Rosenhain & Dschinnistan. Christoph Martin Wieland

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Rosenhain & Dschinnistan - Christoph Martin Wieland

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Heuraten vergehen machen?«

      »Auch Terpsion steht unter Dämonassens und ihrer Göttin Schutz«, versetzte der Schwarzkünstler, »und ich wollte dir nicht raten, dich an ihm zu vergreifen. Mit List werden wir weiterkommen.«

      »Wenn wir nicht selbst überlistet werden«, sagte Phöbidas; »die heilige Priesterin ist eine verschmitzte Person, das kannst du mir auf mein Wort glauben.«

      »Höre mich nur an und tue dann, was du willst. Ich habe ausfindig gemacht, daß die ganze Sicherheit des Mädchens auf einem Ringe beruht, der alle Zauberei an ihr unkräftig macht. Sie trägt ihn am kleinen Finger der rechten Hand, und sie ist dein, sobald du ein Mittel findest, dich des Rings zu bemächtigen.«

      »Es wird schwerhalten, ihr so nahe zu kommen«, sagte Phöbidas; »wenn du nicht glücklicher im Erfinden bist als ich...«

      »So höre nur! das Mittel ist bereits gefunden. Morgen abends wird Dämonassens Geburtsfest von allen dazu eingeladenen jungen Dirnen der Gegend mit Tänzen und Spielen gefeiert werden. Ich gebe dir, wenn du es zufrieden bist, die Gestalt eines hübschen delphischen Mädchens und begleite dich in Gestalt ihrer Mutter. Es wird dann deine Sache sein, dich so artig gegen Daphnidion zu benehmen, daß sie dir gut wird und dich in den Reihentänzen, einmal wenigstens, zu ihrer Mittänzerin wählt. Daß ein Mädchen ein anderes in einer Anwandlung von Zärtlichkeit umarmt, ist nichts so Ungewöhnliches, daß Daphnidion, wenn sie in einem schicklichen Augenblick einen solchen Beweis ihrer Liebenswürdigkeit von dir erhält, sich dadurch befremdet finden könnte. Im Gegenteil, sie wird deine Umarmung erwidern, und ich müßte dir wenig Gewandtheit zutrauen, wenn du dich bei dieser Gelegenheit des Rings, den sie am kleinen Finger der rechten Hand trägt, nicht solltest bemächtigen können. Von dem Augenblick an, da dies geschieht, ist sie in deiner Gewalt, und sowie du die drei magischen Worte Axia tuxil naxum aussprichst, wirst du mit ihr emporgehoben und in einer verbergenden Wolke pfeilschnell durch die Lüfte in meine Wohnung auf der Spitze des Öta getragen werden.«

      »Kann man sich darauf verlassen, alter Eisbart, daß alles so erfolgen wird?« fragte Phöbidas mit einer angenommenen ungläubigen Miene.

      »Wenn du alles, was ich gesagt habe, genau beobachtest, nichts durch deine eigene Schuld verderbst und vornehmlich die drei mächtigen Worte Axia tuxil naxum nicht vergissest, so steh ich mit meinem Leben für den Erfolg.«

      Phöbidas wiederholte diese drei Zauberworte so oft, daß er eher seinen eigenen Namen hätte vergessen können, und wiewohl er den Freigeist hatte spielen wollen, fiel ihm doch nicht ein, sich zu verwundern, daß er drei Zauberworte, welche, ein einziges Mal ausgesprochen, ein solches Wunder wirken sollten, mehr als hundertmal hintereinander hersagen konnte, ohne daß nur ein welkes Rosenblatt davon in die Höhe stieg. Sein Glaube an Axia tuxil naxum nahm mit jedem Male, daß er diese Worte wiederholte, zu, und er konnte den Abend, da sie die reizende Daphnidion in seine Arme zaubern sollten, kaum erwarten.

      Während dieser frevelhafte Anschlag gegen die liebenswürdige Daphnidion geschmiedet wurde, machte Dämonassa die Überlegung, daß ein so verwegener und sittenloser Fürstensohn wie Phöbidas, von einem Ratgeber wie Hippalektor unterstützt, leicht auf den Einfall geraten könnte, die Gelegenheit ihres Festes auf die eine oder andere Art zu seinen Absichten zu benutzen; und wiewohl sie sich die Mühe nicht nehmen wollte, die Art und Weise zu erraten, so deuchte ihr doch das sicherste, die Anschläge des Feindes durch eine Maßnehmung zu vereiteln, die auf alle mögliche Fälle gleich gut passe. Sie redete also, kurz zuvor, ehe die Jungfrauen sich zum Tanz versammelten, mit ihrer Nichte ab, daß sie ihre Nymphengestalt und ihren zauberlösenden Ring auf einige Stunden gegen das rotbackichte Vollmondsgesicht, die muskeligen Arme und Beine und den reichbegabten Busen einer jungen Bauerdirne, Mykale genannt, der Tochter eines ihrer Freigelaßnen, vertauschen sollte, so daß Phöbidas auf alle Fälle Mykale für Daphnidion halten, sie selbst aber in Gestalt der Mykale unter mehr als fünfzig Landmädchen keiner Aufmerksamkeit wert achten würde.

      Nach diesen auf beiden Seiten getroffnen Anstalten erwartete die schöne Daphnidion ruhig, Phöbidas mit ungeduldig klopfendem Herzen die Stunde des Festes. Sie kam, und der junge Thessalier erschien mit seiner untergeschobenen Mutter als eine schöne junge Delphierin, zierlich zum Tanz geschmückt und seine Rolle, wie er sich schmeichelte, so gut spielend, daß alle Anwesenden, Tänzerinnen und Zuschauende, dadurch getäuscht werden müßten. In der Tat war auch niemand, der den mindesten Zweifel hegte, daß er nicht Timandra, Menalippens Tochter, sei, welche den meisten Anwesenden nicht unbekannt war, da man sie vor kurzem an einem großen Feste zu Delphi im Chor der Jungfrauen, die den Päan sangen, glänzen gesehen hatte. Nur Dämonassa entdeckte den Betrug beim ersten Blick in die leichtfertigen Augen des vorgeblichen Mädchens und wurde, je länger sie dieselbe beobachtete, durch tausend kaum merkliche Kleinigkeiten, die den verkappten Zentaur verrieten, in ihrer Vermutung bestärkt.

      Phöbidas, ob er sich schon gegen die vermeinte Daphnidion sehr ehrerbietig und anständig zu betragen glaubte, konnte sich doch nicht so gut zurückhalten, daß eine andere als Mykale nicht ein wenig Argwohn hätte schöpfen mögen; aber die gute Dirne tat sich so viel auf die Person, die sie vorstellte, zugut und fühlte sich durch die ungewohnten Schmeicheleien und Liebkosungen, die ihr von der unechten Timandra gesagt und gemacht wurden, so glücklich, daß sie den von Dämonassa empfangenen Unterricht, wie sie sich zu verhalten habe, unvermerkt vergaß und in Daphnidions Gestalt so ziemlich ihre eigene Person zu spielen anfing.

      Der verkappte Phöbidas, anstatt etwas Auffallendes in ihrem Betragen zu finden, war eitel genug, alles, was einen wahren und zartfühlenden Liebhaber befremdet hätte, zu seinem Vorteil zu deuten. Die Natur, meinte er, spreche hier, und die Sympathie entwickle, durch eine geheime Ahnung der Gegenwart eines Liebhabers, Gefühle in ihr, die ihr vermutlich zu neu seien, als daß sie sich ihnen nicht ohne alles Mißtrauen überlassen sollte. Diese Gedanken und die durch den Tanz sich immer mehr belebenden und erhöhenden Reize der schönen Nymphe wirkten endlich so stark auf ihn, daß er den ersten Augenblick, wo es mit einiger Schicklichkeit geschehen konnte, ergriff und, indem er die vermeinte Daphnidion liebkosend umarmte, ihr zugleich, wiewohl mit zitternder Hand, den gefährlichen Ring vom Finger zu ziehen suchte.

      Ob die ehrliche Mykale wirklich, ohne es zu wollen und zu wissen, etwas Sympathetisches in diesem Augenblick fühlte oder ob sie nur Höflichkeit mit Höflichkeit erwidern wollte, genug, sie gab der verkappten Timandra ihre Liebkosung mit der treuherzigsten Wärme zurück; aber sobald sie merkte, daß es bloß auf den Ring, dessen Bewahrung ihr sehr ernstlich eingeschärft worden war, abgesehen sei und daß Timandra sich dessen mit Gewalt bemächtigen wolle, verwandelte sich ihre getäuschte Zärtlichkeit plötzlich in Ingrimm, und sie setzte sich so tapfer zur Wehr, daß der talismanische Stein seine Wirkung zugleich an beiden tat und, bevor Phöbidas sein Axia tuxil naxum anbringen konnte, zu größtem Erstaunen der ganzen zahlreichen Versammlung, in der schönen Timandra einen kräftigen Jüngling und in der vermeinten Daphnidion die hochgebrüstete Mykale darstellte, in einem unbegreiflichen Zweikampf begriffen, der beinahe in ebendemselben Augenblick anfing und aufhörte und den ebenso bestürzt als beschämt zurückprallenden Thessalier einem allgemeinen Gelächter preisgab.

      Aber dieses verwandelte sich, nur zu bald für ihn, in laute Ausbrüche des stärksten Unwillens; und während tausend zugleich erschallende Stimmen die Bestrafung eines so unerhörten Frevels foderten, fielen mehr als zwanzig derbe Bauermädchen über den unglücklichen, bald um Gnade bittenden, bald mit Faust und Ferse sich wehrenden Sünder her und würden ihn wahrscheinlich das klägliche Schicksal des Orpheus und Pentheus haben erfahren lassen, wenn Hippalektor (den alle seine Zauberkünste in diesem furchtbaren Augenblick im Stiche ließen) sich der Priesterin nicht zu Füßen geworfen und um Gnade für seinen Schützling und sich selbst gebeten hätte. Dämonassa war zu menschlich, um dem Gedemütigten nicht zu verzeihen. Sie gebot, von dem Jüngling abzulassen, glücklicherweise für ihn noch früh genug, daß er, einige Schrammen, Beulen und blaue Mäler und ein paar Hände voll ausgerißner Haare abgerechnet, mit allen seinen

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