Absolute Zero Cool. Declan Burke
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Ihm glüht der Kopf, als er das Fenster schließt. Ich versuche, eine Beziehung herzustellen zwischen meinem Rauchen und der Krebserkrankung seiner Patienten, aber es will mir nicht so recht gelingen. Die Zuständigkeiten gehen ineinander über, okay, und krebserregende Stoffe sind überall zu finden. Trotzdem finde ich keine Berührungspunkte.
Mein Zitat für den heutigen Tag stammt von Henry G. Strauss: Ich habe vollstes Verständnis für den Amerikaner, der von den schlimmen Folgen des Rauchens las und darüber so sehr erschrak, dass er das Lesen aufgab.
»Das unterscheidet sich nicht wesentlich von der ersten Fassung«, sagt Billy. Wir sind wieder draußen auf der Terrasse. Noch so ein schöner Morgen. Ich hoffe, das gute Wetter hält an, denn ich bin mir nicht sicher, ob ich ihn ins Haus einladen möchte.
»Ich glaube, es funktioniert ganz gut«, sage ich. »Du musst schon ein bisschen schräg rüberkommen, sonst nimmt uns keiner ab, dass du fähig bist, das Krankenhaus in die Luft zu jagen.«
»Schon richtig. Aber ich weiß nicht, ob ich ihm den Finger zeigen soll. Das ist doch irgendwie überflüssig. Ich an meiner Stelle wäre da etwas subtiler.«
»Ich denk mal drüber nach«, sage ich und mache mir eine Notiz.
»Was kommt dann?«, fragt er.
»Die Szene, wo du den dünnen Mann für die Leistenoperation rasierst.«
»Prima, der Nächste bitte!«
Heute rasiere ich einen dünnen Mann namens Tiernan, der eine Leistenoperation vor sich hat. Die Latexhandschuhe sind kalt, aber er scheint das nicht zu registrieren. Er tut so, als würde er nicht bemerken, dass ein fremder Mann sich an seinen Genitalien zu schaffen macht.
Stattdessen erzählt er mir von einem Freund, der jemanden kennt, der während der Anästhesie gestorben ist. Tiernan sagt, er möchte nicht sterben, ohne es zu wissen. In Wirklichkeit will er damit sagen, dass er überhaupt nicht sterben will. In Wirklichkeit will er damit sagen, dass er keinen hat, den er ins Vertrauen ziehen kann, nur den Typen, der ihm den Intimbereich rasiert.
»Ich bin nur fürs Rasieren zuständig«, sage ich. »Ich schiebe Rollstühle durch die Gegend und hebe schwere Patienten hoch, wenn die Pfleger viel zu tun haben. Wenn Sie einen Priester sehen wollen, kann ich versuchen, einen herzuholen. Aber es ist ja nur eine Leisten-OP. Reißen Sie sich zusammen.«
Er ist schockiert. Ich wische den Rest vom billigen Rasierschaum weg. »Sie glauben, Sie haben ein Problem?«, frage ich. »Ich muss Tag für Tag die Schwänze von anderen Männern angucken. Wollen Sie mit mir tauschen?«
Er arbeitet in einer Reiseagentur und verbringt den ganzen Tag damit, Pornobilder per E-Mail an seine Freunde zu verschicken, die so tun, als würden sie seinen angeblich ironischen Umgang damit gut finden.
»Sie möchten nicht sterben?«, frage ich. »Dann tun Sie was. Wenn Sie was tun, dann ist das Sterben nicht mehr so schlimm. Malen Sie ein Bild. Schaffen Sie sich ein Kind an. Und dann lassen Sie los. Sterben ist eigentlich nichts anderes als Loslassen.«
Aber er hört nicht zu. Er denkt wieder an diesen Typen, den sein Freund gekannt hat, der starb, ohne es mitzubekommen. Ich finde das total witzig. Ich meine, wenn die Toten eins wissen, dann, dass sie tot sind. Und falls das ungefähr so ähnlich sein sollte wie die Gewissheit der Lebenden, dass sie leben, dann ist es jedenfalls keine große Sache.
Er sieht zu, wie ich die Latexhandschuhe abstreife.
»Passen Sie gut auf«, sage ich. »Sie werden später vielleicht darauf zurückgreifen müssen. Sie wären überrascht, wie viele Menschen gelernt haben, ohne Würde zu leben. Statistisch gesehen haben Sie gute Chancen, einer von denen zu werden.«
Die Oberschwester kommt rein. Ich frage mich, ob man diese Art von Geschäftigkeit auf der Krankenpflegerschule lernt. Sie macht Tiernans Kittel auf. Oberschwestern prüfen normalerweise nicht, ob die Rasur korrekt ist, aber vor ein paar Wochen habe ich versehentlich die falsche Seite rasiert.
»Wie geht es Ihnen, Mr Tiernan?«, fragt sie. Das sagt sie, um darüber hinwegzutäuschen, dass sie meine Arbeit überprüft.
»Ich hab einen Höllendurst«, sagt er.
»Es dauert nicht mehr lange«, sagt sie. »Bald ist es vorbei.« Sie spricht mit mir, ohne mich anzuschauen.
»Karlsson, bringen Sie Mr Tiernan bitte um Viertel vor vier nach unten in den OP.«
»Hoffentlich passiert unterwegs nichts Unvorhergesehenes«, sage ich. Aber sie hört nicht hin.
Er lümmelt auf seinem Stuhl und tippt sich mit dem Ende seines Bleistifts gegen die Lippen.
»Du nennst mich immer noch Karlsson«, sagt er.
»Genau genommen sind es die anderen Charaktere, die dich Karlsson nennen.«
»Sie sollen mich Billy nennen.«
»Das könnte ich ändern, klar. Aber wenn du Billy wirst, bist du nicht mehr Karlsson.«
»Ich bin nicht mehr Karlsson.«
»Nicht für mich oder dich. Aber wenn die anderen Personen dich Billy nennen, dann erwarten sie, dass du auch so aussiehst wie jemand, der Billy heißt. Und dann muss ich mir die Mühe machen, dein Aussehen zu ändern, und zwar jedes Mal, wenn es beschrieben wird. Deine Haare, deine Augen, die Art, wie du läufst…«
»Ändern wir das jetzt, oder ändern wir das nicht?«
Sein Ton gefällt mir nicht.
»Ich will dir ja nicht zu nahe treten, Billy, aber ich tu dir hier einen Gefallen. Okay? Und da wir das zusätzlich zu meiner anderen Arbeit machen, können wir uns nicht mit jedem winzigen Detail herumschlagen. Du musst dir deine Rolle mehr wie ein Schauspieler vorstellen. Kapiert? So tun, als wäre die Geschichte ein Film von Mike Leigh oder einer von diesen Dogma-Streifen. Du fügst einfach hier und da etwas zu der Karlsson-Rolle hinzu, erfindest neue Dialoge, einen Spleen, eine Marotte.
Veränderst ihn so, dass er dir mehr ähnelt, aber du solltest vorsichtig rangehen. Wie findest du das?«
Er braucht eine Weile zum Überlegen.
»Okay«, sagt er dann. »Ich kann’s ja mal probieren.«
»Prima. Also pass auf. Ich hab mir überlegt, dass wir diesen Kram mit dem Papst und Camus weglassen.«
»Welchen Kram?«
»Diese Torwartsache.«
Er schüttelt den Kopf. »Kann mich nicht daran erinnern. Was hab ich denn dazu gesagt?«
Albert Camus und Papst Johannes Paul II. waren