Sophienlust Staffel 15 – Familienroman. Elisabeth Swoboda
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»Natürlich«, sagte sie, während sie einen Karton mit Kosmetikartikeln öffnete. »Wie ist dieses Kinderheim?«
»Traumhaft«, sagte er begeistert. Dann erzählte er ausführlich von Sophienlust.
Carsta legte überrascht ihre Kosmetika aus der Hand und hörte ihm zu. »Dann hat Monika also doch nicht übertrieben. Sie hat genauso begeistert von diesem Sophienlust erzählt wie du. Bestimmt gefällt es Ulrike dort.«
»Ja, aber sie gehört eigentlich gar nicht hin.«
»Wie meinst du das?«, fragte Carsta.
»Sophienlust ist für Kinder da, die in Not sind. Ulrike ist aber weder ein Waisenkind, noch ein echter Notfall. Sie hat Eltern und sie hat ein Zuhause. Eigentlich gehört sie gar nicht nach Sophienlust. Sie nimmt vielleicht einem anderen, wirklich bedürftigen Kind den Platz weg.«
»Ich verstehe nicht, warum du dir darüber Gedanken machst.« Carsta prüfte die Farbe ihres neuen Lippenstiftes. »Das ist doch eine Frage, die die Leute in Sophienlust zu entscheiden haben. Und wenn sie Ulrike angenommen haben …«
»In Sophienlust wird nur selten ein Kind abgewiesen«, unterbrach Daniel seine Frau ungeduldig. Es ärgerte ihn, dass sie diese Frage wie eine Bagatelle abtat und dass ihr ganz offensichtlich ihre Kosmetikartikel und ihre Filmpläne, von denen sie jetzt wieder zu sprechen begann, wichtiger waren. Ulrike hatte sie schon wieder vergessen.
»Hilfst du mir, die Päckchen hochzutragen?«
Daniel lud sich einen Berg von Tüten auf den Arm und trug sie in Carstas Schlafzimmer. »Willst du das alles mitnehmen?«, fragte er entsetzt, als er die drei großen Koffer sah, die neben ihrem Bett standen. »Ich denke, du bleibst nur ein paar Tage?«
»Voraussichtlich ja. Aber ganz genau kann man das ja nicht wissen. Ich hoffe nur, dass ich die Rolle bekomme.«
»Wenn du diese Rolle nicht bekommst, dann eben irgendeine andere«, sagte Daniel. »Du kannst es dir doch aussuchen, so gefragt, wie du bist.«
»Mir liegt aber gerade an dieser Rolle besonders viel.« Carsta streifte ihr Kleid ab und schlüpfte in einen Hausmantel.
»Wieso gerade an dieser?«, fragte Daniel.
»Weil es eine amerikanisch-italienische Gemeinschaftsproduktion ist. Diese Leute zahlen am meisten. Außerdem habe ich dadurch die Möglichkeit, auch in Amerika bekannt zu werden.«
Daniel schaute seine Frau nachdenklich an.
Wenn sie die Rolle wirklich bekommt, verdient sie sehr viel Geld, dachte er. Vielleicht hilft sie mir dann doch noch. Ganz bestimmt tut sie es. Schließlich geht es ja um unsere gemeinsame Zukunft.
»Was überlegst du?«, fragte Carsta. Aber der Klang ihrer Stimme verriet, dass es sie nicht sonderlich interessierte.
»Nichts«, sagte Daniel. Er fand, das war nicht der richtige Augenblick, sie um finanzielle Unterstützung zu bitten. Wenn sie die Rolle bekommen hat, werde ich sie fragen, beschloss er und stand auf. »Wollen wir noch ein Glas Wein zusammen trinken?« Er fuhr ihr liebkosend übers Haar. »Du bist sehr schön«, sagte er rau. »Manchmal beneide ich deine vielen Fans.«
»Warum?«, fragte sie irritiert.
»Weil sie mehr von dir haben als ich. Weißt du eigentlich, dass ich dein Schlafzimmer seit Wochen nicht mehr betreten habe?«
»Bitte, werde jetzt nicht kindisch, Daniel.«
»Kindisch nennst du das?«
»Natürlich. Ich gehöre doch dir, auch wenn wir wenig Zeit füreinander haben. Ich bin trotz allem deine Frau.« Sie gab ihm einen flüchtigen Kuss auf die Wange und wandte sich dann sofort wieder ihren Koffern zu, die noch gepackt werden mussten. »Ich muss noch packen. Bitte, lass mich jetzt allein.«
»Natürlich.« Er ging aus dem Zimmer.
Obwohl es schon spät war, fuhr er noch einmal zu seinem Büro. Die Werkshallen lagen im Dunkeln. Nur der Nachtwächter begrüßte ihn. »Sie wollen doch nicht etwa noch arbeiten, Herr Direktor?«
»Ich muss«, sagte Daniel. »Außerdem arbeite ich ganz gern nachts, weil ich dann mehr Ruhe habe.« Er nickte dem alten Mann zu und eilte weiter.
*
Auf dem Flughafen von Rom drängten sich die Reporter und Fotografen. Sie warteten auf die Maschine aus München, mit der Carsta Fernau eintreffen sollte. Nur wenig später sollte aus Los Angeles noch ein Hollywoodschauspieler kommen. Er war der männliche Hauptdarsteller der Gemeinschaftsproduktion.
Carsta war an den Rummel mit Fotografen und Reportern gewöhnt. Sie genoss es sogar, im Mittelpunkt zu stehen.
Langsam stieg sie die Gangway herab. Sie lächelte in die Blitzlichter der Fotografen und beantwortete ein paar Fragen.
Ein bereitstehender Wagen brachte sie in ihr Hotel, holte sie jedoch nach einer halben Stunde schon wieder ab, um sie zu den Filmstudios zu bringen.
Hier wurde Carsta zunächst der junge Amerikaner vorgestellt. Er war blond, hühnenhaft groß und lächelte mit typisch amerikanischem Charme. Carsta fand ihn hinreißend und sagte ihm das auch.
Das verbreiterte sein Lächeln um einige Nuancen. »Ich glaube, wir werden uns gut verstehen«, sagte er.
»Wenn wir zusammenarbeiten«, schränkte Carsta ein. »Ich habe die Rolle noch nicht.« Ihr Englisch war fast perfekt.
»Sie bekommen sie ganz bestimmt. Ich werde dem Produzenten sagen, dass ich in dem Film nur dann mitspiele, wenn Sie die weibliche Hauptrolle bekommen.«
Das tat er wirklich. Und da er in Amerika ein sehr zugkräftiger Star war, fügte man sich seinen Wünschen. Carsta bekam die Hauptrolle.
Das musste natürlich gefeiert werden. John lud sie ein, mit ihm das römische Nachtleben kennenzulernen.
Die beiden aßen in einem Luxusrestaurant gemeinsam zu Abend und bummelten dann von Bar zu Bar. Zwischendurch versuchte Carsta, ihren Mann in München anzurufen. Doch er war nicht zu Hause. Sie versuchte es in seinem Büro und erreichte ihn dort.
»Ich habe die Rolle bekommen, Daniel.«
»Na, großartig. Ich gratuliere. Wann kommst du zurück nach München?«
»Weiß ich noch nicht. Morgen oder übermorgen. Aber nur auf einen Sprung. Denn die Dreharbeiten sollen schon in der nächsten Woche beginnen.« Sie hielt die Hand über den Hörer, weil aus der Bar laute Musik erklang.
»Wo bist du eigentlich?«, fragte Daniel misstrauisch. »Im Hotel?«
»Ja. In der Bar«, log Carsta. »Mit ein paar Kollegen.« Auch das war eine Lüge, denn sie war mit John allein. »Wir unterhalten uns über das Drehbuch.« Das entsprach der Wahrheit. »Ich muss aufhören, Liebling. Bis morgen oder übermorgen. Wiedersehen.« Sie legte auf.
In seinem Büro in München starrte Daniel noch ein paar Sekunden auf den Hörer. Dann legte er ihn zurück auf die Gabel. Drehbuchbesprechung in einer Bar, dachte er. Um zwölf