Sekten, Sekt und Selters - Ein Moselkrimi. Carl von Lieser

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Sekten, Sekt und Selters - Ein Moselkrimi - Carl von Lieser

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und Erholung in freier Natur zum Ziel gesetzt hatte. Eine Idee, die in steigendem Maße beim Publikum ankam. Ich fand diese Touren jedenfalls weitaus spannender, als das endlose Geschwafel auf den abendfüllenden Agenda-Treffen, das ich mir nicht mehr antun wollte.

      Längst war das Teewasser fertig. Naomi goß eine Obermennig-Schachtelhalm-Mischung auf. Ich wagte nicht zu fragen, was das zu bedeuten hatte. Erika stand auf der Matte, die beiden verschwanden im Wohn-Studierzimmer. Ich zelebrierte meine häuslichen Aufgaben zu Ende, bevor ich mich noch auf einen Stoß Klassenarbeiten in Spanisch stürzte. Schließlich war ich ein vorbildlicher Lehrer...

      3. Baby oder was?

      Beängstigende Geräusche aus dem Bad rissen mich aus allen Träumen. Im Schlafzimmer war es noch dunkel. Instinktiv tastete ich nach Naomi, die vor wenigen Stunden in einträchtiger Löffelchenposition, mit Bauch und Brust meinen Rücken wärmend, eingeschlummert war. Jetzt war sie weg. Meine Hände fanden nur noch Reste ihrer Körperwärme im Bettlaken.

      Dann erneut Geräusche, ein Wasserhahn lief. Ich schaltete die Stehlampe neben dem Bett an, ein kurzer Blick auf den Wecker - 10 nach fünf - schon war ich auf dem Sprung in unsere gemeinsame Naßzelle. Da sah ich sie, in jämmerlicher Haltung, den Kopf krampfhaft über das Waschbecken haltend.

      "Tschuldigung, Matz, mir war nicht gut", gurgelte sie heraus.

      "Mein Gott, Naomi! Schatz, was ist denn los mit dir? Kann ich dir helfen? Sag doch, was soll ich tun?"

      Die reine Hilflosigkeit sprudelte aus meinen Worten, nichts als Hilflosigkeit. Die Situation war völlig neu für mich, nie zuvor hatte ich Naomi in einer solchen Lage erlebt. Hatte sie was Verdorbenes gegessen? War es mein Abendessen? Hatte ich was falsch gemacht? Oder lag es an der kuriosen Kräuterteemischung von gestern Abend, zu der ich zum Glück nur siedendes Wasser beigesteuert hatte?

      "Is schon gut, Matz. Mir war nur schlecht. Es geht schon wieder. Weiß auch nicht, woher das kommt. Es geht aber schon. Es wird wieder werden, keine Sorge."

      Es bereitete ihr ganz offensichtlich große Mühe, ihren Körper im Lot zu halten, während sie mit mir sprach. Sofort verfiel sie wieder in die vornübergebeugte Haltung, jederzeit darauf gefaßt, einen neuen Schub Flüssigkeit herauszuschleudern. Ich stellte mich ein wenig schräg hinter sie, hielt sie an der Taille, spürte dabei das Zittern, das Beben, das ihren Körper schüttelte, die Revolte ihres Magen-Darm-Traktes. Jetzt nahm ich auch den üblen Geruch nach Erbrochenem wahr, der Naomi umflorte. In diesem Augenblick mußte sie sich noch einmal übergeben, ein letzter schwacher Strahl schwefelgelber Flüssigkeit suchte sich - einmal dem Körper enteilt - in gemächlichem Tempo seinen Weg auf der weißen Keramik des Waschbeckens in Richtung Abflußrohr. Ich drehte den Wasserhahn auf, damit es schneller ging. Danach war Ruhe. Naomi wusch sich ausgiebig das Gesicht, den Hals, den Mund und putzte sich die Zähne. Am Ende stellte sie sich aufrecht hin und gab mir den Begrüßungskuß für den Tag.

      "Alles okay, Schatz?"

      "Ja, Matz. Ich bin okay, denke ich. Ich fühle mich um Zentner leichter, der Druck ist weg. Trotzdem, auf das Jogging verzichte ich heute lieber. Wer weiß, was mir da wieder über den Weg läuft."

      Sie hatte sogar ihren Humor zurückgewonnen. Und dennoch, ihr fahler Teint war nicht zu übersehen. Irgendwas stimmte nicht. Ich hatte das Gefühl, der Käse war noch nicht gegessen. Wir gingen ins Schlafzimmer, legten uns in die Falle und kuschelten uns ein halbes Stündchen an- und ineinander.

      "Matz" sagte sie plötzlich voller Ernst. "Ich glaube, ich gehe heute morgen zum Arzt."

      Arzt? Allein das Wort gab mir einen Schlag in die Magengrube. Sie wird doch nicht krank sein, meine Ärmste? Meine vitale, starke, tigerhafte Naomi kann doch nicht krank sein?!

      "Ich laß einen B-Test machen, sicherheitshalber."

      Das wars also. Ich war ihr richtig dankbar, daß sie ausdrückte, was mir auf der Zunge lag, aber die ganze Zeit über nicht herauswollte. Naomi schwanger! Eine neuartige Vorstellung. Ich wußte, daß sie die Pille nahm, weil sie jetzt noch kein Baby wollte, ausgerechnet jetzt, in der Endphase ihres Studiums. Ich konnte sie sehr gut verstehen, war damit einverstanden, wenngleich ich nichts gegen ein Kind mit ihr einzuwenden gehabt hätte. Ein Kind verbindet. Es wäre die beste Medizin gegen meine Trennungsängste, die noch immer in abgelegenen Spiralen meiner Hirnkammern herumspukten.

      Kurz nach acht machte sich Naomi auf den Weg zu Frau Dr. Markus in der Innenstadt. Ich holte den Volksfreund draußen aus der Röhre und tankte die Kaffeemaschine mit Frischwasser nach. Mein Unterricht begann erst mit der dritten Stunde, ich hatte also noch einige Zeit zum Durchatmen. Sollte ich mich schon Tagträumen hingeben wegen der neuen Situation, die sich womöglich anbahnte? Eine völlig neue Ebene der Beziehung, eine neue Herausforderung, neue Verantwortung, ja überhaupt: Verantwortung! Ich spürte eine ansteigende Unruhe in mir, der Kaffee förderte dies nur noch. Hätte ich Naomi nicht zur Ärztin begleiten sollen? Würde sie mir die Wahrheit sagen, würde sie mir reinen Wein einschenken, im Falle des Falles?

      Mit fehlte jede Konzentration für den Volksfreund, zumal, - wenn ich der Titelseite Glauben schenken sollte, - nichts Weltbewegendes passiert war. Nicht ein einziger neuer Krieg war seit gestern auf dem Globus entstanden, nicht mal Nato-Luftangriffe wurden geflogen, weder auf Jugoslawien, noch auf den Irak. Eine wirklich friedliche Welt an diesem nebligen Oktobertag. Wirklich friedlich?

      "Zwei Tote am Moselufer - war es Mord?" titelte der TV erst auf der Regionalseite. Scheinbar traute man dem Braten noch nicht. Ich überflog den Artikel. Wesentlich mehr als die Information aus der gestrigen Pressekonferenz der Polizei konnte ich zunächst nicht entdecken. Doch. Am Ende des Artikels ein Aufruf: ein weißer Opel-Astra, Baujahr 93, wurde gesucht. Es blieb unklar, welche Funktion das Fahrzeug haben könnte. War es in einen Unfall verwickelt? Suchte man den Fahrer als Zeugen? Oder war das Ganze nur ein Ablenkungsmanöver der Polizei? Was mich stutzig machte, war die Tatsache, daß gestern Nachmittag keine Rede gewesen war von einem gesuchten Kraftfahrzeug.

      Ich blätterte in Gedanken vertieft weiter - beharrlich zwischen B-Test und Mordverdächtigungen hin und her schwankend. Dann klingelte das Telefon, ich erschrak mich fast zu Tode. War sie es? War es die Bestätigung, - war sie schwanger? Und das Baby? Will sie es? Mein Baby?

      Mit hochrotem Kopf nahm ich den Hörer ab. Mein Puls lag bei 180 oder gar weit darüber.

      "Hey, Matz, hast das schon gehört? Es waren Morde, alle beide! Zwei Morde in Trier, stell dir das mal vor! Wann hat es das zuletzt gegeben? Na, was sagst du jetzt?"

      Verdammte Scheiße! Das war der Bolzen, den ich jetzt ganz und gar nicht erwartete hatte, den ich jetzt einfach nicht gebrauchen konnte. Ich war beim Baby, nicht bei 'ner Leichenschau, verdammt noch mal!

      "Sag doch mal was, Matz. Ist das nicht 'n dolles Ding?"

      Es war Klaus Singer, der Quälgeist von der AZ-Redaktion. Dieser Unmensch! Wie konnte er mich nur in aller Herrgottsfrühe so terrorisieren? Und überhaupt, warum lungerte er schon um diese Zeit im Redaktionsbüro herum, anstatt an der Uni zu büffeln, damit er endlich seinen Dr. Sozios, oder was auch immer, fertig machte? Aber nein, die Zeit totschlagen mit Zeitung-Machen! Im Grunde genommen war ich ja selbst so ein Vollidiot, der seine halbe, ach was, seine ganze Freizeit in so ein nutzloses Stadtmagazin steckte, das gerade mal von Tausend Leuten in der Stadt wahrgenommen wurde, gerade mal ein Prozent der Bevölkerung! Für ein Prozent rackerten wir uns ab, rissen uns den Arsch auf, ließen uns beschimpfen und belächeln. Nur um einem Prozent der Leute in der Stadt allmonatlich eine Befriedigung der besonderen Art zu verschaffen! Nein, ich war es leid, mehr denn je war ich in dieser Stunde froh, daß ich meine Entscheidung getroffen hatte: Aufhören,

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