Aus vollem Leben. Nataly von Eschstruth

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Aus vollem Leben - Nataly von Eschstruth

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Blick.

      Und sie reiste zu Nora ab.

      Welch ein Jubel des Wiedersehens!

      Fräulein von Rastatt war von derselben ruhigen, tiefinnigen Herzlichkeit wie stets, ihr schönes Antlitz war verklärt von einem Hauch stillen Glückes, das machte sie älter und gereifter aussehend noch als früher.

      Ottys überschwengliche Zärtlichkeit wirkte beinahe etwas unnatürlich.

      Es hatte den Anschein, als suche sie gewaltsam mit schönen Worten über ein gewisses Etwas hinweg zu täuschen, was sich entfremdend zwischen sie und die Freundin geschoben. In dem Hause des pensionierten Oberstleutnants ging es schlicht und still zu, und so war es plötzlich, als sei mit dem eleganten kleinen Fräulein Otty ein ganz neuer Hauch unter das Dach geweht.

      Welch ein Unterschied zwischen den beiden jungen Mädchen!

      Nora, die stets thätige, wirtschaftliche, schritt in ihren schmucklosen Hauskleidern und praktischen Schürzen wie die verkörperte Prosa neben der Freundin her, welche in weissgestickten Kleidern, spitzenbesetzt und von farbigen Schleifen umflattert, wie ein reizendes Sommerwölkchen durch Haus und Garten schwebte.

      Alles war Grazie, kecke, sprühende Laune an ihr, ihre zarte, wohl allzu zarte Gestalt stach sylphenhaft ab gegen die stolze, germanische Schönheit der kraftvoll blühenden Nora, die so gar nicht neben der pikanten Anmut des brünetten Sprühteufelchens zur Geltung kam.

      Jede Schönheit und Eigenart wirkt auf das Auge eines Künstlers, und Raoul, dessen Malerauge besonders empfänglich für neue und anmutige Motive war, erblickte voll ehrlichen Entzückens in Otty die Quelle manch eines neuen, anregenden Gedankens. Ihre geschmackvollen, eleganten Toiletten gefielen ihm, sie stachen für den Künstler so vorteilhaft ab gegen die graue Einfachheit der Geliebten, auch amüsierte ihn das lebhafte, amüsante Wesen Ottys, ihr schelmisches Kokettieren, ihre fieberische irrlichtartige Unruhe.

      Nora lag kein Gedanke ferner, als der der Eifersucht, und als Raoul den Wunsch aussprach, Otty skizzieren zu dürfen — er gebrauche noch lichte Geister für sein geplantes Gemälde „Im Reiche der Proserpina“, und die umschatteten, so übernatürlich glänzenden Augen des Fräulein Florenzius passten unbeschreiblich gut in die bläulich leuchtende Grotte des Orkus — da war es Nora selber, welche voll freudigen Eifers diese Idee aufgriff und den Vorschlag machte, während der „grossen Waschwoche“ sollten die Sitzungen für Ingeborg unterbrochen und Otty im Schleier der Euridice skizziert werden. —

      Wo die Bäume des Gartens ihr grüngedämpftes Licht verbreiteten, malte Raoul sein neues Modell.

      Nora wohnte den ersten Sitzungen bei, und ihr treues, redliches Auge weilte voll Entzücken auf dem Köpfchen der Freundin, das mit geisterhaft grossen Augen aus dem bleichen Schleiergewebe hervorträumte.

      Ein paarmal überkam es sie wie ein leichtes Grauen. Es lag so etwas Überirdisches, Schattenhaftes in diesem Geistergesichtchen — und wenn sie hustete ...

      Raoul lachte über ihre Befürchtungen. „Fräulein Otty ist kerngesund! Zart und ätherisch, vielleicht ein bisschen bleichsüchtig ... das wird sich alles schnell geben, wenn sie sich auf der Badereise erholen und pflegen kann. Ihr Vater ist ja ein schwerreicher Mann, der kann wohl alles thun, um seiner Einzigen eine kleine Erkältung wegzuschaffen!“

      Die nächsten Tage war Nora viel im Hause beschäftigt, und wenn sie einmal einen flüchtigen Blick in das „Reich der Proserpina“ warf, so war sie meist so eilig, dass ihr die eigentümlich beklommene Stimmung, die wortkarge Verlegenheit der beiden kaum auffiel.

      Sie fand auch keine Gelegenheit, viel mit Raoul zu plaudern oder einen Blick und Händedruck mit ihm zu wechseln, es schien, als ob er selber jede Gelegenheit dazu vermeide! Sein Wesen war plötzlich zerstreut, nervös und unruhig, und dabei klagte er über Muskelschmerzen im Arm, die ihm das Malen zur Zeit sehr erschwerten.

      Er glaubte, es sei wohl besser, eine Pause zu machen.

      Das „Ingeborgbild“ sei ja nicht so eilig, er könne fürerst noch eine kleine Studienreise machen und es später vollenden.

      Auch Otty überraschte die Freundin mit dem Entschluss, dass sie sich unbedingt schon in den nächsten Tagen mit ihrem Vater treffen müsse; er sei jetzt am besten daheim abkömmlich, und die Badereise dürfe aus diesem Grunde nicht länger hinausgeschoben werden! —

      Da Otty zuvor stets versichert hatte, sie sei an keinerlei Zeit gebunden, wunderte sich Nora wohl über die plötzliche Eile; da sie aber annahm, dass der Gutsbesitzer in der That mit den Tagen rechnen musste, so nahm sie voll unverändert grosser Herzlichkeit Abschied von ihrem kleinen Liebling.

      Otty schien wieder sehr unter der Trennung zu leiden, sie sah ganz verstört aus, war einsilbig oder von einer ganz unmotiviert überschwenglichen Zärtlichkeit, weinte sogar und sagte den Eltern ihrer Freundin in so überstürzter Weise Lebewohl, dass sie wie ein helles Sommerwölkchen davongeflattert war, ehe man recht zum Bewusstsein dessen gekommen war.

      Noras Blicken wich sie beharrlich aus.

      „Schreibst du bald?“ bat Fräulein von Rastatt mit treuem Händedruck.

      Da grub Otty die spitzen Zähnchen in die Lippe und nickte hastig: „Du wirst bald von mir hören, — Gutes, viel Gutes!“ — Und dann warf sie sich noch einmal jählings an die Brust der Freundin und lachte hell auf: „Nicht wahr, Nora, die Mädchen, die an gebrochenem Herzen sterben, sind Närrinnen? — Um Gottes willen nicht hinter einem Manne hertrauern —! Es giebt ein so hübsches Lied — kennst du es:

      Ich hab mir Rosmarin gepflanzt,

      Er wollte nicht treiben, —

      Ich hab mit einem Bursch getanzt —

      Der wollte nicht bleiben!

      Die Strasse ist frei!

      Und mag er mich nicht — —

      So lässt er’s bleiben!

      Nicht wahr, Nora, so vernünftig muss man sein? Und Gott sei Dank, du bist ja so ein gutes, vernünftiges Mädchen!“

      Überrascht starrte Nora die Sprecherin an. Sie wusste nicht, was Ottys frivole Worte bedeuten sollten, aber ehe sie fragen konnte, setzten sich die Räder des Zuges in Bewegung, und wie eine Vision entschwand ihr das aufgeregte Gesichtchen ihrer so sehr geliebten Gefährtin, die heissgeröteten Wangen und die fieberisch glänzenden Augen.

      „Wie schön sah sie doch aus, die kleine Seele aus dem Reich der Proserpina!“ lächelte Nora tief in Gedanken und schritt langsam nach Hause zurück, wo es plötzlich so still und einsam geworden war.

      Jetzt erst, wo auch Otty gegangen, empfand sie voll und ganz das Wehe, welches ihr der Abschied des Geliebten geschaffen.

      Über acht Tage waren vergangen, da traf ein dicker Brief aus Wiesbaden ein.

      Er trug die Schriftzüge Raouls.

      Wie hatte sie voll Sehnsucht und Herzeleid auf Nachricht von ihm gewartet!

      Nun jauchzte ihr Herz auf! Mit bebenden Fingern erbrach sie den Umschlag. Ein kurzer Brief von ihm — ein steifes Kartonpapier mit Goldrand — —

      Erstaunt starrt Nora es an, — neigt sich näher und liest ...

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