Aus vollem Leben. Nataly von Eschstruth

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Aus vollem Leben - Nataly von Eschstruth

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traurig den Kopf — und doch konnte sie der kleinen Schelmin nicht zürnen, im Gegenteil, gerade die grossen Gegensätze ihrer Charaktere berührten sich sympathisch, und wenn Otty auch in allen anderen Dingen wankelmütig und selbstsüchtig erschien, — in ihrer Freundschaft war sie es nicht, — im Gegenteil, sie kannte keine grössere Freude, als Nora Beweise ihrer Liebe und Zärtlichkeit zu geben, sie überschüttete sie mit Geschenken und fand gar nicht genug Worte, um die Freundin ihrer Liebe und Treue zu versichern.

      So waren drei Jahre wie im Flug entschwunden, eine glückselige, harmonische Zeit, an die alle Pensionärinnen voll dankbaren Entzückens zurückdachten.

      Nun hatten Noras Eltern die Tochter heimgerufen, und die beiden Freundinnen sassen zum letztenmal Arm in Arm an dem offenen Fenster ihres lieben, trauten Stübchens, um die ganze Poesie solch eines Trennungsschmerzes voll bitter-süsser Thränen auszukosten.

      „Nora — wirst du mich auch nicht vergessen?“ — schluchzte Otty und umschlang die Gestalt der Freundin voll leidenschaftlicher Zärtlichkeit.

      Nora küsste die fragenden Lippen: „Welch ein Gedanke, mein Liebling! Du weisst, dass mein ganzes Herz voll steter Treue dir allein angehört!“

      Otty richtete sich empor und blickte forschend in das vom Mondlicht beschienene Gesicht der Sprecherin. „Nein, Nora! Das weiss ich nicht!“ stiess sie erregt hervor; „früher war ich dessen wohl gewiss, aber seit kurzer Zeit — seit du den dritten Brief aus Düsseldorf bekamst — — —“

      Nora zuckte leicht zusammen. „Aber Otty — ich verstehe dich nicht —! Was meinst du damit?“

      „Was ich meine?! Dass du seit jenem Tage ein Geheimnis vor mir hast, Nora! O glaube ja nicht, dass ich so kurzsichtig und thöricht bin! Ich habe es wohl gesehen, wie heiss du erglühtest, als dein Blick die Briefadresse traf, — du kanntest die Schriftzüge ganz genau, und dann verliessest du unter einem Vorwand das Zimmer, um das Schreiben heimlich öffnen zu können. Heimlich, Nora! Heimlichkeiten auch vor mir! Glaubst du, ich hätte dich nicht beobachtet? Wie verklärt sahst du aus! Deine Augen strahlten! Dein ganzes Wesen war verändert und ist es auch noch; soll ich dir sagen, warum? Du hast ein Bild erhalten, von einer Person, welche du viel — viel — ach tausendmal lieber hast, als mich!“

      Und Otty barg ihr Antlitz schluchzend an der Schulter der Freundin.

      Nora von Rastatt war heiss erglüht. Sie atmete schwer auf und drückte die bebende Gestalt der Kleinen fest und innig an sich.

      „Nein, Otty — nicht tausendmal lieber ... wohl aber ... ach, wohl aber ebenso lieb wie dich!“ sagte sie leise mit ihrer weichen, seelenvollen Stimme.

      Otty Florenzius hob jählings das Köpfchen. „Also doch! O du Böse! Und davon hättest du mir freiwillig kein Wort gesagt! Ist das etwa ehrliche Freundschaft, wie?!“

      Nora verschlang die bebenden Hände. „Verzeih mir, Otty! — Ich sehe es selber ein, dass ich vielleicht unrecht that, dir etwas zu verheimlichen, was seit Jahren schon meine ganze Seele erfüllte! Aber es giebt Empfindungen, die nicht zum müssigen Geschwätz erniedrigt werden dürfen, und je heiliger ein Gefühl ist, desto sorgsamer verbirgt man es!“ —

      Einen kurzen, schweren Kampf kämpfte sie mit sich, dann aber schlang sie jählings die Arme um Otty, blickte ihr wie in beschwörender Frage ins Gesicht und flüsterte: „Meinst du es treu mit mir, Otty — von ganzem Herzen treu?“ —

      Die Kleine faltete hastig die Händchen über der Brust: „Treu bis in den Tod! — Ich werde dein Geheimnis ewig hüten und wahren!“

      Nora küsste sie auf die Lippen, zog das dunkle Lockenköpfchen fester an sich und flüsterte: „So höre. Es war ein halbes Jahr nach meiner Konfirmation, als meine Eltern mich selber hierher in die Pension brachten, wo ich bis zu meinem achtzehnten Lebensjahre bleiben sollte, denn in meinem kleinen Heimatstädtchen hatte ich keine Gelegenheit, mich in der Musik auszubilden.

      Wir reisten über Düsseldorf, und an der Bahn empfing uns der Sohn eines intimen Jugendfreundes meines Vaters.

      Er hiess Raoul von Glärnisch und bildete sein hervorragendes Maltalent auf der Akademie in Düsseldorf aus. — O Otty — welch ein Augenblick, als ich ihm zuerst in die Augen sah! — Ich bin seit jeher ein stilles, ernstes Mädchen gewesen, ich habe niemals geschwärmt und mich bald hier, bald dort begeistert, wie du, kleine Libelle! — Ich bin schwerblütig beanlagt, und ein Gefühl, das mich beherrscht, ist keine Eintagsfliege, sondern ein Stück Leben, ein Teil meines ureigensten Ichs. — Nie zuvor hatte ich einen Menschen kennen gelernt, der einen so tiefen, unauslöschlichen Eindruck auf mich gemacht, wie Raoul! Seine ideale, sonnige Schönheit entzückte mich, seine Liebenswürdigkeit liess mein Herz höher schlagen, seine Kunst, sein reiches Wissen imponierten mir. — Und es war, als ob eine geheime Zaubermacht auch sein Herz in Banden geschlagen. Inniger und zärtlicher ruhte sein Blick auf mir, länger hielt er meine Hand, fester, ausdrucksvoller drückte er sie.

      ‚Fräulein Nora — wissen Sie wohl, was ich möchte?‘

      Ich blickte fragend in seine leuchtenden Augen auf.

      ‚Als Ingeborg möchte ich Sie malen!‘ rief er leidenschaftlich: ‚Auf einsamem Felsstein am Meere sitzend, das blonde, herrliche Haar gelöst im Winde flatternd, den Falken auf der Hand und den Blick voll tiefen Liebessehnens hinaus auf das graue Nordlandsmeer gerichtet —:

      Konnt fernhin sehn —

      Die Segel wehn!

      Ach sie dürfen Fritjof auf weiten

      Meeren geleiten!‘

      Ich ward sehr verlegen bei seinen schmeichelhaften Worten, noch verlegener aber senkte ich die Blicke, als ich in seine Augen schaute, die noch viel mehr, — ach so unendlich viel mehr sagten, als diese Worte!

      Mein Vater lachte. ‚Könnte wahrlich ein schönes Bild werden, Raoul! Fürerst aber machen Sie Ihre Studien dazu, und Nora spielt noch zwei oder drei Jahre Fingerübungen und Sonaten in ihrer Pension! Wenn ihr dann beide fertig ausgebildet seid und mein Mädel zu uns heimkommt, melden Sie sich zum Besuch an, Freund Glärnisch, und malen die Ingeborg!‘

      O wie jauchzte mein Herz bei diesem Gedanken, wie flammte es so heiss und verräterisch in meinen Augen auf!

      Nachmittags fuhren wir rheinab, und Raoul begleitete uns.

      Es war eine Mondnacht — so wie heute! Lind und duftig — zauberhaft schön und blütenfrisch wie jene Maiennacht, da der Trompeter unter das Turmfenster seiner Margareta trat und das Lied blies: ‚Jung Werner ist der glückseligste Mann im römischen Reich geworden!‘ — Ach Otty, auch ich ward in jenem Frühlingswehen das glückseligste Wesen auf Gottes weiter Welt! Raoul stand neben mir an dem Schiffsgeländer und träumte gleich mir still in die Pracht hinaus, welche, in silberne Lichtfluten getaucht, an uns vorüberzog. —

      Und plötzlich nahm er meine Hand in die seine, drückte sie voll leidenschaftlicher Innigkeit und neigte sich nahe, ganz nahe zu mir.

      Was er da alles in mein Ohr flüsterte — o ich weiss es noch so genau und vermöchte doch nicht, es zu wiederholen! Aber in jener seligen Stunde gelobten wir uns einander an, und siehst du, Otty, das ist der Grund, warum ich mich so still von allen Vergnügungen, die euch entzückten, zurückzog; warum ich nach keinem andern Herrn blickte und keine Aufmerksamkeiten und Huldigungen duldete. Ich liebe Raoul! Und diese Liebe wird meines ganzen Lebens Inhalt sein! — Du wirst das noch nicht verstehen, mein Liebling, denn dein flatterhaftes Herzchen hat

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