Der Mensch ist böse. Julian Hannes

Чтение книги онлайн.

Читать онлайн книгу Der Mensch ist böse - Julian Hannes страница 5

Der Mensch ist böse - Julian Hannes

Скачать книгу

Mann errichtet seine eigene Burg – samt Geheimgängen, Falltüren und Folterkammern. In ihr lässt er vor allem junge Frauen übernachten, die danach spurlos verschwinden. Er ist geschickt, lange kommt ihm niemand auf die Schliche. Doch mit der Zeit wird er gieriger und beginnt, Fehler zu machen ...

      Ein Hotel ist ein Ort, an dem man sich wohlfühlen soll – zumindest für eine kurze Zeit. Wie bei allem im Leben gibt es aber auch hier große Unterschiede. Zwischen tristen, standardisierten Businesshotels in der Großstadt und tropischen Luxusresorts an weißen Traumstränden liegen natürlich Welten, aber im Grunde haben sie den gleichen Zweck: Sie sollen uns an einem fremden Platz ein Zuhause bieten. Einen Rückzugsort, auch wenn es nur ein Zimmer mit einer Nummer ist, das wir mit einer Chipkarte öffnen.

      Viele Geschäftsreisende mögen diesen nüchternen Stil, andere beklagen die oft unpersönlichen und austauschbaren Räume, in denen mit etwas Glück vielleicht gerade mal ein Stückchen Schokolade als Willkommensgruß auf dem frisch bezogenen Bett liegt. Viele Hotels versuchen daher dagegenzuhalten und ihren Gästen den Aufenthalt so angenehm und persönlich wie nur möglich zu gestalten.

      In Chicago, der drittgrößten Stadt der USA, gibt es heutzutage für jeden Reisenden die passende Unterkunft: Während Backpacker ganz zentral in preiswerten Hostels mit Mehrbettzimmern übernachten können, existieren für die »Upperclass« unweit der Promenade des berühmten Lake Michigan feinste Nobelherbergen.

      In Zeiten wie jetzt, in denen die Konkurrenz groß ist und jeder empörte Gast seine Meinung per Google-Rezension in den Weiten des Internets kundtun kann, müssen sich die Betreiber anstrengen mitzuhalten. Jeder Skandal, jede Unachtsamkeit gegenüber einem Gast kann schon Sekunden später über Social Media kommuniziert werden und dem Haus einen schweren finanziellen Schaden zufügen.

      Das war nicht immer so. Es gab Zeiten, da konnten Hoteliers in Chicago abseits von Meldepflichten und dem Druck der öffentlichen Meinung schalten und walten. Einer von ihnen nutzte diesen Umstand gnadenlos aus. Seine Name: H. H. Holmes, besser bekannt als der »Teufel von Chicago«.

      WIE ALLES BEGANN

      Wenn man Serienmörder analysiert, fällt in vielen Fällen schnell auf, dass der Schlüssel zu ihren grausamen Taten in der Kindheit liegt. Nicht wenige probieren das Töten schon als Kinder aus, wenn auch nicht an Menschen, sondern an Tieren. Die meist wehrlosen Geschöpfe stellen, so abscheulich das auch klingen mag, für die angehenden Mörder die perfekten Versuchskaninchen dar. Sie können zum ersten Mal spüren, wie es ist, ein Leben auszulöschen – ohne direkt Konsequenzen fürchten zu müssen. Und haben sie sich genug an Tieren erprobt, setzen sie ihre Serie an Menschen fort.

      Holmes erblickte am 16. Mai des Jahres 1861 das Licht der Welt. Er war das dritte von fünf Kindern einer Bauernfamilie und sein richtiger Name lautete Herman Webster Mudgett. Seine Eltern betrieben eine kleine Farm in Gilmanton im US-Bundesstaat New Hampshire. Ihre Vorfahren stammten aus England und sollen sich als eine der ersten Auswanderer dort an der Nordostküste niedergelassen haben.

      Holmes’ Eltern verfolgen eine strikte, autoritäre Erziehung, der Vater setzte den Rohrstock öfter ein als das Herz. Gewalt gegenüber den Kindern war an der Tagesordnung, und wenn überhaupt, war es meist die Mutter, die mal etwas Herzlichkeit in die kalte Welt des kleinen Jungen brachte.

      Herman emanzipierte sich schnell von seiner Familie. Schon als kleiner Junge stahl er sich während der Hofarbeiten gerne mal davon, um im Verborgenen seinem Hobby nachzugehen. Er stellte Fallen in der Umgebung der Farm auf, um kleine herumstreunende Tiere zu fangen. War er erfolgreich, tötete, zerlegte und sezierte er die Tierchen mit chirurgischer Präzision. Angeblich soll er die sie davor auch noch grausam gefoltert haben. Belegt ist dies jedoch nicht.

      Der kleine Herman hatte aber auch noch ein weiteres, weniger grausames Hobby. Er erfand nützliche Gegenstände – durchaus auch zum Wohl seiner Familie. Für die Farm entwickelte er zum Beispiel ein Gerät, das durchgehend ein so schreckliches Geräusch erzeugte, dass es die Vögel von den Feldern fernhielt.

      Mit 16 beendete Herman die Highschool und ging an die Universität in Vermont, nahe der kanadischen Grenze. Noch davor heiratete er im zarten Alter von 17 Jahren Clara Lovering, ein Mädchen aus gutem Elternhaus, das etwas Geld mit in die Beziehung brachte. Geld, das Herman Mudgett gut gebrauchen konnte, denn er hatte in seinem Leben eine Menge vor. Bald schon wechselte er enttäuscht die Universität und begann in Michigan Medizin zu studieren, seine wahre Leidenschaft. Das Leben als Student war teuer. Zwar konnte seine Frau einen Teil des Geldes stellen, den Rest aber musste Herman selbst verdienen. Er war jedoch schon immer kreativ, wenn es darum ging, an Geld zu kommen – und seine Welt spielte sich meist jenseits des Legalen ab. Zunächst verdingte er sich als Lehrer und jobbte als Wärter in einem Irrenhaus, später wechselte er in ein dreckigeres Handwerk. Es war die Zeit der aufkommenden Humanmedizin, viele Wissenschaftler und Ärzte brauchten, um in der Forschung voranzukommen, frische Leichen, an denen sie arbeiten und forschen konnten. Weil sich die feinen Professoren und Doktoranden ungern selbst die Finger schmutzig machten, erledigten Leute wie Herman Mudgett die Drecksarbeit für sie: Sie gruben frisch bestattete Leichen auf Friedhöfen aus und bekamen dafür Geld. Das Ganze war durchaus ein lohnendes Geschäft und eine Arbeit, die Herman Mudgett gerne machte, denn der Tod hatte für ihn schon immer etwas Faszinierendes. Nebenbei betrog er noch Versicherungen und verdiente sich so etwas dazu.

      Nach Jahren des anstrengenden Studiums machte er 1884 endlich seinen Abschluss in Medizin. Er war kein brillanter Schüler gewesen, aber durchschnittlich begabt und mit dem nötigen Ehrgeiz ausgestattet, die Prüfungen zu bestehen. Nun konnte er offiziell als Arzt tätig werden. Seine Frau Clara war längst zurück nach New Hampshire gezogen. Das gemeinsame Kind hatte sie mitgenommen. Mitbewohner der beiden sagten später, Herman hätte sie nicht gut behandelt und wäre hin und wieder auch gewalttätig geworden. Später sollte Clara sagen, sie hätte ihren Mann nie wirklich gekannt – und damit recht behalten.

      Wann genau Herman Mudgett anfing zu morden, lässt sich nicht zweifelsfrei belegen. Nach seinem Abschluss reiste er erst einmal umher, lebte zwischenzeitlich in einer kleinen Stadt im Bundesstaat New York. Als ein Junge in der Kleinstadt spurlos verschwand, galt er als Verdächtiger, weil er mit dem Kind gesehen worden war. Er tauchte daraufhin unter und zog in eine andere Stadt. Vielleicht war der Junge eines seiner ersten Opfer?

      Später jobbte Herman als Apotheker in Philadelphia, doch auch dort wurde er zur Flucht gezwungen. Ein kleiner Junge kam ums Leben, nachdem er Medizin von ihm bekommen hatte. Mudgett bestritt zwar, irgendetwas damit zu tun zu haben, floh aber erneut. Er hatte sowieso ein größeres Ziel: Anstatt ein langweiliges Leben als Kleinstadtapotheker oder Landarzt zu führen, wollte er seiner größten Leidenschaft nachgehen: dem Töten.

      CHICAGO

      Es zog ihn nach Chicago, das 1886 regelrecht boomte. Aus dem ganzen Land zog es junge Amerikaner in die damals nach New York zweitgrößte Metropole, darunter viele europäische und vor allem deutschstämmige Migranten. Gerade hatte die Stadt die Eine-Million-Einwohner-Schallmauer durchbrochen.

      Mudgett stellte sich von nun an jedem unter dem Namen H. H. Holmes vor. Seines alten Namens hatte er sich entledigt wie eines Paars alter Handschuhe. In der damaligen Zeit war es um ein Vielfaches leichter, mal eben eine andere Identität anzunehmen, und im Fälschen von Papieren war der Betrüger sowieso geübt. Es war eine reine Vorsichtsmaßnahme, denn als Herman Webster Mudgett war er in viele Betrügereien, einen Vermissten- und einen Todesfall involviert. In Chicago wollte er neu anfangen – frei von Altlasten, Ehefrau und Kind.

      Die Stadt imponierte ihm sofort. Es war Liebe auf den ersten Blick. Sie war dreckig, aber auch ehrlich. Eine Arbeiterstadt.

      Motivierte,

Скачать книгу