Der Mensch ist böse. Julian Hannes

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Der Mensch ist böse - Julian Hannes

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werden, wurden die wesentlichen Erkenntnisse doch immer wieder bestätigt. Was war das für ein Experiment?

      Stellen Sie sich vor, Sie betreten ein Versuchslabor. Ein Versuchsleiter kommt auf Sie zu und begrüßt Sie. Er trägt einen weißen Kittel und hat einen festen Händedruck. Er erklärt Ihnen, dass es in dem Experiment um das Thema Gedächtnis und Bestrafung gehen soll. Es gibt zwei Teilnehmer. Sie bekommen die Rolle des Lehrers zugewiesen, eine andere Person nimmt die Rolle des Schülers ein. Der Schüler wird in einen Nebenraum gebracht, wo Sie ihn zwar nicht mehr sehen, aber immer noch gut hören können. Er wird dort an einen Elektroschocker angeschlossen – und Sie sitzen an den Schaltern, um die Elektroschocks auszulösen. Der Versuchsleiter erklärt Ihnen, dass der Schüler gleich Aufgaben bekommt. Wenn er einen Fehler macht, sollen Sie ihm einen Schock verpassen – und dabei die Stärke der Elektroschocks bei jedem Fehler steigern.

      Es geht los, der erste Fehler passiert und Sie lösen einen kleinen Schock von etwa 15 Volt aus. Die Fehler werden immer mehr, die Schocks immer stärker. Sie werden nervös, der Schweiß steht Ihnen auf der Stirn. 75 Volt, Sie hören den Schüler bereits deutlich leiden. Der Versuchsleiter jedoch erklärt, Sie müssen weitermachen. 120 Volt: Sie hören laute Schmerzensschreie aus dem Nebenraum. Fragend sehen Sie zum Versuchsleiter, aber der meint, es ist wichtig, dass Sie weitermachen. 150 Volt: Der Schüler will abbrechen. 200 Volt: laute Schreie, die Ihnen das Blut in den Adern gefrieren lassen. 300 Volt: Der Schüler trommelt gegen die Wand des Raums. 315 Volt: Er schreit und trommelt nochmals gegen die Wand. 330 Volt: Stille. Sie hören nichts mehr. Keine Antwort, keine Schreie. Haben Sie die andere Person getötet? Der Versuchsleiter aber bittet Sie immer noch, weiterzumachen und die Stärke der Schocks zu erhöhen …

      So hätte es sich abgespielt, wenn Sie einer der 40 Teilnehmer des ursprünglichen Experiments gewesen wären – zumindest aus Ihrer Sicht. Aber keine Sorge, in diesem Experiment wurde niemand wirklich verletzt: Der Schüler und der Versuchsleiter waren Schauspieler. Es gab keine echten Schocks, alles war nur Inszenierung. Das Experiment war wie ein Theaterstück, der Einzige, der nicht eingeweiht war, war derjenige, der die Schocks verpasste. Es ging auch nicht um das Thema Gedächtnis. Es ging darum, herauszufinden, wie weit die Probanden gehen. Wann würden sie abbrechen? Wann würden sie sich weigern weiterzumachen?

      Wahrscheinlich werden Sie jetzt sagen, dass Sie nie bis über 300 Volt gegangen wären. Dass Sie spätestens beim ersten Schrei abgebrochen hätten. Die Ergebnisse der Studie zeigen aber etwas anderes: Von den 40 Teilnehmern haben nur 14 das Experiment vor dem stärksten Schock abgebrochen. Die meisten Menschen gehen immer weiter und weiter und weiter – nur weil eine scheinbare Autorität das befiehlt.

      Aber ist es so einfach? Kann man durchschnittliche Personen in einem so simplen Experiment zu Mördern machen? Wie schon gesagt, wurde der Versuch oft kritisiert. Seine wesentlichen Ergebnisse aber werden immer wieder bestätigt.

      Der Luzifer-Effekt

      Dass normale Menschen durchaus im Stande sind, Böses zu tun, hat auch der Forscher Philip Zimbardo in seinem berühmten Stanford-Prison-Experiment herausgefunden, das trotz Kritik bis heute die Psychologie und Kriminologie prägt. Zimbardo hatte den Keller der Universität zu einem Gefängnis umgebaut und seine Studenten in Gefängnisinsassen und -wärter eingeteilt. Das Experiment eskalierte jedoch und musste bereits nach sechs Tagen abgebrochen werden, weil die Wärter zu grausam wurden.

      Dass Menschen unter bestimmten Umständen immer abscheulichere Taten begehen, nannte Zimbardo den Luzifer-Effekt. Eine der Erklärungen dafür haben Sie bereits gehört: Es ist der Gehorsamkeit gegenüber Autoritäten. Es sind aber noch zwei weitere psychologische Phänomene von zentraler Bedeutung, damit gute Menschen Böses tun. Das erste: Sie sehen sich nicht mehr als Individuen, sondern als Teil einer Gruppe (Deindividuation), wodurch sich die Verantwortung zerstreut. Das zweite: Sie sehen ihre Opfer nicht mehr als einzelne Menschen, sondern als »die Häftlinge«, »die Juden« oder »die Ungläubigen« (Dehumanisierung).

      Was bleibt?

      Extremsituationen, Autoritätsgehorsam und der Luzifer-Effekt sind Beispiele für die Macht der Umstände, die wir oft unterschätzen. Die Ursachen für Psychopathie, Gewalt und böse Taten sind deswegen schwer zu definieren: Es ist ein Mix aus biologischen, genetischen, psychischen und sozialen Faktoren. Das mag unbefriedigend klingen, aber zumindest grundlegend können wir so die Fragen zu Beginn des Kapitels beantworten:

       Wird jede böse Tat von bösen Menschen verübt? Nein.

       Können auch gute Menschen Böses tun? Definitiv.

       Wie wird ein Mensch zum Mörder? Biopsychosoziale Faktoren + die Macht der Umstände (Person x Situation).

       Kann jeder zum Mörder werden? Vielleicht nicht jeder, aber die meisten.

       Könnten Sie zum Mörder werden? In Extremsituationen wahrscheinlich ja. Aber egal, mit welchen Voraussetzungen Sie geboren sind und in welche Situation Sie geraten: Sie haben immer eine Wahl.

      Nun viel Spaß mit einigen der spannendsten gelösten und ungelösten Kriminalfälle. Sie wurden (noch) nicht aufgeklärt, weil sie schwierig sind, weil die Beweislage dünn ist und die Antwort unklar. Haben wir es mit skrupellosen Psychopathen zu tun? Oder ist der Täter der verzweifelte Familienvater? Julian Hannes hat einen bemerkenswerten Blick für Details, stellt die richtigen Fragen und rekonstruiert die Ermittlungen lebhaft und spannend.

       Mark T. Hofmann,

      Kriminal- und Geheimdienstanalyst (Profiler)

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       Mark T. Hofmann ist Kriminal- & Geheimdienstanalyst (Profiler), spezialisiert auf psychologische Techniken. Er hat Organisationspsychologie studiert und wurde in den USA in Profiling- & Geheimdiensttechniken ausgebildet und staatlich zertifiziert.

       Er ist bereits in jungen Jahren einer der führenden Experten seines Metiers und gefragter Gastredner auf Firmenevents, Galas und Kongressen. Zu seinen Kunden zählen Unternehmen jeder Größe, Behörden & Topverhandler im Wirtschafts- & Sicherheitsbereich.

       www.mark-thorben-hofmann.de

      DAS

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