Ein unerwartetes Geständnis. Christa Wagner

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Ein unerwartetes Geständnis - Christa Wagner

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bald, Fräulein Bärbel!«

      Ich konnte gar nicht anders, als vor mich hin zu lächeln, als ich zur Theke zurückeilte.

      Fritz polierte gerade Gläser. »Oh, oh, oh. Das war ja ein heißer Flirt, Kleine! Und das mit einem Neger!« Er neigte sich zu mir herüber und senkte seine Stimme: »Dabei hast du doch Besseres verdient!« Dann lachte er heiser.

      Aber selbst Fritz’ Anzüglichkeiten konnten mir meine Freude an diesem Abend nicht trüben.

      Auf dem Nachhauseweg flüsterte ich seinen Namen vor mich hin. »Saimen!« Wie melodisch und verheißungsvoll das klang!

      »Saimen.«

      Damals war mein Englisch so dürftig, dass ich keine Verbindung zum deutschen Vornamen »Simon« erkannte.

      Beim Einschlafen sah ich noch einmal Simons Augen blitzen und sein Lächeln aufleuchten, lauschte seiner weichen Stimme nach und spürte wieder mit heißem Prickeln, wie seine Hand die meine umschloss. Schwarz und weiß. Was für ein erregendes Duo! Meine Fantasie ging mit mir durch. Simon kam voller Sehnsucht auf mich zu und schloss mich zärtlich in die Arme wie ein Märchenprinz seine Prinzessin.

      Bärbels Stimme war beim Erzählen immer leiser geworden. Jetzt schloss sie die Augen und lächelte selig vor sich hin.

      Simone musste grinsen. »Jetzt fehlt nur noch das weiße Pferd, auf dem dein schwarzer Märchenprinz dahergeritten kommt, seine Prinzessin Bärbel zu sich auf den Sattel zieht und mit ihr heim in sein Königreich galoppiert.«

      »Du machst dich über die Schwärmereien einer alten Frau lustig.« Sie lächelte Simone nachsichtig an. »Kann ich verstehen. Jetzt bin ich müde, werde etwas schlafen. Am Nachmittag kann ich dir dann weitererzählen.«

      Nach dem langen Sitzen am Bett ihrer Mutter kribbelte es in Simones Beinen. Ihr Bewegungsdrang verlangte nach einem flotten Spaziergang. Glücklicherweise hatte sie Anorak und Gummistiefel dabei. Der Regen hatte inzwischen aufgehört, sogar die Sonne blitzte ab und zu zwischen den Wolken hervor und ließ für Minuten die nasse Welt glitzern. Wie schön! Simone atmete begierig die frische, klare Luft ein.

      Schnell ließ sie das Dorf hinter sich. Sie dachte noch einmal über das nach, was ihr Bärbel mitgeteilt hatte. Seltsam. Ihre Mutter hatte bisher kaum über ihre Zeit in Würzburg gesprochen. Sie hatte bei seltenen Nachfragen immer so getan, als wären die paar Monate dort nicht so wichtig, nicht wert gewesen, groß darüber zu reden.

      Und jetzt, kurz vor ihrem Tod, schilderte sie ihre Jungmädchenerlebnisse in Würzburg in einer epischen Breite, die ihnen ein ungewöhnliches Gewicht gaben. Nach Jahrzehnten in der Eintönigkeit des Dorflebens mussten ihr die aufregenden Monate in der Stadt, die Kino- und Theaterbesuche, die harmlosen Nachstellungen von Fritz, der Umgang mit den Gästen und sogar mal ein kleiner Flirt mit einem Farbigen wie tolle Ereignisse vorgekommen sein, die es einfach wert waren, ihrer Tochter noch einmal zu schildern.

      Ist in Ordnung, Mama, dachte Simone. Ich kann mir alles gut vorstellen und langweile mich nicht. Gott weiß, ob ich noch einmal die Gelegenheit erhalte, so viel von dir zu hören.

      Da war sie wieder, die bittere Realität. Simone musste schlucken. Sie bedeckte ihr Gesicht mit den Händen. Dann riss sie sich von der bleiernen Lähmung des trüben Gedankens los und trat absichtlich in die Pfützen, wie sie es als Kind mit großem Vergnügen getan hatte.

      Das Wasser spritzte hoch.

      Noch einmal wild gestampft. Was für eine Befreiung!

      Etwas verschwitzt, aber mit leichterem Kopf kehrte sie in ihr Elternhaus zurück.

      Nach ihrem Mittagsschlaf sah Bärbel erholter aus, sogar ihre Wangen hatten etwas Farbe angenommen.

      Sie war begierig danach weiterzuerzählen.

       7

      Eines Abends, es war schon etwas später, und die Weinstube bereits halb leer, betrat Simon das Lokal. Ich stand gerade an der Theke und bemerkte ihn sofort. Er war allein und in Zivil, schaute sich suchend um.

      Wie groß er war! Was für breite Schultern er hatte!

      Mein Herz klopfte schneller.

      Als er mich erkannte, erhellte sein blendend weißes Lächeln das dunkle Gesicht.

      Ich deutete auf einen leeren kleinen Tisch, der zu meinem Bereich gehörte, und Simon nahm Platz. Er drehte die Getränkekarte in seiner Hand hin und her. »Guten Abend, Fräulein Bärbel, ich freue mich sehr, Sie wiederzusehen.«

      »Guten Abend, Simon. Ich freue mich auch.«

      Mein Gesicht wurde heiß, auch das noch, es verfärbte sich dann rot, das wusste ich aus Erfahrung, und verriet meine Aufregung.

      Er bestellte den gleichen Schoppen Wein wie beim letzten Mal.

      Fritz hatte von der Theke die Szene bereits beobachtet und raunte mir zu: »Dein Verehrer ist wieder da. Diesmal allein. Das wird gefährlich. Oh, oh, oh Bärbelchen!« Er grinste und verdrehte die Augen.

      Als ich Simon den Schoppen mit dem üblichen »Wohl bekomm’s!« servierte, fragte er mich, wann mein Dienst zu Ende sei. Er wolle auf mich warten.

      Mein Herzschlag setzte aus. Es ist genauso, wie ich es mir in meinen Tagträumen gewünscht habe, schoss es mir durch den Kopf, war aber völlig unmöglich. Er konnte niemals hier auf mich warten. Fritz würde sich das Maul über mich zerreißen, auch Frau Hartmann wäre das sicher nicht recht.

      Unauffällig raunte ich ihm zu: »Bin zwar schon in etwa einer Stunde fertig, aber hier können Sie nicht …« Verstohlen sah ich mich um. Wir redeten schon auffällig lange miteinander.

      Simon begriff sofort.

      »Ich halte mich so lange auf im Olim schräg gegenüber. Bitte kommen Sie!«

      Ich nickte kurz und wandte mich den anderen Gästen zu.

      Aus den Augenwinkeln beobachtete ich, wie Simon langsam seinen Schoppen trank und mich dann zum Zahlen herbeiwinkte. »Bis gleich! Versprochen?«

      »Versprochen!«, bekräftigte ich und sah ihn an.

      Er lächelte und verließ mit einem lauten »Gute Nacht!« den Raum.

      Bald danach schlossen wir das Lokal und räumten auf.

      Als die Kollegen sich wieder mit Frau Hartmann zu einem »Absacker« an den runden Tisch setzten, gab ich Müdigkeit vor. Es wäre wahrscheinlich nicht groß aufgefallen, weil nicht immer alle zusammensaßen, sondern der ein oder andere immer mal wieder gleich nach Hause ging, wenn Fritz nicht gedröhnt hätte: »Na, Bärbelchen, noch ein kleines Rendezvous?«

      Ich winkte ab, auch die anderen schüttelten genervt den Kopf. Dann trat ich hinaus ins Freie.

      Die kalte Luft prickelte auf meinem heißen Gesicht. Ich blieb stehen und atmete tief durch. Das Olim war eine Kellermusikkneipe kaum hundert Meter entfernt.

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