Der Arzt vom Tegernsee Staffel 4 – Arztroman. Laura Martens
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»Dann werden wir Sie jetzt zum Auto begleiten.« Resolut griff Katharina nach Florians kleiner Hand. »Du kommst doch auch mit, Meike?« fragte sie dann das Mädchen, das abwartend dastand.
Meike zuckte die Achseln. »Mami ist doch bald wieder zurück. Ich weiß, daß es bis Bad Wiessee nicht weit ist. Ich war auch schon in der Galerie. Papa hat dort sehr viele schöne Sachen.«
»Die schönsten Sachen macht Papa aber selbst«, mischte sich Florian ein.
»Ich meine nicht die Bilder«, wurde Florian sofort von seiner Schwester belehrt. »Ich meine die Plastiken.«
Frauke war zur Tür gegangen, dort blieb sie jetzt stehen. Katharina nickte ihr zu, da atmete sie tief durch und verließ das Zimmer. Nun kam aber Leben in Florian. Er eilte hinter seiner Mutter her.
»Mami, Mami, du kannst nicht weg! Ich habe Hunger!«
»Moment, dazu brauchen wir deine Mami nicht.« Katharina eilte nun ebenfalls hinterher. Frauke war im Hausflur stehengeblieben. Sie nahm ihren Sohn auf den Arm, der sich nun an sie klammerte.
»Sie sehen ja, es geht nicht«, sagte sie zu Katharina. Sie wußte jedoch noch nicht, daß für Katharina kaum etwas unmöglich war. Ohne zu zögern, griff diese auch sofort nach dem Kleinen.
»Und ob es geht!« Sie hielt Florian etwas von sich. »Nun hör mir mal gut zu, junger Mann! Ich kümmere mich sonst immer um den Onkel Doktor. Ich mache ihm stets etwas zu essen, und er hat sich noch nie beschwert. Wenn deine Mami weg ist, dann gehen wir beide in die Küche und sehen zu, daß du etwas bekommst. Meike kann natürlich auch mitkommen.«
»Ich habe keinen Hunger«, verkündete die Achtjährige sofort.
»Darüber unterhalten wir uns später. Nun kommt!« Mit Florian auf dem Arm ging sie an der verdutzten Frauke vorbei und trat hinaus ins Freie.
»Frauke, wo bleiben Sie denn?« rief sie über die Schulter zurück.
Frauke preßte die Lippen aufeinander. Sie sah zu ihrer Tochter hin, doch im Grunde sah sie durch sie hindurch. Sie dachte an ihren Mann. Sie wußte, daß sie sich endlich mit ihm aussprechen mußte.
*
Direkt vor der Galerie fand Frauke einen Parkplatz. Ihr Herz klopfte schneller, als sie den Motor ausschaltete. Nun war sie hier. Was würde Gero wohl sagen? Sie hatte sich so nach ihm gesehnt, obwohl sie in den letzten Monaten das Gefühl gehabt hatte, mit einem Fremden zusammenzuleben. Sie sah auf die Eingangstür und zögerte auszusteigen.
Bewegungslos saß Frauke hinter dem Steuer, den Blick auf den Eingang der Galerie geheftet. Leute kamen und gingen, einige blieben auch vor dem großen Schaufenster stehen, ihren Mann bekam sie jedoch nicht zu Gesicht. Noch immer waren ihre Hände um das Lenkrad gelegt. Sie mußte herausfinden, was hier los war, denn irgend etwas stimmte mit Gero nicht mehr. Zehn Jahre waren sie bereits verheiratet, und noch nie hatten sie ein Geheimnis voreinander gehabt. Angst stieg in ihr hoch, Angst vor der Wahrheit. Ihr Mann sah gut aus, er war charmant. Sie war es gewöhnt, daß sich die Frauen nach ihm umdrehten. Trotzdem hatte sie bisher keine Eifersucht gekannt. Er hatte ihr auch nie einen Grund dazu gegeben.
Frauke wurde es bewußt, daß sie die Zähne in die Unterlippe bohrte. Seit zwanzig Minuten saß sie nun schon hier. Wahrscheinlich wartete Florian schon auf ihren Anruf. Sie schluckte, doch in ihrem Hals saß noch immer ein Kloß. Trotzdem stieg sie endlich aus, schloß den Wagen ab und ging nun auf den Eingang des Geschäfts zu. Sie wußte, daß Gero auch eine Angestellte hatte, außerdem gab es noch zwei Aushilfskräfte. Diese hatten sie zusammen ausgesucht. Zu dem Zeitpunkt war noch alles in Ordnung gewesen. Daher verstand sie auch nicht, warum er nun ständig hier sein mußte und oft sogar über Nacht in Bad Wiessee blieb.
Ihr fiel ein, daß sie sich nicht einmal geschminkt hatte. Aber darauf kam es nun auch nicht mehr an. Den Kopf hocherhoben, betrat sie die Galerie. Die Angestellte war gerade dabei, einem Kunstliebhaber Drucke zu zeigen.
»Frau Ebert!« Sie war sichtlich überrascht, grüßte dann aber freundlich.
Frauke zwang sich zu einem Lächeln, dann ging sie auf das Büro zu, in dem sie ihren Mann vermutete. Doch er war nicht da. Gut, dann würde sie ihn eben bei der Arbeit stören. So ging sie zu der Verbindungstür zum Atelier. Dieses Atelier war fast so groß und hell wie das in ihrem Haus am Tegernsee. Daher hatte Gero auch angefangen, hier zu arbeiten. Doch das Atelier war leer. Aber von hier aus kam man noch in einen kleineren Raum, den Gero wohnlich eingerichtet hatte. Frauke ging auch noch in diesen Raum. Es war nicht zu übersehen, daß ihr Mann in den letzten Tagen hier gewohnt hatte, die Schlafcouch war ausgezogen worden.
Frauke spürte einen heftigen Stich in der Herzgegend. Fühlte sich ihr Mann hier wirklich wohler als in ihrem Haus in Tegernsee? Nein, sie konnte das nicht verstehen! Ein Schluchzen stieg in ihrer Kehle hoch, und sie verbarg das Gesicht zwischen ihren Händen.
Ein Geräusch ließ sie jetzt herumfahren. Durch die geöffnete Tür sah sie Barbara Gröger, die Angestellte, die unsicher auf sie zukam. »Frau Ebert, kann ich Ihnen behilflich sein?«
Was sollte Frauke sagen? Das Blut schoß ihr ins Gesicht. Wahrscheinlich wußte Barbara mehr von Gero als sie. Ein Verdacht stieg in ihr hoch und ließ sie die fast Gleichaltrige anstarren, die ein Durchschnittsgesicht hatte. Bisher war es ihr jedoch nicht aufgefallen, wie gepflegt sie war. Auch der blonde Bubikopf paßte gut zu ihrer Erscheinung. Blond – hatte Gero nicht schon immer für Blondinen geschwärmt?
»Frau Ebert…« Barbara Gröger wurde noch unsicherer.
Frauke zuckte zusammen, dann streckte sie sich. »Ich suche meinen Mann. Können Sie mir sagen, wo ich ihn finde?«
»Er wollte etwas besorgen, doch er wußte nicht genau, wann er zurück sein würde. Falls er bis Ladenschluß nicht hier ist, soll ich abschließen, hat er mir gesagt.«
So war das also! Frauke hatte das Gefühl, daß der Boden unter ihren Füßen nachgab. Sie begegnete Barbaras Blick. Nein, vor ihr würde sie sich keine Blöße geben, also lächelte sie.
»Ich wollte mit meinem Mann etwas besprechen. Es war natürlich dumm von mir, daß ich nicht vorher angerufen habe. Ich weiß ja, daß er sehr beschäftigt ist. Was glauben Sie denn, wo er sein könnte?«
»Vermutlich bei einem Kunden.« Barbara senkte den Blick. »Die Galerie hat bereits einen großen Bekanntheitsgrad, sogar aus München kommen inzwischen Kunstliebhaber. Viele wollen sich auch vom Chef persönlich beraten lassen.«
Genau das hatte Gero auch gesagt. Aber wo war er jetzt? Das Lächeln fiel Frauke so schwer. »Es ist nicht mehr lange bis zum Feierabend. Es kann sein, daß er jeden Moment wieder zurück ist«, hörte sie Barbara sagen. »Eigentlich hatte er noch einige Kataloge durchsehen wollen.«
Frauke gab sich einen Ruck. »Dann werde ich eben warten, jedenfalls bis zum Ladenschluß. Ich warte im Büro.« Mit diesen Worten verließ sie den privaten Wohnbereich. Als sie vor Barbara stand, mußte sie sich räuspern, ehe sie sagen konnte: »Sie können in den Ausstellungsraum zurückgehen, ich komme schon zurecht.«
»Gut! Wenn Sie noch irgend etwas brauchen?«
»Nein, danke!« Frauke sah Barbara nicht mehr an, und diese war froh, in den Verkaufsraum zurückkehren zu können.
Sobald sich die Schritte der Angestellten entfernt hatten, wandte Frauke sich um und ließ sich in den Schreibtischsessel fallen.