Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac
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Der Holländische Hof, wo dieser kleine Alte wohnte, ist das Produkt einer jener verzwickten Terrainspekulationen, aus denen man nicht mehr klug wird, sobald es fertig ist. Dieses klosterartige Bauwerk mit inneren Arkaden und Galerien war aus Quadersteinen errichtet und am Ende des Hofes mit einem Brunnen geschmückt, aber einem durstigen Brunnen, der sein Löwenmaul weniger zum Speien von Wasser öffnete, als um alle Passanten um welches zu bitten; zweifellos hatte man auch das Stadtviertel Saint-Denis mit einer Art von Palais-Royal ausstatten wollen. Dieser ungesunde, auf allen vier Seiten von hohen Häusern umgebene Bau ist nur am Tage etwas belebt; er ist das Zentrum der dunklen Passagen, die hier zusammentreffen und das Viertel der Hallen mit dem Viertel Saint-Martin durch die berüchtigte Rue Quincampoix verbinden, feuchte Fußwege, in denen sich eilige Leute Rheumatismus holen; Nachts aber ist es die einsamste Stelle von Paris, man möchte es die Handelskatakomben nennen. Man findet hier verschiedene übelriechende Gewerbebetriebe, sehr wenig Holländer und viele Gewürzkrämer. Natürlich haben die Zimmer dieses Handelspalastes keine andere Aussicht als auf den gemeinsamen Hof, nach dem alle Fenster gehen, daher sind auch die Mieten hier äußerst niedrig. Herr Molineux wohnte hier in einer Eckwohnung, und zwar aus Gesundheitsrücksichten im sechsten Stock: die Luft war doch erst in einer Höhe von siebzig Fuß über dem Erdboden rein. Hier genoß der biedere Hausbesitzer den entzückenden Anblick der Mühlen auf dem Montmartre, wenn er sich zwischen den Dachrinnen, wo er Blumen zog, ohne Rücksicht auf die Polizeivorschriften bezüglich der hängenden Gärten des modernen Babylons, erging. Seine Wohnung bestand aus vier Zimmern, wozu noch sein kostbarer Dachboden in dem obersten Stockwerk kam: er besaß den Schlüssel dazu, er gehörte ihm, er hatte ihn eingerichtet, damit war für ihn in dieser Beziehung alles in Ordnung. Trat man bei ihm ein, so zeigte die unanständige Kahlheit sofort seinen Geiz an: im Vorzimmer standen sechs Strohstühle und ein Kachelofen, die Wände waren mit einer flaschengrünen Tapete beklebt und mit vier auf Auktionen gekauften Stichen geschmückt; im Speisezimmer befanden sich zwei Schränke, zwei Vogelbauer voll Vögel, ein mit Wachstuch überzogener Tisch, ein Barometer, eine Fenstertür, die nach den hängenden Gärten hinausführte, und mit Roßhaarstoff überzogene Mahagonistühle; der Salon hatte kleine Fenstervorhänge aus alter grüner Seide und weiße, mit grünem Utrechter Sammet überzogene Möbel. Das Schlafzimmer des alten Junggesellen hatte Möbel im Stil Ludwigs XV., die infolge des langen Gebrauchs so aussahen, daß eine in Weiß gekleidete Dame Furcht gehabt hätte, sich auf ihnen schmutzig zu machen. Der Kamin war mit einer von zwei Säulen getragenen Uhr geschmückt, zwischen denen ein Zifferblatt als Postament für eine lanzenschwingende Pallas diente: eine mythologische Darstellung. Der Fußboden war mit Schüsseln voller Speisereste für die Katzen so bedeckt, daß man befürchten mußte, hineinzutreten. Über einer Kommode aus Rosenholz hing ein Pastellbild (Molineux als junger Mann). Dazu einige Bücher, Tische mit gemeiner grüner Pappe bedeckt und auf einer Konsole seine ausgestopften seligen Kanarienvögel; das Bett endlich verbreitete eine Kälte, daß es einen Karmelitermönch abgeschreckt hätte.
Cäsar