Ein unerwartetes Geständnis. Christa Wagner

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Ein unerwartetes Geständnis - Christa Wagner

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stehen, zündete sich eine Zigarette an und nahm einen tiefen Zug. »Fritz ist dir nicht sympathisch, das spüre ich. Immer, wenn er neuen Leuten begegnet, will er Eindruck machen und redet zu viel. Du darfst ihm das nicht übelnehmen, Bärbel, denn im Grunde ist er ein feiner Kerl.« Sie lächelte etwas unsicher zu mir herüber.

      Ich nickte und versicherte ihr, dass es zwischen Fritz und mir keine Probleme gebe.

      Damit war das Thema erledigt, und sie erzählte befreit vom gestrigen Abend mit Fritz im Kino und anschließend bei ihr zu Hause. War Fritz noch da gewesen, als ich von der Arbeit nach Hause kam? Ich hatte ihn weder gehört noch gesehen, aber ich war ja müde gewesen und sofort eingeschlafen. Der Gedanke jedoch, ihm vielleicht einmal in Zukunft beim Gang zur Toilette im dunklen Flur begegnen zu können, beunruhigte mich.

      Von der Festung bot sich ein herrlicher Blick auf die Stadt, die Umgebung und den Main direkt unter uns. Ich konnte mich kaum sattsehen, und meine Tante erklärte mir, wo was lag und wohin wir an unseren gemeinsamen freien Tagen noch hinwandern könnten.

      Alice hatte keine Lust, das Mainfränkische Museum in der Burg zu besuchen, auf das ich mich eigentlich gefreut hatte. Sie wollte lieber an der Alten Mainbrücke einen Schoppen auf einer Terrasse in der Sonne trinken, einen Erholungsschlaf halten und den restlichen Tag zu Hause vergammeln.

      Ich bekundete Zustimmung, nahm mir jedoch vor, später einmal allein in dieses Museum zu gehen. Im Stadtführer war von herausragenden Kunstwerken die Rede, die ich mir auf keinen Fall entgehen lassen wollte.

      Mit meinen Eltern hatten wir vereinbart, dass sie mich an den Wochenenden, an denen ich nicht zu ihnen ins Dorf heimkam, zu einer bestimmten Zeit sonntags anrufen konnten. Meine Tante hatte bereits Telefon, die Eltern jedoch noch nicht, und so musste Mutter, um mit mir reden zu können, zum öffentlichen Fernsprechhäuschen gehen.

      Mutter war pünktlich. Als das Telefon läutete, nahm Alice ab und reichte mir nach ein paar Höflichkeitsfloskeln den Hörer. Mutters Stimme klang ungewohnt, ich hatte sie noch nie am Telefon sprechen hören. Sie redete lauter als sonst, hatte wohl Angst, von mir auf diese große Entfernung nicht verstanden zu werden. Wir versicherten einander in wenigen Sätzen, dass es uns gutginge. Von der Arbeit schwärmte ich ihr regelrecht vor. Mit dem Versprechen, nächstes Wochenende zu Hause ausführlich zu erzählen, beendeten wir das knappe Gespräch. Telefonieren war schließlich teuer. Und meine Mutter war es gewohnt, jeden Pfennig umzudrehen.

      Die nächsten Wochen in Würzburg waren unbeschwert, auch der Besuch zu Hause gestaltete sich harmonisch.

      Ich hatte das Gefühl, jetzt im Spätherbst kamen die Eltern ganz gut ohne mich klar. Jedenfalls schmierten sie mir nicht aufs Butterbrot, was für ein Opfer es sei, auf meine Arbeitskraft einige Monate verzichten zu müssen.

      Erwartungsfroh fuhr ich wieder nach Würzburg zurück.

      Aber in der darauffolgenden Woche geschah etwas, meine liebe Simone, das mich völlig aus dem Gleichgewicht brachte.

      Das Gesicht von Mutter Bärbel umspielte ein geheimnisvolles Lächeln.

       6

      Eines Abends, es muss Ende Oktober 1966 gewesen sein, grinste Fritz mich, kurz bevor wir das Lokal aufsperrten, wieder einmal schmierig an.

      »Heut’ haben Amis einen deiner Tische reserviert. Zehn Personen. Glück für dich. Wenn so ein blondes, fesches Fräulein ihnen schöne Augen macht, sprudelt das Trinkgeld. Davon kann unsereins nur träumen.«

      »Ich mache niemandem schöne Augen, damit du es weißt! Und jetzt lass mich in Ruhe!«

      »Mir kannst du nichts weismachen. Ich kenn mich mit Frauen aus.« Sein schepperndes Lachen folgte mir wie eine Schleppe durch den Raum.

      Ich war froh, als die ersten Gäste hereindrängten und ich gut zu tun hatte. Für mich war es das Natürlichste der Welt, nett und freundlich zu sein. Das hatte nichts mit Anbiederung zu tun. Ich konnte gar nicht anders. Klar machte sich das auch beim Trinkgeld bemerkbar. Jeder konnte nach der Abrechnung seinen Teil selbst behalten. Wir verglichen nie direkt, aber ich war mir sicher, dass meines als angelernte Kraft den Vergleich zu manch ausgebildetem Kellner, wie zum Beispiel Fritz, nicht zu scheuen brauchte. Das gab mir eine gewisse Genugtuung.

      Laut plaudernd kamen jetzt die Amerikaner herein und nahmen Platz.

      Aufgeregt brachte ich ihnen die Karten. »Hello! Sorry, I … no English!«

      Zu meinem Bedauern hatten wir es in der Volksschule nicht gelernt. Ich kam mir vor wie ein Dorftrampel.

      Gott sei Dank waren es freundliche junge Männer, auch zwei Farbige waren dabei. Als ob er etwas von meiner Unsicherheit ahnen würde, lächelte mich einer der Dunkelhäutigen an und sagte: »Guten Abend, Fräulein. Mein Name ist Simon. Ich kann etwas Deutsch sprechen.«

      Sein Akzent war unverkennbar amerikanisch, die Stimme klang wunderbar weich.

      Erleichtert lächelte ich zurück. Die Bestellungen waren also kein Problem mehr. Besonders bei den verschiedenen Schoppen oder wenn einer bei den Speisen eine andere Zutat wollte, war es eine Riesenhilfe, einen Dolmetscher zu haben. Und einen so sympathischen dazu.

      In der von gedimmten Lampen und einigen Tischkerzen mäßig beschienenen Weinstube strahlte das Weiße seiner Augen, und wenn er redete und lächelte, hellten seine blendend weißen Zähne das dunkle Gesicht auf, als würde eine Kerze von innen seinen Kopf erleuchten.

      Jedes Mal, wenn ich etwas brachte, bedankte er sich in seinem lustigen Akzent, und ich konnte vor lauter Faszination kaum die Augen abwenden. Damals hatten wir noch nicht viele dunkelhäutige Leute gesehen.

      An der Theke raunte Fritz mir zu: »Pass auf, der Schwarze hat ein Auge auf dich geworfen!«

      »Du spinnst wohl!« Ich spuckte die Worte nur so aus, würdigte ihn keines Blickes und eilte mit meinem Tablett davon.

      Der Abend verging wie im Flug. Als die Amerikaner zahlen wollten, verlangten sie nur eine einzige Rechnung. Wie bequem für mich. Jeder legte seinen Teil auf den Tisch. Simon kontrollierte und zahlte. Er ließ ein hohes Trinkgeld liegen. »Für die sehr nette und aufmerksame Bedienung. Danke, Fräulein!«

      Mir wurde warm. »Danke auch!«, hauchte ich.

      Er stand auf, schlank und hochgewachsen, mehr als einen halben Kopf größer als ich, und streckte mir seine Hand entgegen. Mir ist noch heute vor Augen, wie seine große dunkle meine kleine bleiche Hand fast völlig umschloss. Der Händedruck war fest und warm.

      Ganz sicher konnten diese Finger zärtlich sein. Ein Gedankenblitz, ungewollt, unangemessen. Sofort zog ich meine Hand zurück, drehte Simon den Rücken zu und stellte die leeren Gläser aufs Tablett.

      Die Amerikaner gingen zur Garderobe, zogen ihre Jacken an und verließen die Weinstube.

      Simon machte kurz vor der Tür abrupt kehrt und kam noch einmal zu dem Tisch, an dem ich gerade mit den Gläsern hantierte. Er zeigte mir sein blendendes Lächeln und fragte mit weicher Stimme: »Würden Sie mir verraten, wie Sie heißen, mein Fräulein?«

      Mir schlug vor Freude das Herz schneller, ich musste es ihm einfach sagen.

      »Bärbel«,

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