Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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so kurz wie der Blitz, ge­wan­nen ihre Au­gen die ent­blö­ßte Klar­heit der In­tel­li­genz, die wir in dem er­staun­ten Auge der Vö­gel be­wun­dern; dann leg­te sie die Hand an die Stirn mit dem leb­haf­ten Aus­druck ei­nes Men­schen, der nach­denkt, sie er­faß­te die­se star­ke Erin­ne­rung, die­ses ver­flos­se­ne Er­leb­nis, das aus­ge­brei­tet vor ihr lag, wand­te leb­haft den Kopf zu Phil­ipp hin und er­kann­te ihn. Ein schreck­li­ches Schwei­gen las­te­te auf der Men­ge. Der Oberst seufz­te und wag­te nicht zu spre­chen; der Dok­tor wein­te. Ste­pha­nies schö­nes Ge­sicht färb­te sich schwach; dann, in all­mäh­li­cher Stei­ge­rung, ge­wann sie den Glanz ei­nes vor Fri­sche strah­len­den jun­gen Mäd­chens. Ihr Ge­sicht be­kam eine schö­ne Pur­pur­far­be. Le­ben und Glück, an­ge­facht durch eine blit­zen­de Ein­sicht, nah­men im­mer mehr zu gleich ei­ner Feu­ers­brunst. Ein kon­vul­si­ves Zit­tern brei­te­te sich von den Fü­ßen bis zum Her­zen aus. Dann ver­ei­nig­ten sich die­se Er­schei­nun­gen, die einen Mo­ment auf­leuch­te­ten, gleich­sam zu ei­nem ge­mein­sa­men Band, als die Au­gen Ste­pha­nies einen himm­li­schen Fun­ken, eine be­weg­te Flam­me aus­strahl­ten. Sie leb­te, sie dach­te! Sie schau­der­te, vor Schre­cken viel­leicht! Gott selbst lös­te zum zwei­ten­mal die er­stor­be­ne Zun­ge und warf von neu­em sein Feu­er in die­se er­lo­sche­ne See­le. Der mensch­li­che Wil­le er­wuchs mit sei­nen elek­tri­schen Strö­men und be­leb­te die­sen Kör­per, von dem er so lan­ge ab­we­send ge­we­sen war.

      »Ste­pha­nie!« schrie der Oberst.

      »Oh! das ist Phil­ipp,« sag­te die arme Grä­fin.

      Sie stürz­te sich in die zit­tern­den Arme, die der Oberst ihr ent­ge­gen­streck­te, und die Umar­mung der bei­den Lie­ben­den er­schüt­ter­te die Zuschau­er. Ste­pha­nie floß in Trä­nen. Plötz­lich leg­te sich ihr Wei­nen, sie wur­de leb­los, als wenn der Blitz sie ge­rührt hät­te, und hauch­te mit schwa­cher Stim­me: »Adieu, Phil­ipp! Ich lie­be dich, adieu!«

      »Oh, sie ist tot!« rief der Oberst, in­dem er die Arme öff­ne­te.

      Der alte Arzt fing den leb­lo­sen Kör­per sei­ner Nich­te auf, um­arm­te sie, wie es ein jun­ger Mann ge­tan hät­te, trug sie fort und setz­te sich mit ihr auf einen Holz­hau­fen. Er blick­te die Grä­fin an und leg­te ihr sei­ne kraft­lo­se und krampf­haft zu­cken­de Hand aufs Herz. Das Herz schlug nicht mehr.

      »So ist es also wahr?« sag­te er, in­dem er ab­wech­selnd den un­be­weg­li­chen Oberst und das Ge­sicht Ste­pha­nies be­trach­te­te, über das der Tod eine strah­len­de Schön­heit, eine flüch­ti­ge Glo­rie aus­brei­te­te, das Pfand viel­leicht ei­ner glän­zen­den Zu­kunft.

      »Ja, sie ist tot.

      »Ach, die­ses Lä­cheln!« rief Phil­ipp, »se­hen Sie nur die­ses Lä­cheln! Ist es mög­lich?«

      »Sie ist schon kalt«, er­wi­der­te Herr Fan­jat.

      Herr von Sucy mach­te ei­ni­ge Schrit­te, um sich von die­sem Schau­spiel loß­zu­rei­ßen; aber er hielt an, pfiff das Lied, das die Irre kann­te, und als er sei­ne Ge­lieb­te nicht kom­men sah, ent­fern­te er sich mit schwan­ken­dem Schritt, wie ein Trun­ke­ner, im­mer pfei­fend, aber ohne sich noch ein­mal um­zu­se­hen.

      Der Ge­ne­ral Phil­ipp von Sucy galt in der Ge­sell­schaft als ein sehr lie­bens­wür­di­ger und na­ment­lich als ein sehr hei­te­rer Mann. Vor ei­ni­gen Ta­gen be­glück­wünsch­te ihn eine Dame we­gen sei­ner gu­ten Lau­ne und der Be­stän­dig­keit sei­nes Cha­rak­ters.

      »Ach, mei­ne Gnä­di­ge,« sag­te er, »ich be­zah­le mei­ne Spä­ße recht teu­er, des Abends, wenn ich al­lei­ne bin!«

      »Sind Sie denn je­mals al­lein?«

      »Nein,« ant­wor­te­te er lä­chelnd.

      Wenn ein klu­ger Beo­b­ach­ter der mensch­li­chen Na­tur in die­sem Au­gen­blick den Aus­druck des Gra­fen von Sucy hät­te be­ob­ach­ten kön­nen, wür­de er viel­leicht ge­schau­dert ha­ben.

      »Wa­rum hei­ra­ten Sie nicht?« fuhr jene Dame fort, die selbst meh­re­re Töch­ter in ei­nem Pen­sio­nat hat­te. »Sie sind reich, Stan­des­per­son, von al­tem Adel; Sie ha­ben Ta­len­te, Sie ha­ben noch eine Zu­kunft, al­les lä­chelt Ih­nen zu.«

      »Ja­wohl«, er­wi­der­te er, »aber es ist ein Lä­cheln, das mich tö­tet.«

      Am nächs­ten Tage er­fuhr die Dame voll Er­stau­nen, daß Herr von Sucy sich wäh­rend der Nacht eine Ku­gel vor den Kopf ge­schos­sen hat­te. Die gute Ge­sell­schaft un­ter­hielt sich ver­schie­dent­lich über die­ses au­ßer­ge­wöhn­li­che Er­eig­nis, und je­der such­te nach dem Grun­de. Je nach dem Ge­schmack des Be­ur­tei­lers wur­den das Spiel, die Lie­be, der Ehr­geiz, ver­bor­ge­ne Aus­schwei­fun­gen als Er­klä­rung ge­ge­ben für die­se Ka­ta­stro­phe, die letz­te Sze­ne ei­nes Dra­mas, das im Jah­re 1812 be­gon­nen hat­te. Zwei Men­schen al­lein, ein Be­am­ter und ein al­ter Arzt, wuß­ten, daß der Graf von Sucy ei­ner je­ner star­ken Men­schen war, de­nen Gott die un­glück­se­li­ge Kraft ver­leiht, alle Tage sieg­reich aus ei­nem furcht­ba­ren Kampf her­vor­zu­ge­hen, den sie ei­nem un­be­kann­ten Schre­cken lie­fern. Und daß sie, wenn in ei­nem Au­gen­blick Gott ih­nen sei­ne mäch­ti­ge Hand ent­zieht, un­ter­lie­gen.

Cäsar Birotteaus Größe und Niedergang

      In den Win­ter­näch­ten hört der Lärm in der Rue Saint-Ho­noré nur für einen Au­gen­blick auf; die Ge­mü­se­händ­ler, die in die Markt­hal­le fah­ren, set­zen das Geräusch der Wa­gen fort, die aus den Thea­tern oder von den Bäl­len nach Hau­se rol­len. Gera­de in die­ser kur­z­en Ru­he­pau­se des Pa­ri­ser Stra­ßen­lärms, die ge­gen ein Uhr mor­gens ein­tritt, fuhr die Frau des Par­fü­me­rie­händ­lers Cäsar Bi­rot­teau, der nahe am Ven­dô­me­platz sein Ge­schäft hat­te, jäh aus ei­nem ent­setz­li­chen Traum in die Höhe. Sie hat­te sich dop­pelt ge­se­hen, sie war sich selbst, in Lum­pen gehüllt und mit ver­trock­ne­ter runz­li­ger Hand die Tür­klin­ke ih­res ei­ge­nen La­dens öff­nend, er­schie­nen, so daß sie sich gleich­zei­tig auf ih­rer Tür­schwel­le und in ih­rem Kon­tor­ses­sel be­fand; sie bet­tel­te sich selbst um ein Al­mo­sen an, sie hör­te sich zu­gleich an der Tür und im Kon­tor spre­chen. Sie woll­te nach ih­rem Mann grei­fen und faß­te mit der Hand auf eine kal­te Stel­le. Da wur­de ihre Angst so ge­wal­tig, daß sie ih­ren steif­ge­wor­de­nen Hals nicht mehr be­we­gen konn­te; die Keh­le war ihr wie zu­ge­schnürt, sie konn­te kei­nen Ton her­aus­brin­gen; die stie­ren Au­gen auf­ge­ris­sen, das Haar schmerz­haft sich sträu­bend, die Ohren voll von fremd­ar­ti­gen Tö­nen, das Herz zu­sam­men­ge­preßt, aber hef­tig schla­gend, so saß sie starr wie fest­ge­bannt da, zu­gleich in Schweiß ge­ba­det und zu Eis er­starrt, mit­ten in dem Al­ko­ven, des­sen bei­de Tü­ren of­fen stan­den.

      Die Furcht ist ein halb krank­haf­tes Ge­fühl, das auf die mensch­li­che Ma­schi­ne­rie so hef­tig ein­wirkt, daß ihre Ei­gen­schaf­ten plötz­lich sich bis zum höchs­ten Gra­de der Mög­lich­keit stei­gern

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