Die Eroberung von Plassans. Emile Zola

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Die Eroberung von Plassans - Emile Zola

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sie ersinnen, sie werden auf die eine oder andere Weise versuchen, Plassans zu erobern.“ Er blickte zum Abbé hoch, zu dem er seit einer Weile nicht mehr hingeschaut hatte. Als er des Priesters aufmerksames Gesicht mit den leuchtenden Augen und den gleichsam weiter gewordenen Ohren sah, hielt er mit einemmal inne. Seine ganze Vorsicht, die Vorsicht eines friedlichen Bürgers, erwachte; er spürte, daß er soeben viel zuviel gesagt hatte. Deshalb murmelte er mit verärgerter Stimme: „Schließlich weiß ich nichts. Es werden so viele lächerliche Sachen herumerzählt . . . Ich verlange lediglich, daß man mich zu Hause ruhig leben läßt.“

      Er wäre gern vom Fenster weggegangen, aber er wagte nicht, jäh davonzugehen, nachdem er so vertraulich geschwatzt hatte. Er begann zu ahnen: falls einer von beiden sich über den anderen lustig gemacht, so hatte er gewiß keine günstige Rolle gespielt.

      Mit seiner großen Ruhe blickte der Abbé weiterhin nach rechts und nach links in die beiden Gärten. Er unternahm nicht den mindesten Versuch, Mouret zum Weitersprechen zu ermuntern. Dieser wünschte voller Ungeduld, daß seine Frau oder eines seiner Kinder auf den guten Einfall käme, ihn zu rufen, und er war erleichtert, als er Rose auf der Freitreppe auftauchen sah. Sie blickte hoch.

      „Nun, mein Herr!“ rief sie. „Wird es denn heute nichts? — Das Essen steht seit einer Viertelstunde auf dem Tisch.“

      „Gut, Rose! Ich komme runter“, antwortete er. Er ging vom Fenster weg und entschuldigte sich. Die Kälte des Zimmers, das er hinter sich vergessen hatte, verwirrte ihn vollends. Es kam ihm wie ein großer Beichtstuhl vor mit seiner schrecklichen schwarzen Christusfigur, die alles gehört haben mußte. Als sich Abbé Faujas mit einem kurzen stummen Gruß von ihm verabschiedete, konnte er diesen jähen Abbruch der Unterhaltung nicht ertragen; er kam zurück und blickte zur Decke hoch.

      „Es ist dann also in dieser Ecke da?“ sagte er.

      „Was denn?“ fragte der Abbé sehr überrascht.

      „Der Fleck, über den Sie mit mir gesprochen haben.“

      Der Priester konnte ein Lächeln nicht verbergen. Abermals bemühte er sich, Mouret den Fleck zu zeigen.

      „Oh! Jetzt gewahre ich ihn sehr gut“, sagte dieser. „Abgemacht, gleich morgen lasse ich die Arbeiter kommen.“

      Er ging endlich hinaus. Er war noch auf dem Treppenabsatz, als sich die Tür hinter ihm geräuschlos wieder geschlossen hatte. Die Stille des Treppenhauses brachte ihn sehr in Harnisch. Er ging hinunter und murmelte dabei:

      „Dieser Teufelsmensch! Er fragt nichts, und man sagt ihm alles.“

      KAPITEL V

      Am folgenden Tag kam die alte Frau Rougon, Marthes Mutter, die Mourets besuchen. Das war dort ein ganz großes Ereignis, denn es bestand eine kleine Mißhelligkeit zwischen dem Schwiegersohn und den Eltern seiner Frau, vor allem seit der Wahl des Marquis de Lagrifoul, den jene beschuldigten, durch Mourets Einfluß auf dem Lande zum Erfolg gekommen zu sein. Marthe ging allein zu ihren Eltern. Ihre Mutter, „dieser Schwarzkopf Félicité“, wie man sie nannte, war mit ihren sechsundsechzig Jahren noch von jungmädchenhafter Magerkeit und Lebhaftigkeit. Sie trug stets mit Rüschen überladene Seidenkleider und hatte Gelb und Kastanienbraun besonders gern.

      Als sie sich an jenem Tag einstellte, waren nur Marthe und Mouret im Wohnzimmer.

      „Sieh mal an!“ sagte Mouret sehr überrascht. „Da ist deine Mutter . . . Was will sie denn bei uns? Es ist noch keinen Monat her, daß sie hier war . . . Da steckt doch sicher wieder irgendwas dahinter.“

      Die Rougons, deren Kommis er vor seiner Heirat gewesen war, als ihr enger Laden im alten Stadtviertel nach Bankrott roch, waren Gegenstand seines ewigen Mißtrauens. Sie vergalten es ihm übrigens mit einem starken und tiefen Groll, verabscheuten in ihm vor allem den Kaufmann, der rasch gute Geschäfte gemacht hatte.

      Wenn ihr Schwiegersohn sagte: „Ich verdanke mein Vermögen nur meiner Arbeit“, kniffen sie die Lippen zusammen; sie begriffen vollkommen, daß er sie beschuldigte, ihr Vermögen durch dunkle Machenschaften erworben zu haben. Trotz ihres schönen Hauses am Place de la Sous-Préfecture war Félicité mit der wilden Eifersucht einer alten Händlerin, die ihre Wohlhabenheit nicht dem verdankt, was sie am Ladentisch erspart hat, insgeheim neidisch auf die kleine ruhige Wohnung der Mourets.

      Félicité küßte Marthe auf die Stirn, als sei ihre Tochter noch immer sechzehn Jahre alt. Dann reichte sie Mouret die Hand. Beide unterhielten sich für gewöhnlich in einem süßsauren, spöttischen Ton.

      „Nun!“ fragte sie lächelnd. „Sind die Gendarmen also noch nicht gekommen, um Sie abzuholen, Sie Aufrührer?“

      „Aber nein, noch nicht“, antwortete er ebenfalls lachend. „Sie warten darauf, daß Ihr Gatte ihnen Befehle erteilt.“

      „Oh! Das ist sehr hübsch, was Sie da sagen“, entgegnete Félicité, deren Augen flammten.

      Marthe richtete einen flehenden Blick auf Mouret; er war soeben wirklich zu weit gegangen. Aber er war in Schwung gebracht, er fuhr fort:

      „Wir sind wirklich unaufmerksam; wir empfangen Sie hier im Wohnzimmer. Ich bitte Sie, gehen wir in den Salon hinüber:“ Das war einer seiner üblichen Scherze. Er ahmte Félicités großartiges Gehabe nach, wenn er sie bei sich empfing. Marthe mochte ruhig sagen, daß man sich hier wohl fühle, sie und ihre Mutter mußten ihm in den Salon folgen. Und dort gab er sich viel Mühe, öffnete die Fensterläden, schob die Sessel zurecht. Der Salon, den man nie betrat und dessen Fenster meistens geschlossen blieben, war ein großes verlassenes Zimmer, in dem Möbel mit weißen, von der Feuchtigkeit des Gartens angegilbten Überzügen herumstanden.

      „Es ist unerträglich“, murmelte Mouret und wischte den Staub von einer kleinen Konsole, „Rose vernachlässigt alles.“ Und sich zu seiner Schwiegermutter umwendend, fügte er mit einer Stimme, in der die Ironie durchbrach, hinzu: „Entschuldigen Sie, daß wir Sie so in unserer armseligen Bleibe empfangen . . . Es kann nicht jedermann reich sein.“

      Félicité blieb die Luft weg. Sie starrte Mouret einen Augenblick an, war drauf und dran loszuplatzen. Sich dann einen Ruck gebend, senkte sie die Lider; als sie sie wieder aufschlug, sagte sie mit liebenswürdiger Stimme:

      „Ich habe eben Madame de Condamin guten Tag gewünscht und bin hereingekommen, um zu hören, wie es der kleinen Familie geht . . . Die Kinder befinden sich wohlauf, nicht wahr? Und Sie auch, mein lieber Mouret?“

      „Ja, alle befinden sich vortrefflich“, antwortete er, verwundert über diese große Liebenswürdigkeit.

      Aber die alte Dame ließ ihm keine Zeit, in die Unterhaltung wieder einen feindseligen Ton zu bringen. Sie fragte Marthe zärtlich nach einer Menge Nichtigkeiten, gab sich als gute Großmama und schalt ihren Schwiegersohn, daß er „die Kleinen und die Kleine“ nicht öfter zu ihr schicke. Sie sei so glücklich, sie zu sehen!

      „Ach! Wißt ihr“, sagte sie schließlich nachlässig, „jetzt haben wir Oktober; ich werde meine Empfangstage wiederaufnehmen, donnerstags wie in den anderen Jahren . . . Ich rechne auf dich, nicht wahr, meine liebe Marthe? — Und Sie, Mouret, wird man Sie nicht manchmal sehen, schmollen Sie uns noch immer?“ Mouret, den das rührselige Geschwätz seiner Schwiegermutter schließlich verwirrte, wußte für einen Augenblick keine schlagfertige Antwort. Auf diesen Hieb war er nicht gefaßt, ihm fiel nichts Boshaftes ein, und er begnügte sich zu antworten:

      „Sie wissen sehr wohl, daß ich nicht zu Ihnen kommen kann . . . Sie empfangen

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