Wahrheit oder Sylt. Jacob Walden

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Wahrheit oder Sylt - Jacob Walden страница 5

Автор:
Жанр:
Серия:
Издательство:
Wahrheit oder Sylt - Jacob Walden

Скачать книгу

flüstert er.

      »Wir haben uns solche Sorgen um dich gemacht, Sebastian!«, sagt sie und streicht ihm über die Wange.

      »Ich lass euch dann mal alleine«, hört er den Pfleger aus dem Hintergrund. Das Mädchen bedankt sich höflich. Sekunden später fällt die Tür ins Schloss. Stille.

      Das Mädchen hat lange, glatte blonde Haare, ist schlank und mag etwa 18 sein. Sie sieht übernächtigt aus. Dunkle Ringe zeichnen sich trotz Make-up unter ihren Augen ab.

      »Sunny!«, sagt er nochmal.

      Das Mädchen verzieht den Mund. »Das muss jetzt doch nicht mehr sein. Eigentlich möchte ich diesen Namen nie mehr hören.«

      »Aber du bist Sunny, oder?«

      »Ich bin Luna. Ich hab mich nur Sunny genannt. Erinnerst du dich nicht?«

      »Nein!«

      Sie runzelt die Stirn. »An was kannst du dich überhaupt erinnern?«

      »Sylt. Ein Haus. Dünen. Ein paar Leute.«

      »Ja und?«

      »Nichts. Gar nichts. Bis eben wusste ich nicht einmal, dass ich Sebastian heiße. Kommt mir auch total fremd vor.«

      »Nun ja.« Luna lacht leise. »Das könnte daran liegen, dass du gar nicht Sebastian heißt.«

      »Aber …«

      »Das war nur für den Pfleger«, flüstert sie. »Die wollten als Erstes deine Daten haben, Versichertenkarte und so. Ich hab gesagt, du hättest keine Karte, weil du privat versichert bist, und dass du Sebastian Krämer heißt und in Berlin wohnst.«

      Er starrt sie verständnislos an. »Und warum das alles? Und wie heiße ich denn nun wirklich?«

      »Karsten«, sagt Luna. »Du heißt Karsten. Und glaub mir, es ist besser, wenn niemand deinen richtigen Namen erfährt.«

      »Warum?« Seine Stimme kiekst aufgeregt.

      »Pst«, zischt Luna. »Nicht so laut. Der Pfleger meinte, du bräuchtest absolute Ruhe und dürftest dich nicht aufregen. Wenn du nicht ruhig bist, schmeißt er mich gleich wieder raus.«

      »Karsten Straußberger«, flüstert Karsten. »Ich bin Karsten Straußberger, oder?«

      Luna nickt. »So sieht’s aus.«

      »Was ist passiert? Warum bin ich hier?«

      »Du hattest einen Anfall.«

      Karsten wartet auf weitere Ausführungen, doch Luna schweigt.

      »Und warum bist du meine Schwester?«

      »Sonst würden sie mir doch gar nichts erzählen. Wahrscheinlich dürfte ich gar nicht zu dir.«

      »Clever.«

      »Danke.«

      Sie sieht hübsch aus, wenn sie lächelt, denkt er.

      »Was ist alles geschehen gestern Abend?«, fragt Karsten. »Es war doch gestern? Oder?«

      Luna nickt. Einen Augenblick lang scheint sie nachzudenken.

      »Jetzt sag schon!«, drängt Karsten. »Hilf mir! Bitte!«

      »Wir haben Party gemacht. Ziemlich viel getrunken. Flaschendrehen gespielt. Und dann ist alles außer Kontrolle geraten.«

      Das Flackern. Es kommt schlagartig und aus dem Nichts. Ein eigenartiger Geruch sticht Karsten in der Nase. Eine bleierne Müdigkeit überfällt ihn. Luna verschwimmt vor seinen Augen, und Karsten taucht in bodenlose Schwärze.

      8

      Bremen. Stadtwerder

      Davor

      Ein Hauch von Verwesung. Süßlich und modrig. Er stieg aus der Kanalisation durch die Gullydeckel empor, vereinigte sich mit dem Geruch der Weser, die so wenig Wasser führte wie noch in keinem Sommer zuvor, und waberte schwer in der schmierigen Schwüle des Hochsommernachmittags. Über das Blau des Himmels hatte sich ein angegrautes Weiß gelegt, das trotz des Eindrucks von Schmutzigkeit grell in den Augen stach.

      Hitze, Stille. Lethargisch, atemlos. Warten auf den großen Knall, das reinigende Gewitter, den erlösenden Regen.

      Es hatte seit Wochen keinen Tropfen geregnet. Jeden Tag knallte die Sonne auf die Stadt und ließ die Menschen schmoren wie in einem Dampfgarer. Die Luft erhitzte sich auf fast 40 Grad im Schatten, und in den Nächten kühlte es kaum ab. Es wurde viel schwadroniert von einem Jahrhundertsommer, von Tropenhitze und Saharawinden. Jeden Tag meldeten die Medien neue Hitzerekorde und brachten Schauergeschichten von den Opfern der Temperaturen.

      13. August, ein Donnerstag, Bremen.

      An jenem Tag begann etwas, das wenig später Karstens Leben in Davor und Danach zerteilen wird wie mit einer Rasierklinge. Wie ein mit militärischer Präzision gezogener Scheitel.

      Doch das weiß er in diesem Moment noch nicht, so wie Karsten im Moment sehr viel nicht weiß.

      Karsten saß mit Lorenz direkt an der Weser am Strand des Café Sand und schwitzte. Abends wehte hier immer eine leichte Brise vom Fluss her. Doch jetzt am Nachmittag brannte die Sonne. Das Bier in den kleinen braunen Flaschen wurde schneller warm, als Karsten und Lorenz es trinken konnten.

      Lorenz’ Handy piepste. »Die Mädels kommen«, sagte er nach einem kurzen Blick aufs Display. »Haben eine Überraschung für uns.«

      »Aha. Und was?«

      »Keine Ahnung. Überraschung eben.«

      Lorenz und Karsten waren Freunde seit dem Kindergarten. Nach dem Abitur war Lorenz nach Heidelberg gezogen, um BWL zu studieren. Karsten war in Bremen geblieben und hatte halbherzig ein Jurastudium begonnen. Karsten sagte sich, dass die Entfernung ihre Freundschaft nicht verändert hätte, aber im Grunde wusste er, dass er sich da etwas einredete.

      Nun waren Semesterferien. Lorenz war nach Bremen gekommen, um seinen Eltern Miriam vorzustellen, ein Mädchen, mit dem er seit Beginn des Sommersemesters zusammen war. Doch seine Eltern hatten den angekündigten Besuch vergessen und waren zum Golfen nach Schottland geflogen.

      Wollte man Lorenz’ Eltern in einem Roman charakterisieren, dann müsste man nur diese Story erzählen, aber vermutlich würden dann alle denken: wie unrealistisch! Aber genau so waren Lorenz’ Eltern eben. Das hatte Karsten gedacht, als Lorenz und Miriam plötzlich vor ihm an der Gartenpforte standen.

      Der Garten lag am Rande eines riesigen Parzellengebiets auf dem Stadtwerder, einer lang gestreckten Flussinsel in der Weser, mitten in Bremen. Nach dem Zweiten Weltkrieg war es den Gartenbesitzern wegen der Wohnungsnot erlaubt gewesen, kleine Häuser zum dauerhaften Wohnen hier zu bauen.

      Die sogenannten Kaisenhäuser, benannt nach dem damaligen Bremer Bürgermeister Wilhelm Kaisen, standen noch immer. Wenn ein Eigentümer auszog oder starb, mussten sie eigentlich abgerissen werden.

Скачать книгу