Die Eroberung von Plassans. Emile Zola
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Читать онлайн книгу Die Eroberung von Plassans - Emile Zola страница 11
Der Abbé hatte die Augen niedergeschlagen und wartete auf die Fortsetzung; als der andere dann schwieg, öffnete er sie wieder und sah zu, wie sich die Gesellschaft nebenan unter den Bäumen rings um den runden Tisch niederließ.
Mouret nahm seine Erklärungen wieder auf:
„Sie werden dort bis zum Abendessen bleiben, um die kühle Luft zu genießen. Es ist jeden Dienstag dasselbe . . . Dieser Abbé Surin hat viel Erfolg. Da, er lacht schallend mit Mademoiselle Aurélie . . . Ah! Der Generalvikar hat uns bemerkt. He? Was für Augen! Er liebt mich nicht gerade, weil ich mit einem seiner Verwandten Streit gehabt habe . . . Aber wo ist denn Abbé Bourrette? Wir haben ihn nicht gesehen, nicht wahr? Das ist sehr seltsam. Er fehlt an keinem Dienstag bei Herrn Rastoil. Er muß sich nicht wohl fühlen . . . Sie kennen ihn. Und was für ein ehrenwerter Mann! Das Roß des lieben Gottes.“
Aber Abbé Faujas hörte nicht mehr zu. Seine Blicke kreuzten sich fortwährend mit denen des Abbé Fenils. Er wandte den Kopf nicht ab, er hielt der Prüfung des Generalvikars mit vollendeter Kälte stand. Er hatte sich fester auf die Fensterbrüstung gestützt, und seine Augen schienen größer geworden zu sein.
„Da ist die Jugend“, fuhr Mouret fort, als er drei junge Leute ankommen sah. „Der Älteste ist Rastoils Sohn; er ist gerade als Rechtsanwalt zugelassen worden. Die zwei anderen sind die Kinder des Friedensrichters, die noch auf das Gymnasium gehen . . . Nanu, warum sind denn meine zwei Schlingel noch nicht nach Hause gekommen?“
Gerade in diesem Augenblick erschienen Octave und Serge auf der Terrasse. Sie lehnten sich an das Geländer und neckten Désirée, die sich eben zu ihrer Mutter gesetzt hatte. Als die Kinder ihren Vater im zweiten Stock sahen, senkten sie die Stimme und scherzten mit unterdrücktem Gelächter.
„Meine ganze kleine Familie“, murmelte Mouret selbstgefällig. „Wir, wir bleiben bei uns; wir empfangen keine Gäste. Unser Garten ist ein verschlossenes Paradies, wo es der Teufel gerne bleiben läßt, uns in Versuchung zu führen.“ Er lachte, während er dies sagte, weil er sich im Grunde weiterhin auf Kosten des Abbé lustig machte.
Dieser hatte den Blick langsam auf die Gruppe zurückgelenkt, die die Familie seines Hauswirtes genau unter dem Fenster bildete. Er verweilte dabei einen Augenblick, betrachtete den alten Garten mit den von hohem Buchsbaum umgebenen viereckigen Gemüsebeeten; dann besah er noch Herrn Rastoils anspruchsvolle Gartenwege und ging, als wolle er einen Plan der Örtlichkeiten aufnehmen, zum Garten der Unterpräfektur über. Dort gab es nur eine große Rasenfläche in der Mitte, einen weichgewellten Grasteppich; immergrüne Sträucher bildeten dichte Büsche; hohe, dichtbelaubte Kastanienbäume verwandelten dieses zwischen den benachbarten Häusern eingepferchte Stückchen Erde in einen Park.
Abbé Faujas schaute indessen nachdrücklich unter die Kastanienbäume. Er entschloß sich zu murmeln:
„Das ist sehr hübsch, diese Gärten . . . Auch in dem zur Linken sind viele Leute.“
Mouret blickte auf.
„Wie jeden Nachmittag“, sagte er gelassen. „Das sind die engsten Freunde von Herrn Péqueur des Saulaies, von unserem Unterpräfekten . . . Im Sommer kommen auch sie abends zusammen rings um das Wasserbecken, das Sie da links nicht sehen können . . . Ah! Herr de Condamin ist zurück. Dieser schöne Greis mit dem guterhaltenen Äußeren und der kräftigen Gesichtsfarbe; das ist unser Oberforstmeister, ein fideler Kerl, den man stets zu Pferde trifft, mit Handschuhen und enganliegenden Hosen. Und dabei ein Lügner! Er ist nicht aus der Gegend; vor kurzem hat er eine ganz junge Frau geheiratet . . . Kurzum, das ist glücklicherweise nicht meine Sache.“ Er senkte wieder den Kopf, als er hörte, wie Désirée, die mit Serge spielte, ihr Kleinmädchenlachen lachte.
Aber der Abbé, dessen Gesicht ein wenig Farbe bekam, brachte ihn mit einem Wort zurück:
„Ist das der Unterpräfekt?“ fragte er. „Der dicke Herr mit der weißen Krawatte?“
Diese Frage belustigte Mouret außerordentlich.
„O nein!“ antwortete er lachend. „Man sieht wohl, daß Sie Herrn Péqueur des Saulaies nicht kennen. Er ist keine vierzig Jahre alt. Er ist groß, ein hübscher Bursche, sehr vornehm . . . Dieser dicke Herr ist Doktor Porquier, der Arzt, der die bessere Gesellschaft von Plassans behandelt. Ein glücklicher Mann, versichere ich Ihnen. Er hat nur einen Kummer, seinen Sohn Guillaume . . . Jetzt sehen Sie die beiden Leute, die auf der Bank sitzen und uns den Rücken zukehren. Das ist Herr Paloque, der Richter, und seine Frau. Das häßlichste Ehepaar der ganzen Gegend. Man weiß nicht, wer scheußlicher ist, die Frau oder der Mann. Zum Glück haben sie keine Kinder.“ Und Mouret begann lauter zu lachen. Er geriet in Hitze, ereiferte sich und schlug mit der Hand auf die Fensterbrüstung. „Nein“, begann er wieder und wies mit je einer Kopfbewegung auf den Garten der Rastoils und den Garten der Unterpräfektur, „ich kann diese beiden Gesellschaften nicht ansehen, ohne daß mich das vergnügt macht . . . Sie befassen sich nicht mit Politik, Herr Abbé, sonst würde ich Sie schon zum Lachen bringen . . . Stellen Sie sich vor, daß ich, zu Recht oder Unrecht, als ein Republikaner gelte. Ich komme wegen meiner Geschäfte viel durch das Land; ich bin ein Freund der Bauern; man hat sogar davon gesprochen, mich für den Generalrat zu nominieren; kurzum, mein Name ist bekannt . . . Nun ja! Ich habe hier rechts bei den Rastoils die Blüte der Legitimität und dort links beim Unterpräfekten die großen Tiere des Kaiserreichs. Na! Ist das drollig genug? Mein armer alter Garten, der so ruhig ist, mein kleines Fleckchen Glück zwischen diesen beiden feindlichen Lagern. Ich habe immer Angst, daß sie sich über meine Mauern hinweg mit Steinen bewerfen . . . Sie verstehen, ihre Steine könnten in meinen Garten fallen.“ Dieser Scherz entzückte Mouret vollends. Er rückte näher an den Abbé heran und sah dabei aus wie eine Klatschbase, die lang und breit was erzählen will.
„Plassans ist vom politischen Gesichtspunkt aus sehr merkwürdig. Der Staatsstreich ist hier geglückt, weil die Stadt konservativ ist. Vor allem aber ist sie legitimistisch und orléanistisch, und zwar so sehr, daß sie vom ersten Tag des Kaiserreiches an Vorschriften machen wollte. Da man nicht auf sie gehört hat, ist sie böse geworden und zur Opposition übergegangen. Ja, Herr Abbé, zur Opposition. Letztes Jahr haben wir Marquis de Lagrifoul als Abgeordneten aufgestellt, einen alten Edelmann mit mittelmäßigem Verstand, dessen Wahl die Unterpräfektur aber hübsch verdrossen hat . . . Und schauen Sie, da ist er, Herr Péqueur des Saulaies, er ist mit dem Bürgermeister, mit Herrn Delangre, zusammen.“
Der Abbé blickte rasch hinüber. Der Unterpräfekt, der sehr brünett war, lächelte unter seinem gewichsten Schnurrbart; er war von untadeliger Korrektheit; sein Benehmen glich dem eines schönen Offiziers und liebenswürdigen Diplomaten. Neben ihm führte der Bürgermeister mit einem wahren Fieber von Gebärden und Reden das große Wort. Er wirkte klein, hatte breite Schultern, eine durchfurchte Larve und hatte Neigung zu einem Hanswurst. Er sprach sicher zuviel.
„Herr Péqueur des Saulaies“, fuhr Mouret fort, „wäre darüber beinahe krank geworden. Er glaubte die Wahl des offiziellen Kandidaten gesichert . . . Ich habe mich ergötzt. Am Abend nach der Wahl ist der Garten der Unterpräfektur schwarz und unheimlich wie ein Friedhof geblieben, während bei den Rastoils Kerzen unter den Bäumen brannten und Gelächter und ein richtiger Siegesspektakel herrschte. Auf der Straße läßt man sich nichts anmerken; in den Gärten hingegen tut man sich keinen Zwang an, schüttet man sein Herz aus . . . Sie sehen, ich bin bei sonderbaren Dingen zugegen, ohne irgend etwas zu sagen.“ Er hielt einen Augenblick inne, als wolle er nicht weitererzählen, aber seine Redseligkeit war zu groß. „Jetzt frage ich mich“, begann er wieder, „was sie in der Unterpräfektur machen werden. Ihr Kandidat kommt nie mehr durch. Sie kennen die Gegend nicht, sie sind nicht sehr beschlagen. Man hat mir versichert, daß Herr Péqueur des Saulaies