Sternschnuppen. Gudmund Vindland

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Sternschnuppen - Gudmund Vindland

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Nähe machte es »ritsch«, und sie verschwand im Inneren der Seagull wie ein Geist durchs Schlüsselloch. Ich stand auf dem Anleger und war einen Moment ziemlich verärgert, um es so zu sagen, aber dann dachte ich: Jaja, vielleicht ist’s besser, sie los zu sein! Nun erschien der zweite Matrosenanzug auf dem Vorderdeck und bat mich mit steinerner Miene, ihm zu folgen – und jetzt begriff ich überhaupt nichts mehr. Denn den, der in diesem Anzug steckte, hatte ich schon einmal gesehen. In einem Schwulenclub. Er konnte sich offenbar auch an mich erinnern, denn er versuchte, mir vielsagend zuzuzwinkern, und sagte dann ganz diskret: »Du brauchst nicht zu zeigen, daß du uns kennst. Dag und ich arbeiten in dieser Branche, und wir sind für diesen Abend hier gemietet. Hübschen Anzug hast du da an.«

      »Danke gleichfalls, Schwester!« brachte ich heraus und konnte sogar fast einen Kicheranfall unterdrücken. »Noch strammer als in der Marine?«

      Er führte mich den weiten Weg zum Achterdeck, wo Adele sich gerade einen Dry Martini zu Gemüte geführt hatte – und es war offenbar nicht ihr erster gewesen. Ihr kühles und lächelndes Äußeres war wiederhergestellt, und sie atmete erleichtert auf.

      »Meine Güte, wie schön ist das, all diesen Leuten entronnen zu sein. Komm her und setz dich und trink auch etwas, Ingvar. Das hast du ehrlich verdient. Dag, Sie können uns noch eine Runde mixen.«

      »Guten Abend, der Herr«, sagte Dag mit servilem Lächeln, während er Beefeater in einen Silbershaker goß. Ich hatte nie mit ihm geschlafen, aber wir waren einmal nahe daran gewesen. Diese Situation kam mir eher absurd als beunruhigend vor, und ich hatte wirklich Lust auf einen Drink.

      »Er ist sehr trocken«, erklärte Adele. »So schmecken sie mir«, und sie nippte an ihrem fünften in fünf Minuten. Ich tat es ihr nach, und ich verschluckte mich auch nicht dabei. Ich hatte schon öfter Golden Cock pur aus der Flasche getrunken. Dag stand neben mir und füllte abermals mein Glas mit größter Selbstverständlichkeit – und nun ging mir auf, daß unsere Nummer damals geplatzt war, weil ich so blau gewesen war, daß er sich verdrückt hatte.

      »Du hast wirklich ein leckeres Rezept – und einen ... tüchtigen Barmann. Shake it, baby!« sagte ich, und nun konnte Adele endlich natürlich und entspannt lachen.

      »Ich hätte nicht erwartet, in dieser Gesellschaft einen – Kenner zu finden«, sagte sie und wurde ein bißchen rot. Sie meinte sicher einen »Gesinnungsgenossen«, aber es ist nicht immer leicht, im rechten Moment das richtige Wort zu finden, das weiß ich. »Kannst du mir nicht ein bißchen über dich erzählen? Das hier wirkt alles etwas erschreckend auf mich, die Politik und alles, was Inga so wichtig ist. Ich nehme an, du teilst ihre Ansichten, wo du doch mit in dieser ... Wohngemeinschaft lebst?«

      »Ja, wir schwören alle auf die progressive Bewegung, aber ich glaube nicht, daß das ein Grund zur Besorgnis ist. Alle Generationen sind in ihrer Jugend wohl idealistisch und wollen die Welt verändern. War das bei Ihnen nicht auch so, gnädige Frau?«

      »Aber mein Lieber, du mußt mich Adele nennen. Ich nenne dich ja auch Ingvar.«

      »Jaja«, sagte ich und dachte, daß sie das ruhig weiter tun dürfte, die Arme. »Prost, Adele!«

      »Prost, Ingvar! Du ahnst ja nicht, wie schön ich es finde, junge Menschen kennenzulernen, die ... mit denen man vernünftig reden kann. Ich verstehe ja, daß wir Alten auf euch ziemlich verknöchert wirken können, aber wir haben doch auch unsere Werte, die wir uns erarbeitet haben und die wir so gut wie möglich bewahren wollen.«

      »Das verstehe ich nur zu gut. Ich hätte auch gerne so einen Cabincruiser zum Rumsausen. Wie heißt er doch noch, Seegold?«

      »Naja. Das ist doch das kleine Spielzeug meines Mannes«, sagte Adele. Ich weiß nicht, ob sie aus Höflichkeit meinen Witz überhört hatte oder ob sie überhaupt nicht mehr zuhörte. »Es wäre phantastisch nett, wenn du mich einmal in der Villa besuchtest. Da fühle ich mich am wohlsten. Du nimmst doch sicher noch einen?«

      Ich hatte Lust, ihr zu erzählen, daß ich immer schon schrecklich gern gesehen hätte, wie die Leute ganz oben in der Hitparade so leben, aber das mit den Drinks brachte mich in eine ziemlich elende Bedrängnis. Ich hatte zwar bei den Feierlichkeiten an Land keine direkten Aufgaben zu erledigen, aber ich fühlte mich moralisch verpflichtet, mich daran zu beteiligen. Ich war trotz allem ein Fünftel der Gemeinschaft. Andererseits hatte ich auch die hohe Verpflichtung auferlegt bekommen, mich um die Mutter der Braut zu kümmern – und das schien mir ja hervorragend zu gelingen. Drittens merkte ich plötzlich, daß die beiden Drinks mir bereits ein prickelndes Lustgefühl in den Beinen verschafft hatten, und das bedeutete, daß Inga und Kyrre meinen Schwips sicher bemerken würden. Das wäre nicht so gut, auch wenn ich es nicht darauf angelegt hatte. Also nickte ich eifrig und unbescheiden, als die schöne Adele mir einen dritten von den Trockenen anbot – mein Kopf sollte mit meinen Beinen um die Wette prickeln. Meine schweigende und ungebrauchte Nummer im Matrosenanzug mußte brav einschenken, und in diesem Moment legten die Musikanten oben auf der Tempeltreppe eine flotte Polka hin. Inzwischen waren sie ans Stromnetz angeschlossen. Wirklich fetzig, die Jungs. Adele hüpfte auf ihrem Kalbsledersessel hoch.

      »Meine Güte«, brachte sie heraus. »Das ist ja schlimmer als Ragnarok!« Sie meinte wahrscheinlich das jährliche Rockkonzert auf Holmenkollen – oder redete sie wirklich von der Götterdämmerung, was weiß ich?

      Jedenfalls war auf dem Festland der Bär los, und ich mußte mich breitbeinig hinstellen, um die ganze Folklore mitzubekommen. Die drei Martinis führten dazu, daß ich alles erlebte wie einen amerikanischen Musicalfilm in den knallenden Farben der fünfziger Jahre, was die Qualität dieses sinnlichen Genusses aber nicht minderte. Es sah einfach stark aus! Oben auf der Terrasse und auf den Plateaus und den Balustraden wimmelte es nur so von tanzenden, wirbelnden Paaren, und Silberschmuck und Spangen funkelten so sehr, daß ich mich auf ein Volkstanzfest in Delphi halluzinierte – obwohl unser Tempel an diesem Abend das Orakel völlig in den Schatten stellte. Niemals haben sich so viele mit so wenig Promille so amüsiert.

      »Aber das ist doch geradezu vulgär!« schrie mir plötzlich Adele ins Ohr. Sie hielt sich krampfhaft an der Reling aus - mindestens - achtzehnkarätigem Gold fest.

      »Das ist das ärgste Sammelsurium von Stilarten und Kulturen und Traditionen, das ich jemals erlebt habe! Das ist ja direkt lächerlich!«

      Vielleicht hatte sie wie ihre unechte Zwillingsschwester Kunstgeschichte studiert, aber ich fand es taktlos, sie danach zu fragen, und so versuchte ich, ihr klarzumachen, daß sie doch einfach den Film genießen sollte, wo sie nun schon einmal im Kino war. Unglaublicherweise verstand sie genau, was ich meinte, und sofort begann sie unseren gemeinsamen kulturellen Beitrag zum Fest mit einem albernen Backfischlachen, von dem ich sofort angesteckt wurde. Und wir kakelten, was das Zeug hielt.

      Auf diese Weise fand ich eine Busenfreundin vom Holmenkollåsen, die ich zwei geschlagene Stunden und bedeutend mehr und steifere Gin-Tonics lang behalten durfte. Ich glaube nicht, daß Adele enge Freundinnen hatte, denn die Arme hatte einiges auf dem Herzen. Sie vertraute mir so viele Seltsamkeiten an, daß ich bestimmt von Holmenkollens Freunden und den Freimaurertöchtern wegen Verleumdung und übler Nachrede vor Gericht gezerrt würde, wenn ich etwas davon verriete. Und dazu habe ich wirklich keine Zeit. Ich hoffe nur, das wird mir verziehen.

      Wir vergaßen Zeit und Ort und andere weltliche Dinge wie zum Beispiel Essen. Ich habe nie erfahren, wie die sympathischen Schafe geschmeckt haben. Aber dann wurde ich von anderen lebhaften Klängen in die Wirklichkeit zurückgezwungen. Sie spielten »Zorba«, und ich wollte sehen, was da oben auf dem Hochzeitskuchen ablief. Und richtig: Die Herren Parteispitzen hatten sich, mit Kyrre in der Mitte, in einer demokratisch zentralisierten Reihe aufgestellt und gaben vor, griechischen Volkstanz mit derselben Eleganz zu beherrschen, mit der ihre Untergebenen Mingvasen durch die Luft schweben ließen.

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