Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens
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»Ich weiß, das wurde mir auch erzählt.« Ungeduldig schob Eric das Weinglas hin und her.
»Was willst du denn eigentlich wissen?« Katharina war ratlos. »Ich dachte, du spendierst mir einen Wein, und dafür soll ich dir Ratschläge geben.« Sie zuckte die Achseln. »Natürlich mußt du meine Ratschläge nicht annehmen.«
»Du hast schon richtig vermutet.« Eric begann nun, ausführlich von Fraukes Auftauchen in der Praxis zu erzählen und dann von Florian und Meike. Er berichtete auch, wie verschieden die Kinder in ihrem Aussehen waren, und daß dies auch Tina aufgefallen war.
»Du denkst an Magersucht?« Katharina lebte lange genug in einem Doktorhaushalt, um sich auszukennen. »Ausgeschlossen! Da gehen doch immer seelische Probleme voraus. Diesen Kindern geht es aber gut.« Sie schüttelte den Kopf, doch dann dachte sie nach. »Was war denn heute mit Florian? Du bist ihm doch nicht zufällig begegnet?«
»Richtig!« gab Eric zu. »Da Frau Ebert nicht mehr in die Praxis gekommen ist, wollte ich nach ihr sehen. Ich wollte einfach nur so an ihrem Haus vorbeispazieren. Nun, ich habe Frauke Ebert dann auch gesehen. Sie war völlig aufgelöst, was auch kein Wunder war, denn ihr Sohn war verschwunden.« Dann erzählte er der aufmerksam zuhörenden Katharina von Florian.
»Nein, das verstehe ich nicht!« Diesmal nahm Katharina einen kräftigen Schluck Wein zu sich. »Frauke und Gero sind sehr gute Eltern. Sie hatten immer Zeit für ihre Kinder. Das wissen alle.«
»Sie hatten, das hast du jetzt selbst so gesagt. Kann sich das denn nicht vielleicht geändert haben?«
»Nein! Warum auch?« Katharina, die sonst immer alles sofort begriff, konnte Erics Gedankengang dieses Mal nicht folgen. Also mußte er deutlicher werden.
»Es könnte doch sein, daß sich im letzten Jahr einiges geändert hat«, begann er vorsichtig. »Herr Ebert ist nun oft in Bad Wiessee. Seine Frau würde ihm dort sicher gerne helfen, aber wegen der Kinder kann sie das nicht.«
»Gero waren die Kinder immer sehr wichtig. Sie konnten ihn immer stören.«
»Dies kann sich geändert haben«, sagte Eric nochmals.
Plötzlich begriff Katharina, worauf Eric hinaus wollte. »Du meinst, eine andere Frau? Nein, ganz sicher nicht! Da irrst du dich!« Katharinas Brust hob und senkte sich. »Das ist völlig ausgeschlossen! Aber ich werde mich etwas um die Familie kümmern. Die Kinder waren schon immer sehr lebhaft. Wenn Florian sich nun in einer Trotzphase befindet, so kann ich mir schon vorstellen, daß er ständig widerspricht. Vielleicht sollte Frauke auch einmal Urlaub machen. Auf jeden Fall soll sie dich in der Praxis aufsuchen.«
»Wenn du mit Frau Ebert sprichst, dann sage ihr aber, daß ich auch ihre Kinder untersuchen will.«
Katharina spürte jetzt doch wieder ihre Müdigkeit. Lächelnd lehnte sie sich zurück, gähnte hinter der vorgehaltenen Hand und versicherte nochmals: »Du täuschst dich, Eric! Florian ist trotzig, aber bestimmt nicht krank. Jedes Kind kommt einmal in so eine Phase. Auch du warst nicht immer der liebe Junge.«
Eric erinnerte sich, daß Frau Eberts Nachbarin auch so etwas Ähnliches angedeutet hatte. Er beschloß, heute nicht länger darüber nachzudenken. Der kleine Florian war wieder zu Hause, und wahrscheinlich schlief er bereits selig in seinem Bettchen. Seine Mami hatte ihm ja auch sogleich einen Kakao, was er besonders gerne mochte, gemacht. Eric gähnte nun ebenfalls, dann leerte er sein Glas.
*
Katharina Wittenberg hielt den kleinen Florian auf ihrem Schoß. Obwohl sie nie eigene Kinder gehabt hatte, konnte sie gut mit Kindern umgehen. Florian hatte auch sofort Zutrauen zu ihr gefaßt. »Ich finde es toll, daß du bei uns bleibst. Da kann Mami lange bei Papa bleiben«, verkündete er und begann, auf ihrem Schoß hin und her zu hüpfen.
»Das finde ich auch!« Katharina lächelte seiner Mutter zu, die unsicher auf der anderen Seite des Tisches stand. Sie hatte für Frau Katharina Kaffee gemacht und diesen gerade gebracht.
»Ich kann doch nicht einfach nach Bad Wiessee fahren?«
»Warum sollten Sie das denn nicht können?« Katharina war ganz anderer Ansicht. Ein Blick auf die Kinder hatte genügt. Sie fand jetzt auch, daß Erics Vermutung richtig sein könnte. Die Familie hatte Probleme. Aber sie konnte sich noch immer nicht vorstellen, daß da eine andere Frau im Spiel sein sollte.
»Es ist sehr nett von Ihnen, daß Sie mir Ihre Hilfe anbieten. Zur Zeit ist es wirklich etwas schwierig. Gero hat sehr viel zu tun…« Frauke sprach nicht weiter.
»Nichts ist so schwierig, als daß man nicht versuchen könnte, dies zu ändern. Ich finde es gut, daß Sie Ihre Kinder nicht allein lassen wollen. Aber auf mich können sie sich verlassen. Ich bleibe hier, bis Sie zurück sind. Wenn es länger dauert, dann bekommen Florian und Meike von mir auch etwas zu essen. Und ins Bettchen stecken kann ich die beiden auch.«
»Nein… nein, wenn ich nach Bad Wiessee fahre, dann will ich nur rasch in der Galerie vorbeisehen.« Fraukes Wangen überzogen sich mit einer leichten Röte. »Vielleicht kann Gero sich freimachen und kommt mit mir zusammen zurück.«
»Dann sollten Sie sich auf den Weg machen.« Katharina hob Florian hoch und stellte ihn auf den Boden. Das gefiel dem Kleinen nun ganz und gar nicht. Als Katharina dann auch noch aufstand, begann er, an ihrer Hand zu zerren.
»Ich will nicht, daß du Mami wegschickst! Wer bist du überhaupt?«
»Ich bin die Tante Katharina, das habe ich dir doch erklärt. Ich komme vom Onkel Doktor…« Katharina wollte noch etwas sagen, doch Florian fiel ihr ins Wort:
»Warum hast du den Onkel Doktor nicht mitgebracht? Ich will den Hund sehen. Du mußt den Onkel Doktor mit dem Hund rufen.«
»Du bist aber dumm«, meldete sich nun seine Schwester zu Wort. »Der Onkel Doktor kann jetzt nicht kommen. Er muß sich um die kranken Leute in seiner Praxis kümmern. Wir waren doch erst kürzlich dort, da haben wir gesehen, wie viele Leute dort warten.«
»Aber ich will, daß der Onkel Doktor und sein Hund auch da sind. Dann kann Mami wegfahren.«
»Du begreifst wirklich überhaupt nichts.« Meike machte eine abfällige Handbewegung. »Du bist eben noch ein Baby. Mami will zu Papa, das ist wichtig!«
Florian schob seine Unterlippe nach vorn. Das Nachdenken dauerte aber nur wenige Sekunden, danach lief er zum Telefon und nahm den Hörer ab. »Hier!« rief er triumphierend. »Mami kann Papa anrufen. Sie soll ihm sagen, daß er nach Hause kommen muß.«
Katharina schmunzelte. Ihr gefiel der Kleine, auch wenn er wirklich zu dick war. Sie ging zu ihm und fuhr ihm über das Haar. »Ich mache dir einen Vorschlag. Deine Mami kann dich ja anrufen, wenn sie bei deinem Papa ist. Dann kannst du selbst mit deinem Papa sprechen.«
»Ja! Das muß Mami tun.« Florian nickte.
»Gut, dann begleiten wir deine Mami jetzt zum Auto. Wir werden ihr winken.«
Wieder nickte Florian. Jetzt wandte sich Katharina an Frauke: »Nun, worauf warten Sie noch?«
Frauke sah zum Telefon, Florian hatte den Hörer wieder aufgelegt. »Ich könnte doch wirklich…«
»Wollen Sie sich denn nicht einmal in der Galerie umsehen?