Sekten, Sekt und Selters - Ein Moselkrimi. Carl von Lieser

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Sekten, Sekt und Selters - Ein Moselkrimi - Carl von Lieser

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das ist ein dolles Ding, Klaus, was du mir da erzählst. Nur, es tut mir furchtbar leid, ich hab jetzt null Zeit für dich, ich hab nämlich einen richtigen Job, einen für den ich Geld bekomme, verstehst du? Und da muß ich jetzt hin. Ich muß in die Schule."

      "Alles klar, Matz. Ich laß das Bullenfax hier liegen, du schaust ja sicher später mal hier rein."

      "Okay, Klaus. Danke für den Anruf. Ich kümmere mich um den Fall, später."

      Morde, Morde, nichts als Morde! Bestand denn die Welt nur noch aus Mord- und Totschlag? Und warum traf es immer nur mich? Manchmal schien es wirklich so zu sein, als sei Töten Volkssport Nummer Eins auf der Welt. Über 20 Millionen Kriegstote seit dem 2.Weltkriege war das nicht Beleg genug? Und ich war mir sicher: die meisten davon waren Morde, nichts als pure Morde! Über 10.000 Tote Tag für Tag! Und da waren die handelsüblichen, sozusagen die zivilen Morde noch gar nicht mit eingerechnet. Die amtliche Statistik zählte nur die staatlich verordneten Fälle.

      Leider erhielt ich bis zum Augenblick, als ich endlich losmußte zum HGT, kein Signal von Naomi. Ich spulte die drei Stunden Französisch runter, so gut es eben ging, überlegte dann, ob ich nicht zur Uni fahren sollte, Naomi suchen. Unsinn, dachte ich, ich war ja mit dem Rad unterwegs, und den Berg hochbuckeln, auf den Campus nach Tarforst, das war nicht meine Sache. Also Koordinatenänderung, Glockenstraße ansteuern, rein in die Krim, Mittagessen fassen, - es gab leckeren Brokkoli-Auflauf, - ein, zwei Beruhigungsbiere trinken, und dann weiter ins AZ-Büro. Das Büro war verwaist, erwartungsgemäß.

      Das Fax lag mitten auf dem "Konferenztisch", die wichtigsten Passagen waren rot angepinselt, ganz nach Klaus Singers Art. Ich las die anderthalb Seiten Text runter und staunte. Die Obduktion der Leichen hatte zweifelsfrei ergeben, daß Bernd Hirsch schon vor dem Einwirken der in den Wagen geleiteten Autoabgase tot war, zumindest hatte er nicht mehr geatmet, denn es wurden weder Kohlenmonoxid, noch dessen Abbauprodukte in der Lunge gefunden. Das war ja in der Tat sensationell! So wie die Sache am Fundort arrangiert war, deutete alles auf einen Mord hin, der als fingierter Selbstmord getarnt war. Und bei Rudolf Radolitzky, dem Landstreicher, schien die Sache auch eindeutig zu sein: schwerste Verletzungen am Brustkorb und Brüche an beiden Beinen, er war möglicherweise mehrmals von einem Fahrzeug überrollt worden. Sein Tod war allerdings drei bis vier Stunden später eingetreten, als der von Bernd Hirsch. Jetzt machte der Aufruf im Volksfreund Sinn, gefundene Teile eines Blinkerglases und Lackspuren an der Cordhose des Toten hatten die Polizei zu einem weißen Astra geführt. Das war ja fast wie bei Lady Di, da hatte man doch auch wegen gefundener Lackspuren Tausende von Autos in ganz Frankreich überprüft, freilich ohne Ergebnis. Und die Motive? Laut Polizeifax lag alles noch völlig im Dunkeln, total mysteriös.

      Ich wählte die Nummer der Kripo.

      "Nein, Herr Mendgen, noch keine weiteren Erkenntnisse", sagte die Pressesprecherin. "Im übrigen laufen ab sofort die Ermittlungen und alle öffentlichkeitswirksamen Informationen über die Staatsanwaltschaft Trier", fügte die Dame in einem resoluten Ton hinzu. Also klingelte ich auch dort an. Ich hatte eine gute Stunde erwischt, kurz nach zwei Uhr nachmittags sitzen alle deutschen Beamten offenbar wieder im Sessel, hinterm Schreibtisch. Ich bekam sogar eine Verbindung zu Breitkreuz, Bruno Breitkreuz, dem Chef der Trierer Staatsanwaltschaft.

      "O, Herr Mendgen, welche Ehre!" spottete er. "Lange nichts mehr von Ihnen gehört".

      Eine Tatsache, die ihm wahrscheinlich nicht unangenehm war.

      "Sie wissen ja, Herr Breitkreuz, ich melde mich nur bei den ganz großen Fällen. Wie zum Beispiel bei Doppelmorden in Trier. Sollen ja nicht jeden Tag vorkommen."

      "Da haben sie völlig recht, Herr Mendgen. Zum Glück, möchte ich hinzufügen. Nur, diesmal sind Sie bei mir an der falschen Adresse. Wir haben Staatsanwältin Ilona Stahl mit dem Fall betraut. Sie hat die Federführung. Wenn Sie konkrete Fragen haben, möchte ich Sie bitten, sich direkt an Sie zu wenden."

      Das waren ja völlig neue Töne aus der obersten staatlichen Anklagebehörde Triers.

      "Wären Sie bitte so nett, Herr Breitkreuz, und geben Sie mir die Durchwahlnummer Ihrer Kollegin?"

      "Gerne, können Sie haben. Bitte notieren Sie: 420, dieselbe Amtswahl vorneweg, die ist Ihnen ja bekannt."

      Hatte er mich jetzt gelinkt, der Kerl, oder hatte ich nur Pech? Unter 420 meldete sich 20 Minuten lang niemand. Deshalb probierte ich es ganz einfach mal bei 421 und 422, das Ergebnis war dasselbe. 'Die werden doch nicht heute auf Betriebsausflug sein?', dachte ich. 'Ohne den Chef! Nein, das ist unmöglich'.

      Endlich hob jemand ab, unter 423.

      "Moment, ich verbinde", mümmelte eine verpennte Männerstimme in den Hörer. Er wollte mich wohl nur los sein, um ungestört die Bildzeitung weiterzulesen. Minutenlang hörte ich nichts.

      "Tut mir leid, mein Herr, Frau Stahl ist nicht in ihrem Büro."

      Na ja, jetzt hatte ich es wenigstens amtlich.

      Ich radelte nach Hause. Von der Römerbrücke aus sah ich Bewegung am Moselufer, ein Stück moselaufwärts. Mindestens ein Dutzend Polizisten streiften dort auf dem Uferrandstreifen herum. Wenn mich nicht alles täuschte, waren auch Hunde mit im Einsatz. Ich beeilte mich, den Uferweg zu erreichen. Nach einem kurzen Stück war er abgesperrt.

      "Kein Zugang für niemanden, Presse eingeschlossen", lautete die Empfangsbotschaft. Null Chance.

      "Wonach suchen Sie denn?" fragte ich nicht ohne Hintergedanken.

      "Dienstgeheimnis. Wir geben keinerlei Auskünfte", sagte der Polizeiobermeister, der an diesem Abschnitt die Absperrung überwachte. Dabei hätte es mich brennend interessiert, was die dort, über 36 Stunden nach der Tat oder den Taten, noch suchten. Ein Flugschreiber jedenfalls konnte es ja nicht sein.

      Ich war nicht sonderlich kämpferisch drauf, gab mich zufrieden und fuhr an den Irrbach zurück. Es war halb vier. Wäre mein Vermieter im Hause gewesen, hätte er mich jetzt sicher zu Kaffee und Kuchen zu sich runter gerufen. Leicht geforstet betrat ich die Wohnung. Heute wollte nichts recht gelingen. Dabei war ich ein Mensch, der Klarheit brauchte im Leben. Ich hatte zeit Lebens immer große Probleme gehabt, mit Ungewißheiten umzugehen. Daher liebte ich die Mathematik so sehr, da war alles klar und kalkulierbar. Komisch, daß ich nur Sprachen unterrichtete. Wenn irgendwo Probleme auftauchten, war ich es, der umgehend eine Lösung suchte. Ich konnte nicht zwischen Tür und Angel leben, ich mußte immer ganz drin sein, oder ganz draußen, egal.

      Just als ich in den Irrbach einbog, hatte sich die Sonne endlich einen Weg durch den herbstlichen Nebel und die diffuse Wolkendecke gebahnt, die den ganzen Tag statisch über der Stadt schwebte. Sie taten mir gut, die späten Sonnenstrahlen des Tages, sie tauten mein Gemüt auf, wärmten sogar durch das Fenster den Rücken, wenn ich mich entsprechend postierte. Aber es war schon spät, der rote Ball ließ sich bereits von den Baumwipfeln im Hospitienwald bekratzen. In wenigen Minuten war er weggetaucht.

      Der Anrufbeantworter hatte den ganzen lieben langen Tag über keine einzige Botschaft für mich angenommen. Noch immer nichts von Naomi. Ich stand unter Hochspannung. Ich hielt es nicht mehr aus in der Wohnung, mußte raus, ging in den Garten, den ich jetzt während Erdmanns Abwesenheit alleine betreuen mußte. Die dicken, süßsauren Boskop-Äpfel hatte ich schon gepflückt und eingelagert, der Winterrambur hing noch, nur wenige Früchte waren vom Baum gefallen, ein Indiz dafür, daß sie noch reiften. Nächste Woche, in den Ferien, würde ich mich ihrer annehmen.

      Das Laub hatte schon tausend Farben angenommen, keine Frage, der Herbst war da, mit aller Macht, mit nächtlichen Nebeln, mit kühlen, trüben Tagen. Dennoch konnte ich beobachten, daß in Erdmanns

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