Der Mensch ist böse. Julian Hannes

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Der Mensch ist böse - Julian Hannes

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Seite. Dafür sorgten unter anderem die schier unendliche Zahl an Schlachthöfen, die an jeder Straßenecke zu finden waren. Zu Hochzeiten produzierte die Stadt am Lake Michigan 82 Prozent des amerikanischen Fleischbedarfs.

      Dr. Holmes, wie er sich nun nannte, gab sich als gebildeter, charmanter Mann. Er hatte Charisma und wusste, wie er die Menschen um den Finger wickeln konnte. Vor allem die Damenwelt lag ihm zu Füßen. Junge und ältere Frauen verfielen reihenweise dem eloquenten Betrüger, der sich so sehr von den grobschlächtigen und einfachen Arbeitern unterschied.

      Elizabeth S. Holton sollte sein erstes Opfer werden. Die gutmütige Frau gab ihm einen Job in ihrer Apotheke im Stadtteil Englewood. Sie mochte den tüchtigen Holmes, so einen Mann konnte sie in diesen harten Zeiten sehr gut gebrauchen. Ihr Mann, Mr. Holton, lag todkrank im Sterben. Holmes spielte den Einfühlsamen, war immer für Elizabeth da und hielt den Laden am Laufen. Und als Elizabeths Mann starb, überzeugte er sie, ihm die Apotheke zu überschreiben.

      Kurz darauf verschwand Elizabeth Holton spurlos. Als Freunde beharrlich nachfragten, wo sie denn wäre, behauptete Holmes, sie wäre nach Kalifornien ausgewandert. Die Bekannten glaubten Elizabeths treuestem Mitarbeiter. Vielleicht wollte die Dame einfach nicht mehr in der Stadt leben, in der ihr geliebter Mann starb. Was in Wahrheit passiert war, kann man sich bei dem, was noch kommen sollte, sicherlich ausmalen.

      Holmes hingegen fand bald eine neue Liebe. Sie hieß Myrta Z. Belknap. Er kannte sie von früher und stand im regen Briefkontakt mit ihr. Myrta, blond und hübsch, dachte, Dr. Holmes wäre eine gute Partie. Stets höflich und charmant, wie er war, kannte sie genau wie seine erste Frau jedoch nur die äußerste Oberfläche. Als sie Holmes heiratete, wusste sie nicht einmal, dass er eigentlich noch verheiratet war, denn eine offizielle Scheidung von Clara gab es nie.

      Das Ehepaar Holmes zog in die Wohnung der verschwundenen Apothekerin Elizabeth Holton. Myrta wurde schnell schwanger, doch da begann Holmes auch schon, das Interesse an ihr zu verlieren. Er war kein Mann für eine romantische Beziehung bis ans Lebensende und noch dazu entwickelte Myrta eine Eifersucht, die ihm auf die Nerven ging. Unter Vorwänden verfrachtete er daher Frau und Kind in eine Wohnung in einem Vorort Chicagos und besuchte sie nur noch ab und an, um Myrta bei Laune zu halten. Er wollte alleine in Chicago sein, denn er plante das ganz große Ding. Etwas, wovon er sein Leben lang geträumt hatte. Ein Todeshaus, erbaut, um endlich alle seine Fantasien zu befriedigen. Und jetzt hatte er das Geld und die Mittel, sich diesen Wunsch zu erfüllen.

      »THE CASTLE«

      Holmes kaufte ein Stück Land, nicht weit von seiner kurz zuvor erschlichenen Apotheke. Und er entwickelte, technisch überaus begabt, Skizzen für das Gebäude, das darauf entstehen sollte. Im unteren Bereich sollte es Geschäfte beherbergen, im Obergeschoss ein Hotel. 1893 sollte die Weltausstellung nach Chicago kommen, man rechnete mit Millionen von Besuchern. Vier Jahre zuvor waren zum selben Anlass 32 Millionen Menschen aus aller Herren Länder in die französische Hauptstadt geströmt. Mit diesem Argument fand Holmes rasch Investoren, die ihm Geld liehen, mit dem er seine »Burg« bauen konnte.

      Ein Hotel, nicht weit entfernt von der Weltausstellung, schien vielen als lukratives Anlageprojekt. Doch obwohl Holmes genug Geld beisammenhatte, betrog er stets Arbeiter und Lieferanten und feilschte um jeden Cent. Zudem wechselte er mehrmals die Baufirmen, denn kein Architekt, kein Bauarbeiter und kein Maurer sollte wissen, was er da eigentlich genau baute. Die vollständigen Pläne kannte nur Holmes selbst.

      Im Inneren war das Hotel ein Labyrinth. Es gab Treppen ins Nirgendwo, Falltüren und eine Gas- und Folterkammer. Holmes hatte sich seine »Burg« ganz nach den kranken Vorstellungen in seinem Kopf gebaut. Nur er kannte sich in ihr aus, wusste, wo die Geheimwege und die Verbindungsgänge in den Keller lagen. Im Keller nämlich hatte er sein eigenes Reich errichtet. Dort wollte er ganz alleine mit den Toten sein. Für später gab es dann eine Verbrennungskammer.

      Doch Holmes’ Vorbereitungen blieben nicht ganz unbemerkt. Einige Arbeiter hielten ihren Chef durchaus für merkwürdig. Als er dann noch literweise Chloroform bestellte, wurde mehr als einmal skeptisch nachgefragt. Aber Holmes war schon immer ein guter Lügner, er bräuchte das Chloroform für Forschungszwecke, lautete seine Ausrede – und man glaubte ihm.

      DIE ERSTEN OPFER

      Wie viele Menschen Dr. Holmes wirklich umbrachte, kann man nur schätzen. Er selbst gestand 27 Morde, es könnten aber auch weit mehr gewesen sein. Eines seiner ersten Opfer war Julia Conner. Ihr Mann Ned suchte einen Laden für sein Juweliergeschäft und Holmes schlug ihm die Räumlichkeiten unterhalb des Hotels vor. Seine Frau Julia könnte derweil in Holmes’ Apotheke arbeiten. Es klang nach einem guten Deal für Ned Conner, doch schnell verfiel seine Frau dem Charme des gerissenen Arztes. Holmes manipulierte sie über Monate hinweg und schaffte es, die Ehe mit Ned zu torpedieren. Am Ende zog Ned aus Chicago weg und überließ Julia und ihre gemeinsame acht Jahre alte Tochter Pearl dem Horrorarzt. Nun waren die beiden allein mit ihm in seiner Burg.

      Julia und Holmes waren ein Liebespaar, doch dann wurde sie auf einmal schwanger. Es war kurz vor Weihnachten, als er sie überredete, das Kind abzutreiben. Er sei Arzt, er könnte das schmerzlos durchführen, versprach er ihr. Julia Connor glaubte ihm. Gemeinsam mit ihrer Freundin Sylvia Crowe schmückte sie noch in einem Hotelzimmer den Weihnachtsbaum, unter dem ihre Tochter Pearl am nächsten Morgen die Geschenke finden sollte. Nur ihre Schwester Gertie war nirgendwo auffindbar. Sie war über die Festtage extra nach Chicago gekommen, doch auf einmal kam sie nicht mehr ins Hotel. Julia machte sich Sorgen, aber Holmes tischte ihr eine Lüge auf, die sie beruhigte. In Wahrheit aber war Gertie sehr wohl im Hotel – allerdings einige Stockwerke tiefer. Im Keller.

      Als Julia Conner sich an Weihnachten der Operation unterziehen wollte, legte sie sich bereitwillig auf den Tisch und schloss die Augen. Doch Holmes hatte nie vor, die Abtreibung wirklich zu vollziehen. Er packte seine hilflose Geliebte und drückte ihr ein in Chloroform getunktes Tuch ins Gesicht. Er ließ nicht los, bis das letzte Leben aus ihren Gliedern gewichen war, dann ging er weiter in das Hotelzimmer, in dem Julias kleine Tochter Pearl schlief. Sie hatte keine Chance und auch diesmal benutzte Holmes das Chloroform in einer tödlichen Dosis.

      Über seine Falltüren schaffte er die Leichen hinab in den Keller. Dann benachrichtigte er Charles Chappell. Dieser gehörte zu dem kleinen kriminellen Netzwerk, das sich Holmes aufgebaut hatte – genauso wie Benjamin Pitezel, ein Zimmermann mit ebenfalls kriminellem Background. Er und Holmes wurden schnell Freunde und später sollte ihn ein Staatsanwalt als Holmes’ »Werkzeug« bezeichnen. Auch Charles Chappell war im wahrsten Sinne des Wortes ein Werkzeug. Er durfte mit in den geheimen Keller und sollte Holmes dort helfen, die Leichen zu zerlegen. Chappell hatte als Arbeiter am Horrorhotel mitgewirkt und wollte sich nun ein wenig dazuverdienen. Er wusste nicht, wie die beiden ums Leben gekommen waren, und das Gesicht von Julia hatte Holmes vorsorglich entfernt. Dass ein Arzt in dieser Zeit zwei Tote im Keller liegen hatte, war für den Arbeiter nichts Besonderes. Und Holmes zahlte ihm 36 Dollar. Das Geld holte er sich später wieder, indem er das Skelett seiner Geliebten für gutes Geld an eine Universität verkaufte. Der Schreckensarzt war eben immer auch schon ein guter Unternehmer.

      Als Sylvia Crowe am nächsten Tag wiederkam, um sich nach Julia und Pearl zu erkundigen, tischte Holmes ihr einfach eine weitere Lüge auf: Die beiden wären spontan weggefahren.

      DIE TODESMASCHINE

      Von nun an begann in seinem Horrorhotel die Arbeit. Die Zimmeranfragen boomten, viele wollten in die Stadt und Holmes’ Herberge schien günstig und zentral gelegen. Doch wenn Männer oder ganze Familien anfragten, war »The Castle« seltsamerweise stets ausgebucht. Nur allein reisenden Frauen bot Holmes zu jeder Tageszeit gerne ein Zimmer in seinem Schloss an. Meist nachts begann er dann sein teuflisches Werk: Er betäubte seine Opfer mit Chloroform

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