Sekten, Sekt und Selters - Ein Moselkrimi. Carl von Lieser

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Sekten, Sekt und Selters - Ein Moselkrimi - Carl von Lieser

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mich behutsam aus der Umklammerung und führte sie sanft in die Küche. Wir setzten uns an den Eßtisch, auf dem sie vor dem Jogging schon unser Frühstück vorbereitet hatte.

      "Bist du sicher, daß der Mann tot war? Hast du etwas unternommen? Die Polizei verständigt?"

      "Nein, wie denn? Es war doch noch dunkel. Nur der Motor lief. Ich habe mit der Taschenlampe hineingeleuchtet, da hab ich ihn gesehen. Ein junger Mann, nach vorne aufs Lenkrad gekippt."

      "Hast du versucht, die Tür aufzumachen?"

      "Ach, Matz! Warum bist so furchtbar rational? Was glaubst du, was ich für ein Gefühl hatte, als ich ihn sah? Ich war total erschrocken, meine Knie zitterten, mich hat fast der Schlag getroffen. Die Tür war verschlossen, alle Türen am Auto waren verschlossen. Als ich dann den Schlauch gesehen habe, bin ich weggelaufen..."

      Wieder flennte sie, Tränen rannen über ihre Wangen.

      "Was für ein Schlauch?" fragte ich.

      Dann funkte es in meinem Hirn. Die Antwort stand im Raum, ich hätte sie mir selbst geben können.

      "Am Auspuffrohr war ein Schlauch befestigt, der ging in den Kofferraum, da muß einer ein Loch reingemacht haben, denn das Schloß war zu."

      Das klang nach Selbstmord, Vergiftung durch Autoabgase, Tod durch Kohlenmonoxid. Da hatte sich wohl einer gezielt vom Leben verabschiedet, sich die Atemluft abgestellt. Einer dieser tragischen Fälle, die sich gar nicht so selten ereignen. Zu idiotisch, daß Naomi in sowas reingezogen werden mußte. Zu dumm auch, daß ich wieder meinen Unterricht nicht frühzeitig vorbereitet und ihr deshalb in der Stunde des Schreckens nicht zur Seite gestanden hatte. Das Schicksal hat manchmal viel Sinn für schwarzen Humor.

      Draußen dämmerte es, als ich die Polizei anrief. Es war nicht schwer, den Fundort zu beschreiben, westlicher Moselradweg, etwa mittig zwischen Südbrücke und Römerbrücke, eigentlich ein saudoofer Ort für Suizide, wie ich fand. Dennoch reizte mich irgendwas an der Sache. Ich beschloß, mit dem Rad runterzufahren, eine Sache von Minuten. Die Frage war nur, könnte ich Naomi mit ihrem Schock alleine lassen?

      "Ich fahre mit, Matz." Sie mimte die Obercoole, aber es war wirklich nur gespielt.

      "Nein, bitte, Naomi, tu dir das doch nicht nochmal an! Bleib bitte hier und erhol dich von dem Schock."

      "Schon gut, Matz, wenn du dabei bist, geht’s mir schon besser, dann schaff ich das schon. Keine Sorge. Ich bin doch keine Zimperliese, mich wirft so schnell nichts um." Was sie sagte, stand im krassen Gegensatz zu ihrer Körperhaltung, die in etwa der eines angeschlagenen Boxers in der neutralen Ecke entsprach. Aber es half nichts, wenn sie es sagte, meinte sie es auch so, und wenn sie es so meinte, wurde es auch so gemacht. Ich hatte jetzt keine Lust auf ein selbstmörderisches Wortgefecht mit ihr. Also schwangen wir uns auf die Räder.

      Zwei Streifenwagen gaben dem trüben Oktobermorgen etwas Farbe, um nicht von Glanz zu sprechen. Ein halbes Dutzend Beamte hatten den Standort des schwarzen VW-Golfs inzwischen abgesperrt, das heißt, sie gaben sich keine große Mühe damit, denn um diese Uhrzeit war hier noch keinerlei Publikumsverkehr. Da ich meinen Reporterausweis der Anderen Zeitung, AZ, dabei hatte, durfte ich die provisorische Absperrung passieren, sogar in Begleitung von Naomi - immerhin hatte sie ja den Hinweis gegeben, und sie war die erste und vermutlich einzige Zeugin. Ich zückte meine neue Pocketkamera und schoß schnell ein paar Fotos, denn ich wußte, die Polizei würde mir das gleich verbieten, wenn sie es merkten. So wars dann auch.

      "Bitte keine Fotos, Herr Mendgen, das ist eine Anweisung von ganz oben."

      Von wo oben bitte, vom Herrgott persönlich etwa? Ich unterdrückte die Provokation, die mir auf den Lippen lag. Nun erkannte ich den Einsatzleiter, es war Oberkommissar Haverkamp. Ich hatte vor einiger Zeit mit ihm zu tun gehabt, als in meine Wohnung eingebrochen worden war.

      "Schon gut, Herr Haverkamp. Ist ja auch nichts Fotogenes zu sehen", beruhigte ich den Beamten. Sie hatten die Fahrertür des Wagens aufgebrochen, den Motor abgestellt und den Toten auf eine Decke gelagert, die auf dem Radweg ausgebreitet war.

      "Wissen Sie schon, wer der junge Mann ist?" fragte ich Haverkamp. Der hielt sich bedeckt, gab sich sehr beschäftigt in Sachen Spurensicherung. Zwei seiner Beamten suchten tatsächlich die Uferböschung ab - im Sommer beliebte Liegefläche für Sonnenanbeter.

      "War es Selbstmord?" Ich versuchte, einen Ansatz für ein Gespräch zu finden, schließlich war ich nebenher Journalist, und einen solchen Fall, vor der Haustür auch noch, den läßt man sich nicht gerne entgehen. Klar, daß die Polizisten mich lieber zum Teufel gewünscht hätten. Ich blieb Haverkamp auf den Fersen, Naomi folgte dicht hinter uns.

      "Herr Oberkommissar, Herr Oberkommissar!" riefen plötzlich die zwei Polizisten wie einstudiert im Duett, jene beiden, die das Umland des Fundortes abgrasten. "Wir haben etwas: noch einen Toten! Hier!"

      Haverkamp ließ uns abblitzen und eilte strammen Schrittes zu seinen Untergebenen. Wir hinterher. Dort, am Rande der Hochstauden, wo sich üppige Brennesseln mit hochhackigen Topinamburranken um die besten Sonnenplätze zankten, dort konnte ich ein Beinpaar erspähen, zwischen den Grünröcken hindurch, die die Stelle abzuschirmen versuchten. Der Rest des Körpers mußte in den Stauden versteckt liegen.

      "Ich werd verrückt", jammerte Naomi. "Zwei Tote an einem Morgen, das ist zuviel für mich."

      Da hatte sie recht. Sie umklammerte mich, als seien wir ein Langustenpärehen, ich konnte nicht mal mehr die Kamera in Position bringen.

      "Schatz, ist dir schlecht? Möchtest du dich hinlegen? Soll ich dir eine Decke besorgen, die Bullen haben bestimmt eine übrig?"

      Sie zitterte am ganzen Körper. Ich mußte meine Konzentration teilen zwischen den noch unbekannten Toten und meiner Allerliebsten. Es war nicht zu schaffen. Ich schlug mich auf Naomis Seite, sehr zum Wohlgefallen von Haverkamp, wie mir sein verschmitztes Lächeln verriet. Wir gingen zurück auf den Radweg und entfernten uns ein Stück weit vom Ort des Geschehens, besser gesagt, von beiden Orten, die kaum einen Katzensprung voneinander entfernt waren. Von den Kirchtürmen der umliegenden Stadtteile setzte das Sieben-Uhr-Geläut ein, der Autoverkehr auf der gegenüberliegenden Moseluferstraße war in wenigen Minuten deutlich im Geräuschpegel angeschwollen.

      Naomi und ich standen eine Weile in wortloser Umarmung zusammen. Unterdessen machten sich die Polizisten an der zweiten Leiche zu schaffen. Ich beobachtete ihre Aktivitäten aus einer Distanz von vielleicht 50 Metern. Die Beamten hatten heute früh echte Schwerstarbeit zu leisten.

      Als Naomi sich etwas erholt hatte, ging ich nochmals rüber zu dem schwarzen Golf, sie blieb zurück und wartete bei unseren Fahrrädern auf mich.

      In der Zwischenzeit hatten sie den zweiten Toten in die Nähe des ersten verfrachtet, zwei Leichen lagen auf dem Pflaster des Moselradwegs. Der junge Mann, - etwa Mitte Zwanzig, modisch gekleidet, - schien ein hübscher Junge gewesen zu sein. Der zweite Tote war mindestens doppelt so alt, sah ungepflegt aus, tagealte Bartstoppeln im Gesicht, rötliche Nase. Doch vor allem unterschied er sich durch seine Kleidung: er trug eine alte, abgewetzte Cordhose, der Oberkörper war bedeckt mit einem abgetragenen Wildlederjakett, innen mit Schafwolle ausstaffiert. Darunter schaute ein blaugrün kariertes Flanellhemd hervor. An den Füßen klebten ausgelatschte, ehemals vermutlich himmelblaue Turnschuhe, die nach und nach Erdfarben angenommen hatten.

      "Was hat das zu bedeuten, Herr Haverkamp?" versuchte ich mein Glück aufs Neue.

      "Sie sehen's doch selbst, Herr Mendgen, zwei astreine Tote."

      Rührte

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