Alpendöner. Willibald Spatz
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»Ihr Deutschen, leck mich.« Werners Atem dampfte.
»Sag mal, ist das jetzt geladen?«, wollte Birne sicher sein.
»Was denkst denn du?«, war die Antwort Werners. »Wir warten jetzt zehn Minuten, knallen den Fuchs und sind schon auf dem Weg zurück. Alles ganz schnell.«
Birne bekam zurzeit selten die Gelegenheit, den Sonnenaufgang zu sehen. Die Sonne kam nun immer schon, bevor er die Zeitung holen ging. Bis vor ein paar Wochen hatte er beim Zeitungsholen das Gefühl, früh aus dem Haus zu sein, sich seine Zeitung als Belohnung zu holen.
Birne dachte sich, dass er momentan mehr über seine Zeitung nachdachte als über Frauen und überlegte, ob das in Ordnung sei.
Zehn Minuten schauten sie nun auf die Fichten eines Waldrands. Birne traute sich nicht, etwas zu sagen, meinte, still sein zu müssen, um die Tiere nicht zu warnen. Eigentlich hätten sie schon knallen müssen.
»Gefällt es dir bei uns?« Birne erschrak, als Werner ihn fragte.
»Müssen wir nicht leise sein wegen der Füchse?«
»Wenn wir leise flüstern, reden wir in einer Frequenz, die sie nicht wahrnehmen.«
»Ach so.«
»Hast du das nicht gewusst?«
»Nein. Ist das einer?«
»Was?«
»Da drüben.«
»Richtig.«
Werner hatte den Lauf gerade zur anderen Öffnung rausstehen, musste ihn reinholen, dabei Birne ins enge Eck drücken und dann mit Mühe das Gewehr durch den anderen Schlitz rauszwängen. Birne hatte Angst, das Teil könne losgehen und, wenn es schon keinen von beiden blind träfe, ihre Trommelfelle zerfetzen. Irgendetwas – das Rascheln ihrer Jagdjacken, Werners Fluchen, das Schlagen des Metalls an das Holz des Jägerstands – musste in einer Frequenz gewesen sein, die der Fuchs hörte, oder er hatte die Schnauze voll gehabt von dem Platz neben den Bäumen – er war weg, und Werner fluchte: »Scheiße!« Laut. »Den hätten wir haben müssen. Scheiße.«
»Tut mir leid.«
»Du bist nicht schuld.«
Sie warteten, und Birne wusste jetzt nicht mehr, wie lange. Er sagte nichts.
»Bist du verheiratet?«
»Nein.«
»Aber eine Frau hast du.«
»Nein, nicht direkt.«
»Versteh schon, schlechtes Thema.«
»Nein, nein, wir können schon darüber reden. – Sie ist mir weg. Ein anderer. Aber scheißegal, das kommt wieder.«
»Was? Sie?«
»Die Liebe.«
»Pst.«
Sie hatten wieder einen, es könnte auch der gleiche gewesen sein. Werner war wieder 90 Grad verkehrt. Er fluchte und legte an, diesmal war es knapper, aber es fiel kein Schuss, dazu war das Tier schon zu sehr auf der Flucht, als dass es noch wert gewesen war, es auf einen Schuss ankommen zu lassen. »Scheiße.«
»Tut mir leid.«
»Du bist nicht schuld. – Ich bin manchmal ganz froh, wenn ich zu Hause mal rauskomme. – Wohnen da, wo du wohnst, viele Ausländer?«
»Es geht. Wieso?«
»Nichts. Es gibt gerade viele Ausländer. Ich bin nicht feindlich, ich stelle es nur fest.«
»Aber einen Kebab isst du, damit hast du keine Probleme.«
»Ich bin nicht feindlich, das habe ich nicht gesagt. Ich stelle nur fest. Ich habe einen Bekannten bei der Polizei.«
»Das sind alles Nazis«, sagte Birne.
»Das kann schon sein, er erzählt halt allerhand. Ich bin auch nicht mit allem einverstanden, was die Deutschen machen. – In Wirklichkeit kann ich damit gar nichts anfangen, was ihr treibt. Macht doch, was ihr wollt.«
»Es gibt viele Nazis hier.«
»Du meinst Polizei?«
»Nein, nicht einmal, Leute, die so reden wie du.«
Werner wehrte sich: »Ich sag es dir noch mal: Ich bin kein Nazi, ich bin von der Einstellung eher links.«
»Und dein Bekannter?«
»Der erzählt nur.«
Sie hatten wieder einen, vor dem richtigen Loch, alles passte, Werner musste nur anlegen, ruhig atmen und abdrücken.
»Mensch, sei doch mal still!«
»Ich habe gar nichts gemacht.«
»Dann ist es deine Scheißjacke, die macht Krach. Jetzt ist er wieder weg.«
»Tut mir leid.«
»Das nächste Mal ziehst du was Anständiges an.«
Birne verstand, dass er wieder mitdurfte. Es hatte ihm gefallen, die Stille, dass kein Schuss gefallen war. Das Gespräch mit Werner.
Im Auto. »Hast du eigentlich Kinder?«
»Ja. Eine Tochter. Wieso?«
»Nur so.«
»17, das schwierige Alter.« Werner lachte.
Birne hatte gar nicht daran gedacht. Sie waren auf dem Weg zur Arbeit, hatten Wechselkleidung dabei.
»Das nächste Mal«, sagte Werner, »gehen wir abends, und danach an den Stammtisch.«
Birne gefiel das, Birne mochte Bier.
Im Büro war es ruhig. Er war halt jetzt da, keiner achtete besonders auf ihn. Birne hatte nichts zu tun, tat aber so, als hätte er, man wusste ja nie. Er blätterte ein bisschen die Bücher durch, die sie herausgegeben hatten, fand sie nicht so wahnsinnig anders als andere, worauf sie stolz waren, dass sie überhaupt nicht so waren wie Reiseführer. Es war ihm schon recht. Er arbeitete nur hier, er musste seine Seele hier nicht reinhängen.
Irgendwann kam mal Tim und erklärte ihm das Programm oder System, mit dem sie hier arbeiteten. In welchem Ordner die Texte zu finden seien, wie man sie auf die Seiten des werdenden Buches fließen lassen konnte, wo man nach Bildern suchen konnte, wie ihre Seiten normalerweise gestaltet seien, worauf man zu achten habe, was die Todsünden seien und so weiter.
Birne dachte sich »aha« und fand, dass man hier von keinem große Kunststücke verlangte. Langsam kam er aber in einen Zustand, in dem man von ihm auch nichts mehr verlangen konnte, ihm wurde schlecht, und er schwor sich, sich nie wieder so blöd vollzusaufen, zumindest nicht allein. Tim jedenfalls schaute ihn des Öfteren komisch an und Birne kam es so vor, als