Wahrheit oder Sylt. Jacob Walden

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Wahrheit oder Sylt - Jacob Walden

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gegenüber erkennt Karsten die Kiefern, die er durch die Lamellen der Jalousie gesehen hat.

      Miriam. Hinter welchem Fenster ist sie? Vielleicht würde sie ihm sagen können, was in der letzten Nacht passiert ist. Aber auch wenn nicht, muss er sie da rausholen. Wenn er abhauen muss, muss sie es doch genauso!

      Wer hat sie an dieser Bushaltestelle bewusstlos abgeladen, mitten in der Nacht, wie illegalen Sperrmüll? Das wird Miriam wahrscheinlich auch nicht wissen. Eigentlich müssen es ja die anderen gewesen sein. Aber warum? Oder ist alles ganz anders gewesen? Ist Miriam mit ihm zusammen weggegangen, geflohen sogar? Sind sie vielleicht sogar selbst in das Wartehäuschen der Bushaltestelle gegangen und dort einfach eingeschlafen? Aber warum in Wenningstedt?

      Der Fahrweg endet an einem weiteren Radweg, dahinter Dünen. Von Westen aus betrachtet sieht die Klinik eher wie ein Hotel aus. Balkon an Balkon, weiße Handtücher über den Brüstungen, träge flatternd im Wind. Das Meer rauscht hier noch lauter von jenseits der Dünen.

      An der nächsten Ecke stößt Karsten erleichtert auf eine große Freifläche, rechts die Klinik, links wieder ein Wäldchen. Der Platz ist komplett zugeparkt. Schon in der ersten Reihe, am westlichen Rand des Platzes, unter der tief hängenden Krone einer windschiefen Schwarzkiefer, findet er den Audi. Er kann gar nicht schnell genug die Fahrertür öffnen. Er lässt sich auf das zerschlissene Leder des Fahrersitzes fallen und atmet die stickige wunderbaumaromatisierte Luft ein. Eine warme Welle vertrauter Geborgenheit überschwemmt ihn und schwappt als Tränen in seine Augen, die er mit dem Handrücken beiseite wischt.

      Er öffnet das Handschuhfach. Er hat gehofft, sein Handy dort zu finden, aber da ist nichts.

      Was auf Sylt passiert, bleibt auf Sylt. Er sieht hoch und betrachtet die Kiefernzweige, die über die Windschutzscheibe wischen. Woher kommt jetzt dieser Satz? Er schüttelt den Kopf, und dann sieht er es plötzlich wieder deutlich vor sich, als habe jemand ein Fenster geöffnet.

      23

      Hörnum/Sylt. Süderende

      Davor

      Die Straße muss eine der schönsten der Welt sein, dachte Karsten, irgendwo musste es eine Liste geben, und auf dieser Liste der schönsten Straßen würde diese Straße zwischen Rantum und Hörnum ganz weit oben aufgelistet sein.

      Schnurgerade zog sich das Asphaltband im gleißenden Sonnenlicht durch einsame Dünenlandschaft. Immer wieder blitzte blau das Meer zur Linken auf. Der Strandhafer, oder wie die Dünenpflanzen auch immer heißen mochten, wirkte wie ausgeblichen, was der Szenerie einen surrealen Hauch verlieh. Mitten im Nichts passierten sie eine ausgeschaltete Ampel und kurz danach einen riesigen Parkplatz, fast leer. Nur zwei alte Wohnmobile standen dort wie zufällig stehengeblieben, Surfbretter auf dem Dach, doch kein Mensch zu sehen.

      »Paradiesisch«, seufzte Miriam.

      »Ich dachte, Sylt ist so überlaufen im Sommer«, bemerkte Franziska. »Aber hier sieht’s ja ganz schön einsam aus.«

      »Wenningstedt, Kampen, List und natürlich Westerland, da sind die meisten Touris«, sagte Lorenz. »Der Süden von Sylt ist ruhiger. Aber im Osten ist es noch ruhiger, am Nössedeich in Morsum oder in Archsum in den Wiesen.«

      »Du kennst dich ja voll gut aus«, lobte Franziska.

      »Wir haben mit der Klinik Ausflüge über die ganze Insel gemacht«, antwortete Lorenz. »Damals wäre ich lieber am Strand geblieben, aber eigentlich war es cool, dass sie uns Sylt gezeigt haben.«

      »Wer weiß, wofür es gut ist«, bemerkte Karsten. »Wenn wir bei Matze vorzeitig raus müssen, dann ist es gut, einen Experten dabei zu haben.«

      »Warum sollten wir denn bei Matze vorzeitig raus müssen?«, fragte Miriam. »Bist du nicht ein wenig arg paranoid?«

      »Abwarten«, brummte Karsten. »Wir werden ja sehen.«

      Die Straße machte eine langgesteckte Kurve, danach tauchten große schlichte Gebäude auf und in der Ferne ein Leuchtturm. Karsten bremste ab.

      »Was sind denn das für Bunker?«, fragte Franziska.

      »Bunker ist gar nicht so verkehrt«, antwortete Lorenz. »Das sind ehemalige Kasernen. Hier war früher ganz viel Militär stationiert. Im Zweiten Weltkrieg sollte von Sylt aus England erobert werden. Deshalb hat der Sylter Flugplatz auch eine Landebahn, auf der richtig große Passagierflugzeuge landen können.«

      »Aber jetzt ist hier doch kein Militär mehr, oder?«

      »Jetzt nicht mehr. Jetzt sind in den alten Kasernen Landschulheime und so Ähnliches untergebracht.«

      Lorenz hatte die Navigationsapp seines Handys mit der Adresse gefüttert, die Matze ihnen gegeben hatte. Bislang war es immer nur geradeaus gegangen. Als sie im Ort eine scharfe Linkskurve erreichten, meldete sich die Computerstimme und wies sie an, dass sie rechts abbiegen sollten.

      »Bist du sicher, dass wir hier richtig sind?«, fragte Karsten an Lorenz gewandt. »Hier geht’s doch schon wieder raus aus dem Ort.«

      »Muss hier gleich sein«, meinte Lorenz. »Fahr mal langsam.«

      Das hätte er nicht sagen müssen. Auf der schmalen Fahrbahn, mehr Weg als Straße, verhinderten Fußgänger und Radfahrer alles über Schritttempo.

      »Stopp!«, rief Lorenz. »Zurück!«

      Karsten gehorchte.

      »Hier muss es sein! Fahr da mal hoch!«

      »Da?« Karsten drehte sich zu Lorenz um. »Du verarschst mich doch, oder?«

      »Wenn, dann Google. Fahr da mal hoch!«, insistierte Lorenz.

      Karsten seufzte und lenkte den Audi auf einen noch schmaleren, mit rötlichen Steinen gepflasterten Weg, der ohne sichtbares Ziel mitten in die Dünen führte.

      »Das muss es sein!«, rief Franziska und zeigte durch die Windschutzscheibe.

      Im weiten Bogen führte ein Fahrweg hinauf auf eine hohe Düne. Von unten sah man ein Reetdach mit Gauben, der Rest des Hauses war durch die erhöhte Lage und eine Hecke aus Inselrosen vor Blicken geschützt.

      »Ganz sicher?«, fragte Karsten. »Wenn ich da jetzt hochfahre, und das gehört anderen Leuten, die keinen Bock auf Besuch haben und ihre Dobermänner auf uns hetzen …«

      »Spinner!«, lachte Lorenz. »Wir sind doch nicht im Getto.«

      Im ersten Gang arbeitete sich der Audi den steilen Weg hinauf. Vor dem Haus stand Matzes Cayenne.

      »Siehste!«, rief Lorenz triumphierend.

      »Glück gehabt«, bemerkte Miriam spöttisch.

      »Von Glück kann keine Rede sein«, murmelte Karsten, doch das hörte keiner der anderen. Er manövrierte den Audi zwischen Matzes Cayenne und einen kleinen Unterstand für die Mülltonnen.

      Sie betraten die umlaufende Terrasse. An der rot geklinkerten Mauer stand in metallenen von Grünspan angegriffenen Buchstaben »Dünenburg«.

      »Boah«, entfuhr es Miriam. »Das ist ja mal geil!«

      Während

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