Aber ausschließen können Sie es nicht!«, rief der Mann aus der mittleren Reihe.
»Wir stehen noch ganz am Anfang, aber wir werden die beiden Morde schon bald aufklären«, erwiderte der Chefinspektor zuversichtlich. Seine etwas angespannte Haltung ließ jedoch Zweifel unter den Gästen aufkommen.
Bevor er ging, wollte der Chefinspektor noch von den Gästen wissen: »Wir haben in der Nähe des Tatorts einen goldenen Ohrring gefunden, er hat die Form eines Tropfens mit einem roten Rubin. Vermisst ihn zufällig jemand?« Er hielt den Ohrring hoch.
Die Damen griffen sich automatisch an die Ohren.
Der Chefinspektor wartete. »Gehört er wirklich niemandem? Gut, dann habe ich im Moment keine weiteren Fragen.«
»Und was machen wir jetzt?«, wollte der Mann aus der Teebar wissen.
»Jetzt lassen Sie sich Ihr Essen gut schmecken wie sonst auch, und genießen Sie den restlichen Abend. Ich wollte Sie nicht beunruhigen, aber ich möchte, dass Sie Bescheid wissen. Augen offenhalten und nicht allein durch den Wald gehen, solange der Täter nicht gefasst ist. Dann kann Ihnen nichts geschehen.«
»Und ich gebe für jeden Gast ein Glas Champagner aus!«, verkündete Josef Bundschuh mit der Spendierlaune des Verzweifelten und gab der Bedienung ein Zeichen. »Wir danken dem Herrn Chefinspektor, dass er sich zu uns bemüht hat. Und ich wiederhole: Bei uns haben Sie absolut nichts zu befürchten! Außerdem wird die Polizei das Umfeld verstärkt im Auge behalten. Ich wünsche Ihnen trotz dieser schrecklichen Nachricht einen angenehmen Abend und weiterhin einen schönen Aufenthalt.«
Josef Bundschuh legte das Mikrofon zur Seite und wandte sich erleichtert zum Gehen. Chefinspektor Yilmaz erhielt einen Anruf auf seinem Handy und eilte aus dem Foyer.
Jeder ist ein Chefinspektor
Der Champagner war längst ausgetrunken, als die Gäste heftig diskutierend ihre Tische aufsuchten. Manche von ihnen hatten den ganzen Abend kein anderes Gesprächsthema mehr.
Nur Walter schien das Fehlen eines üppigen Buffets noch mehr Angst einzujagen als Mord.
»Gibt es denn abends kein Buffet?«, fragte er, als der Kellner mit etwas Verspätung eine wässrige Gemüsesuppe servierte.
»Buffet gibt es nur freitags.«
»Nach diesem Schock hätte ich einen saftigen Rinderbraten gebraucht. Und ein Bier dazu! Mir ist schon ganz schlecht vor Hunger.«
Der Blick des Kellners wanderte vielsagend zu den zahlreichen Wasserkaraffen auf dem Tisch. Walter nahm das Wasser ins Visier, als hätte ihm der gute Mann persönlich den Schierlingsbecher angetragen. Der Kellner schlug als Alternative Wein aus biologischem Anbau vor, um vier Euro achtzig das Glas.
»Dafür bekomme ich zu Hause eine ganze Flasche!«, knurrte Walter. »Aber egal! Ich bin schließlich auf Urlaub. Und wer weiß, ob ich ihn überhaupt noch erlebe!«
»Rede nicht so einen Blödsinn daher!«, fuhr ihm Beate über den Mund.
Walter fragte: »Kann ich den Wein aufs Haus schreiben?«
»Selbstverständlich«, erwiderte der Kellner. »Wünschen Sie Rot oder Weiß?«
»Rot natürlich! Ich trinke nur Rotwein.«
»Dass du nur Rotwein trinkst«, sagte Beate, nachdem der Kellner gegangen war, »kann