Aus vollem Leben. Nataly von Eschstruth

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Aus vollem Leben - Nataly von Eschstruth

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leidenschaftlich an die Brust, „und ich werde so lieben wie du! Treu bis in den Tod! O wehe mir, wenn mich dann der Erkorene nicht wiederlieben würde! Ich ginge zu Grunde an solchem Unglück! Doch warum jetzt an so etwas denken! Jetzt, wo ich mich mit dir freuen und vor Glückseligkeit in alle Welt hineinjubeln möchte! Der Brief aus Düsseldorf war natürlich von ihm, dem Herrlichsten von allen — und er hat dir sein Bild geschickt — und was geschrieben?“

      „Was er schrieb?“ Nora lächelte wie verklärt. „Dass er nun meines Vaters Wort einfordern und zu uns kommen wolle, um seine Ingeborg zu malen!“ flüsterte sie und strich mit der Hand wie träumend über ihr glänzendes, goldblondes Haar —: „Ach Otty, — du ahnst nicht, was dieses Wiedersehen für mich bedeutet! Den Gipfel alles Glückes! Die Erfüllung all meiner sehnlichsten Wünsche, die Verwirklichung alles dessen, was mir die vermessensten Träume vorgegaukelt!“

      Otty nahm das glühende Antlitz der Specherin zwischen ihre kleinen, heissen Hände und küsste stürmisch Wangen und Mund.

      „Ja, du wirst glücklich sein, Teuerste! Und ich werde mich in deinem Glück sonnen und mich mit dir freuen! Wer verdient es mehr auf der Welt, als du! — Aber ach —“ und die Sprecherin schlug plötzlich die Hände vor das erregte Gesichtchen und schluchzte laut auf, „wenn du dich verlobst und verheiratest, dann wirst du mich um des Geliebten willen vergessen, dann wird unsere Freundschaft zu Grabe gelegt werden, denn nicht umsonst heisst es: ‚Hochzeitsglocken sind der Freundschaft Sterbeglocken!‘ —“

      Nora zog die Weinende voll grosser Innigkeit an sich. „Daran glaubst du selber nicht, Otty!“ sagte sie sehr ernst, „dazu kennst du mich zu gut! — Du weisst, dass ich nichts im Leben so hoch und heilig halte wie die Treue! — Wem ich jemals die Treue gelobte, dem halte ich sie unverbrüchlich, mag da kommen, was wolle, mag sie noch so schwer auf die Probe gestellt werden, ich breche sie nicht; aber ich verlange auch von denen, welchen ich mein Herz so völlig zu eigen gebe, dass sie nur wieder die Treue halten! — Um mich brauchst du dich nicht zu sorgen, Kleine, wohl aber könnte ich um dein sorgloses, flatterhaftes Herzchen bangen, dass es mir nicht eines schönen Tages doch davonfliegt und die arme Nora einsam und unglücklich zurücklässt!“

      Otty schüttelte heftig die dunklen Löckchen aus der Stirn und umarmte die Freundin in ihrer erregten, leidenschaftlichen Weise so ungestüm, dass Nora kaum zu atmen vermochte.

      „Ich? Ich sollte dir jemals die Treue brechen?“ rief sie, „niemals, Nora! Das schwöre ich dir! Nicht einmal — nein hundert-, tausendmal! Gott soll mich strafen, wenn ich jemals vergesse, was du mir Gutes gethan, wie viel Liebe und Freundschaft du mir geschenkt! Himmel und Erde sollen einstürzen, wenn ich je im Leben falsch an dir handeln oder dich vergessen würde! Hörst du, Liebste, das schwöre ich dir! Und du sollst das gleiche thun — du sollst mir ebenfalls Treue geloben.“ — —

      Nora legte mit ernstem Lächeln die Hand auf den Mund der Sprecherin. „Nicht mit solchen Worten, mein Liebling, die klingen theatralisch und überschwenglich, die liebe ich nicht. Hier meine Hand! Und blick in meine Augen, darin sollst du lesen, wie treu ich es mit dir meine!“

      Wieder umarmte und küsste Otty Florenzius das ernste Mädchen voll glühender Begeisterung, und als sich der Sturm ihrer Gefühle etwas gelegt, fragte sie plötzlich: „Und sein Bild hat er dir geschickt? Weisst du auch, dass ich dir eigentlich böse sein müsste, weil du dein Geheimnis so lange vor mir gehütet hast? Ich entschuldige es lediglich mit deiner ganzen Art und Weise, die so verschlossen und schweigsam ist, dass man es nicht als ein Zeichen von Misstrauen auffassen kann! Nun lass mich aber schnell sein Bild sehen! Ich muss wissen, wie der Mann aussieht, der dieses stolzeste und sprödeste aller Herzen zu eigen gewann!“

      Die Sprecherin hustete scharf auf und zog fröstelnd ein Tuch um die Schultern, Nora aber sprang erschrocken von dem Fensterbrett herab. „Du hustest schon wieder, Kleine!“ sagte sie besorgt, „beim Abschiedsfest der Tanzstunde hast du dich doch tüchtig erkältet! Ich warnte dich gleich, als du die kalte Limonade trankst, du warst viel zu erhitzt, und Tante Emma hatte es auch streng verboten! Komm schnell in das Zimmer! So herrlich diese Mondnacht auch ist, die Luft scheint doch zu kühl für dich zu sein!“

      Otty lachte. „O du lieber Angsthase! Dies bisschen Husten ist gar nicht der Rede wert! Da hättest du mal hören sollen, wie ich daheim in dem kalten, grossen Gutshaus oft gehustet habe! Beinahe so schlimm, wie mein armes Mütterchen, ehe sie starb! — So; nun hast du deinen Willen. Ich schliesse das Fenster und stecke Licht an! Zur Belohnung darf ich nun aber auch sein Bild sehen, — ja?“ —

      Etwas zögernd griff Nora in die Tasche ihres Kleides und entnahm ihr einen Brief. Man sah, es kostete sie einige Überwindung, ihr grösstes Kleinod fremden Blicken preiszugeben, — und wenn es auch die der besten Freundin waren.

      Mit leicht bebenden Händen schlug sie das feine Seidenpapier zurück und bot der Gefährtin die Photographie dar. „Hier sieh!“ sagte sie schlicht und innig: „Mein ganzes Glück!“

      Otty neigte sich hastig gegen das Licht, und ihr Blick traf schier ungeduldig forschend das schöne Männerantlitz, das ihr aus dem Bild entgegenlächelte.

      Ein leiser Laut höchster Überraschung und höchsten Entzückens.

      Wie gebannt starrte sie auf Raoul von Glärnisch nieder, und in Noras Wangen flammte es purpurn heiss vor stolzer, seliger Freude und Genugthuung.

      „O Himmel, wie schön, wie blendend schön ist er!“ stiess Otty atemlos hervor: „Wirklich, liebstes Herz — so viel hatte ich nicht erwartet! Welche Augen! Welch ein Gesicht! Der Apoll von Belvedere ist nicht schöner als er! O Nora! Nora! ja du bist glücklich — beneidenswert glücklich!“

      Otty rief es in derselben überschwenglichen Weise wie zuvor, und doch hatte ihre Stimme plötzlich einen andern Ausdruck, sie umarmte die Freundin flüchtiger als zuvor und wandte sich sofort wieder dem Bilde zu.

      „Hat er blaue Augen? Auf dem Bild hier sehen sie eigentlich dunkel aus! Und die Locken ... wie bildschön ringeln sie sich um seine Stirn, so ein echter, rechter Künstlerkopf — o und die Hand ... welch eine klassische Form hat sie! Ist er gross oder klein? Grösser als du? — Und sieht er sehr blass und interessant aus, oder hat er frische Farben? ...“

      So sprudelte es von ihren Lippen, und Nora griff lächelnd nach dem Bild und sagte: „Halt! halt! eine Frage nach der andern! — Ich denke, ich kann sie alle zu deiner Zufriedenheit beantworten! Und dabei traf ihr Blick voll zärtlichster Liebe das Bild des Verlobten, und sie neigte das Antlitz und drückte einen Kuss darauf. Über Ottys lebhaftes Gesichtchen flog unmerklich ein Schatten. Sie warf sich auf einen Stuhl und verschränkte die Arme hinter dem Kopf. „O du Glückliche!“ seufzte sie, „ja, es muss schön sein, solch einen herrlichen Herzliebsten zu haben! — Ob der meine wohl jemals ebenso schön sein wird? Ach, einen Maler hatte ich mir seit jeher gewünscht, es ist so poetisch, und die Künstler sind alle so interessant! Ja, du kannst wirklich lachen, Nora! Du bist ein Glückspilz!“

      „Möchte Gott mir dieses Glück schirmen! Raoul ist nicht nur schön, er ist auch brav und edel, und das ist die Hauptsache! Nun aber lass uns zu Bett gehen, mein Liebling, es ist schon sehr spät geworden, und du siehst plötzlich so bleich aus, — die Nachtluft hat dir am Ende doch geschadet!“

      Die Sprecherin neigte sich voll zärtlicher Sorge über die Freundin, und Otty schlang voll etwas nervöser Innigkeit die Arme um ihren Nacken.

      „Ja, ich bin müde geworden, — wir wollen uns beeilen, dass wir zu Bett kommen. Gute Nacht, meine liebe, liebe Nora, — du Glückliche! — träume von ihm! —“

      „Die letzte Nacht in der Pension, — die letzte Nacht in unserm trauten Stübchen!“

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