Honoré de Balzac – Gesammelte Werke. Honore de Balzac

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Honoré de Balzac – Gesammelte Werke - Honore de Balzac Gesammelte Werke bei Null Papier

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und der … al­ler­höchs­ten Gna­de wür­dig ge­zeigt … als Mit­glied des Han­dels­ge­richts und als Kämp­fer für die Bour­bo­nen auf den Stu­fen von Saint-Roch, wo ich am 13. Ven­dé­mi­aire von Na­po­le­on ver­wun­det wur­de. Die­se Ver­diens­te …«

      In die­sem Au­gen­blick kam Kon­stan­ze im Mor­gen­rock aus Cäsa­ri­nens Schlaf­zim­mer, wo sie sich an­ge­klei­det hat­te; ihr ers­ter Blick auf Cäsar brach­te den Re­de­fluß ih­res Man­nes so­fort zum Still­stand, der nun nach ei­ner ein­fa­che­ren Wen­dung such­te, um sei­nem Nächs­ten sei­ne Be­deu­tung in be­schei­de­ner Wei­se klarzu­ma­chen.

      »Da bist du ja, mein Herz, das hier ist Herr von Grin­dot, ein aus­ge­zeich­ne­ter jun­ger Mann und ein her­vor­ra­gen­der Künst­ler. Der Herr ist der Archi­tekt, den uns Herr von Bil­lar­diè­re für die Aus­füh­rung uns­rer ›klei­nen‹ Um­än­de­run­gen hier emp­foh­len hat.«

      Der Par­füm­händ­ler ver­steck­te sich bei die­sen Wor­ten hin­ter sei­ner Frau und mach­te dem Archi­tek­ten ein Zei­chen, in­dem er bei dem Wor­te »klein« den Fin­ger auf den Mund leg­te, was der Künst­ler ver­stand.

      »Kon­stan­ze, der Herr will jetzt die Maße der Räu­me neh­men, laß ihn das ma­chen, mei­ne Lie­be«, sag­te Bi­rot­teau und drück­te sich auf die Stra­ße.

      »Wird das denn sehr teu­er wer­den?« sag­te Kon­stan­ze zu dem Archi­tek­ten.

      »Nein, gnä­di­ge Frau, sechs­tau­send Fran­ken, so un­ge­fähr …«

      »So un­ge­fähr!« rief Frau Bi­rot­teau aus. »Ich bit­te Sie, lie­ber Herr, fan­gen Sie nicht an, be­vor nicht ein An­schlag und eine un­ter­zeich­ne­te fes­te Ab­ma­chung vor­lie­gen. Ich ken­ne die Art der Un­ter­neh­mer; sechs­tau­send, das will hei­ßen: zwan­zig­tau­send. Wir sind nicht in der Lage, un­sin­ni­ge Aus­ga­ben ma­chen zu kön­nen. Ich bit­te Sie, las­sen Sie mei­nem Man­ne, der ja na­tür­lich dar­über zu be­stim­men hat, Zeit zum Über­le­gen.«

      »Gnä­di­ge Frau, der Herr Bei­ge­ord­ne­te hat mir auf­ge­ge­ben, die Räu­me bin­nen drei Wo­chen fer­tig­zu­stel­len; wenn wir jetzt zö­gern, so wer­den Sie Aus­ga­ben ha­ben, ohne ein Re­sul­tat zu er­zie­len.«

      »Zwi­schen Aus­ga­ben und Aus­ga­ben ist ein Un­ter­schied«, sag­te die schö­ne Frau.

      »Glau­ben Sie denn, gnä­di­ge Frau, daß es für einen Archi­tek­ten, der Mo­nu­men­tal­bau­ten er­rich­ten möch­te, sehr ver­lo­ckend ist, eine Pri­vat­woh­nung aus­zu­stat­ten? Ich be­fas­se mich mit sol­cher Klei­nig­keit nur, um Herrn von Bil­lar­diè­re ge­fäl­lig zu sein. Aber wenn Sie fürch­ten, daß ich …«

      Er mach­te Mie­ne, sich zu ent­fer­nen.

      »Also bit­te, Herr Grin­dot«, sag­te Kon­stan­ze, ging in ihr Zim­mer zu­rück und warf sich Cäsa­ri­ne an die Brust. »Ach, mein Kind, dein Va­ter rui­niert uns! Er hat sich einen Archi­tek­ten ge­nom­men, einen Men­schen mit ei­nem Schnurr­bart und ei­ner Flie­ge, der da­von re­det, daß er Mo­nu­men­te er­rich­ten will! Er wird uns das Haus zu den Fens­tern hin­aus­wer­fen und uns einen Lou­vre her­bau­en. Wenn es sich um eine Tor­heit han­delt, dann ist Cäsar im­mer da­bei; heu­te nacht erst hat er mir von dem Pro­jekt er­zählt, und heu­te früh fängt er schon mit der Aus­füh­rung an.«

      »Ach, Mama, laß den Papa doch ma­chen, der lie­be Gott hat ihm doch im­mer ge­hol­fen«, sag­te Cäsa­ri­ne, küß­te ihre Mut­ter und setz­te sich an das Kla­vier, um dem Archi­tek­ten zu zei­gen, daß auch der Toch­ter ei­nes Par­füm­händ­lers die schö­nen Küns­te nicht fremd sind.

      Als der Archi­tekt das Schlaf­zim­mer be­trat, war er über­rascht von der Schön­heit Cäsa­ri­nes und stand bei­na­he ver­blüfft still. Cäsa­ri­ne war aus ih­rem Zim­mer­chen im Mor­gen­rock ge­kom­men, so frisch und ro­sig, wie ein jun­ges Mäd­chen mit acht­zehn Jah­ren frisch und ro­sig ist, blond und schlank, mit blau­en Au­gen zeig­te sie dem Auge des Künst­lers jene in Pa­ris so sel­te­ne Elas­ti­zi­tät, die das zar­tes­te Fleisch schwel­len läßt und jene von den Ma­lern be­wun­der­te Far­ben­nu­an­ce, wenn das blaue Ader­netz durch die Wei­ße des Teints hin­durch scheint. Ob­gleich sie in der blut­leer ma­chen­den At­mo­sphä­re ei­nes Pa­ri­ser La­dens leb­te, in den so we­nig fri­sche Luft kommt und die Son­ne so sel­ten hin­ein­scheint, hat­ten ihre Le­bens­ge­wohn­hei­ten ihr das­sel­be Aus­se­hen ge­ge­ben, wie ei­ner Tras­te­ve­ri­ne­rin in Rom das Le­ben im Frei­en. Über­rei­ches Haar, des­sen An­satz dem ih­res Va­ters glich und das so auf­ge­nom­men war, daß der schön ge­schwun­ge­ne Hals frei blieb, fiel in sorg­sam ge­pfleg­ten Lo­cken her­ab, wie bei al­len La­den­ver­käu­fe­rin­nen, die sich durch den Wunsch, be­merkt zu wer­den, in be­zug auf ihre Toi­let­te eine ganz eng­li­sche Sorg­sam­keit an­ge­wöhnt ha­ben. Die Schön­heit des jun­gen Mäd­chens war we­der die Schön­heit ei­ner Lady, noch die ei­ner fran­zö­si­schen Her­zo­gin, son­dern die rund­li­che, rot­bä­cki­ge Schön­heit der Ru­bens­schen Flam­län­de­rin­nen. Cäsa­ri­ne hat­te die Stumpf­na­se ih­res Va­ters, aber ver­geis­tigt durch die Fein­heit der Form, ähn­lich je­nen cha­rak­te­ris­ti­schen fran­zö­si­schen Na­sen, de­ren Wie­der­ga­be Lar­gil­liè­re so gut ge­lun­gen ist. Ihre Haut, voll und stark wie ein Stoff, be­zeug­te ihre jung­fräu­li­che Le­bens­kraft. Sie hat­te die schö­ne Stirn ih­rer Mut­ter, aber ver­klärt durch den Froh­sinn ei­nes sorg­lo­sen Mäd­chens. Ihre blau­en, feucht schim­mern­den Au­gen hat­ten den Aus­druck der lie­bens­wür­di­gen An­mut ei­ner glück­li­chen Blon­di­ne. Wenn auch das Ge­fühl des Glücks ih­rem Ant­litz den poe­ti­schen An­hauch ver­sag­te, den die Ma­ler durch­aus ih­ren Schöp­fun­gen ver­lei­hen wol­len, in­dem sie sie ein we­nig zu nach­denk­lich dar­stel­len, so gab ihr doch der leich­te Aus­druck von Me­lan­cho­lie, wie ihn jun­ge Mäd­chen, die noch nie­mals sich aus der Hut der müt­ter­li­chen Fit­ti­che her­vor­ge­wagt ha­ben, zei­gen, einen idea­len Reiz. Trotz der Fein­heit ih­rer For­men war sie kräf­tig ge­baut; ihre Füße ver­rie­ten die bäu­er­li­che Her­kunft ih­res Va­ters, und sie be­wies den Man­gel an Ras­se auch wohl durch ihre ro­ten Hän­de, wie sie ein ein­fa­ches bür­ger­li­ches Le­ben zur Fol­ge hat. Frü­her oder spä­ter muß­te sie dick wer­den. Da sie un­ter der Kund­schaft ver­schie­de­ne ele­gan­te Da­men gut be­ob­ach­tet hat­te, ge­lang es ihr schließ­lich, ein fei­ne­res Ge­fühl für gute Klei­dung, ge­wis­se Aus­drücke auf ih­rem Ge­sicht, eine be­son­de­re Art, zu spre­chen und sich zu be­we­gen, sich an­zu­eig­nen, so daß sie wie eine fei­ne Dame er­schi­en und al­len jun­gen Leu­ten wie den Kom­mis, de­nen sie be­son­ders dis­tin­guiert vor­kam, den Kopf ver­dreh­te. Po­pi­not hat­te sich ge­lobt, nie eine an­de­re als Cäsa­ri­ne zu hei­ra­ten. Die­se zar­te Blon­di­ne, die schon ein Blick zu ver­wir­ren schi­en, und die bei ei­nem Wort des Vor­wurfs in Trä­nen aus­bre­chen konn­te, konn­te ihn al­lein sei­ne männ­li­che Über­le­gen­heit emp­fin­den las­sen. Die­ses rei­zen­de Mäd­chen konn­te eine sol­che Lie­be ein­flö­ßen, daß kei­ne Zeit blieb, zu prü­fen, ob sie auch Geist ge­nug be­sä­ße, um ei­ner sol­chen Lie­be Dau­er zu ver­lei­hen; aber wozu soll das, was man in Pa­ris »Geist« nennt, ei­ner Ge­sell­schafts­klas­se die­nen,

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