Rosenhain & Dschinnistan. Christoph Martin Wieland
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»So bleibt's bei meiner ersten Wahl«, rief Phöbidas; und kaum war das letzte Wort über seine Lippen gekommen, so verbreitete sich ein lieblich dämmerndes Rosenlicht durch die Grotte, worin alles Sichtbare, sogar seine eigene Gestalt, sich aufzulösen und zu zerfließen schien; er sah nichts mehr, er hörte nichts mehr, er glaubte die Sprache verloren zu haben; aber indem er die rechte Hand ausstreckte, berührte er eine kleine niedliche lieblich-warme Hand, weicher als Schwanenflaum und sanfter als die Blätter der Sammetblume. Ein zuckender Schauer blitzte durch alle seine Nerven; er drückte seinen brennenden Mund auf die liebliche Hand, die sich nicht zurückzog. Glücklich, wenn er, wie von einem zärter fühlenden Liebhaber zu erwarten war, sich an dieser Seligkeit genügen ließ! Vielleicht würde er, zur Belohnung seiner Bescheidenheit, sie auch noch zu sehen bekommen haben. Aber die thessalischen Jünglinge jener Zeit waren nicht bescheiden genug, um so genügsam zu sein. Allmählich immer kühner und lüsterner, schlug er endlich seinen linken Arm um ihre Hüfte, und – mit einem furchtbaren Donnerschlag schwand die schöne Nymphe, wie Luft, aus seiner Umarmung dahin; er taumelte wie ein Trunkner vorwärts, seine Arme ins Leere ausstreckend; der Tag erleuchtete die Grotte wieder, und die dürre Alte saß wieder an ihrem Rocken und spann.
»Tragt ihn an seinen Ort«, sagte sie, ohne ihn anzusehen, zu zwei langöhrigen Knaben mit ungeheuren Rabenflügeln, die ihr zur Seite standen; und sie ergriffen den armen, sich vergebens sträubenden Phöbidas, und in wenig Augenblicken befand er sich wieder an demselben Platz, wo er die reizende Nymphe zuerst gesehen hatte. Verblüfft und betäubt von einem so seltsamen Abenteuer, blieb er eine gute Weile ohne Besinnung auf der Erde liegen, wo ihn die Knaben mit den langen Ohren hingelegt hatten, und als er wieder zu sich selber kam, würde er alles, was ihm begegnet war, für einen Traum gehalten haben, wäre das Bild der fliehenden Nymphe und die Erinnerung an den Augenblick, wo er sie in seinem Arm gefühlt hatte, nicht so lebendig in ihm gewesen, daß er eher an seinem eignen Dasein als an der Wahrheit dessen, was er gefühlt und gesehen, hätte zweifeln können.
Das Verlangen, die schöne Daphnidion, allen magischen Spinnerinnen zu Trotz, in seine Gewalt zu bekommen, wurde nun in kurzer Zeit so heftig, daß er bereit war, die Befriedigung desselben um jeden Preis zu erkaufen. Er bestimmte sich also, nach mehr als einem Einfall, den er als unausführlich wieder verwerfen mußte, zuletzt, als ein echter Thessalier, seine Zuflucht zur Zauberkunst zu nehmen, welche (wie jedermann weiß) von uralten Zeiten her in dieser griechischen Provinz einheimisch war. "Haben sie sich nicht", dacht er, "zauberischer Gaukeleien gegen mich bedient? Warum sollt ich Bedenken tragen, sie mit ihren eignen Waffen zu bekämpfen?"
Auf einer der Spitzen des Berges Öta wohnte damals ein Mann, der im ganzen Lande für einen großen Meister in den geheimen Wissenschaften der Magier gehalten wurde. Zu diesem öffnete er sich den Zutritt durch ein ansehnliches Geschenk, entdeckte ihm sein Anliegen und bat ihn, daß er ihm durch seine Kunst zum Besitz der widerspenstigen kleinen Daphne verhelfen möchte, bevor sie ihm etwa, wie ihre Vorfahrerin seinem Urahnherrn, den Streich spiele, sich in einen Lorbeerbaum oder in irgendeinen andern Baum oder Strauch verwandeln zu lassen.
Hippalektor (so nannte man den Schwarzkünstler) rühmte sich, vielleicht ohne Grund, im Besitz des berühmten magischen Bilderbuches zu sein, welches viele Jahrhunderte später in der Geschichte der schönen Alie und ihres Widders eine so wichtige Rolle spielt. Aber bevor man etwas gegen die kleine Daphne und ihre Beschützerinnen unternehmen konnte, mußte man wissen, wer sie wären, und Hippalektor gestand, daß es wenigstens drei Tage nötig habe, um den Schleier zu zerreißen, den die Spinnerin, welche er unter ihren beiden Gestalten nur für eine Person hielt, um sich her gewebt habe.
Phöbidas mußte sich also auf den vierten Tag vertrösten lassen und inzwischen selbst auf Mittel bedacht sein, die peinliche Ungeduld, die ihn zu so ungebührlichen Maßregeln trieb, einzuschläfern.
Während Hippalektor in seinem Bilderbuch oder (was wenigstens ebenso wahrscheinlich ist) in der Nachbarschaft des Orts, wo die Gegenstände seiner Wißbegierde wohnten, nach Aufschlüssen forschte, war Dämonassa (so hieß die weise und mächtige Beschützerin der jungen Daphnidion) nicht weniger beschäftigt, diese ihre wie ihr eigenes Kind geliebte Nichte vor den Nachstellungen des leichtsinnigen und sich alles erlaubenden jungen Zentauren zu sichern. Einige talismanische Ringe, die sie von ihrem Vater geerbt und dieser von einem persischen Weisen, welchem er zufälligerweise das Leben gerettet hatte, zum Geschenk empfangen, gaben ihr über das gemeine Zaubervolk in Thessalien eine entschiedene Obermacht; aber die Natur selbst hatte sie mit zwei angebornen Talismanen versehen, die in den meisten Fällen den Gebrauch der künstlichen unnötig machen. Diese waren ein Scharfblick, dem nichts entging, was zu sehen, und eine Besonnenheit, die immer auf der Stelle das Beste fand, was zu tun war.
Dämonassa zweifelte nicht, daß Phöbidas, gewohnt, der Befriedigung seiner Gelüste und Launen alles aufzuopfern, den kürzesten Weg einschlagen und die Zauberkünste seines Nachbars Hippalektor zu Hülfe nehmen werde, um ihre Daphnidion in seine Gewalt zu bekommen. Hätte sie darauf rechnen können, daß er sich keiner andern Mittel als der gewöhnlichen Verführungskünste gegen sie bedienen würde, so wäre sie ihrentwegen ganz ruhig gewesen; denn Daphnidion war ein verständiges Mädchen und dessen, was das Weib sich selbst schuldig ist, sich sehr lebhaft bewußt, von ihr selbst erzogen und überdies seit einiger Zeit von einem liebenswürdigen jungen Manne, dessen Gut an das ihrige grenzte, zur Ehe begehrt, dem sie wenigstens nicht abhold schien, wiewohl sie noch immer eine größere Neigung zeigte, sich nach dem Beispiel ihrer Beschützerin dem Dienst der jungfräulichen Göttin Artemis zu widmen. Eine solche Person hat von gewöhnlichen Nachstellungen nichts zu besorgen; aber hier war es nötig, sie gegen hinterlistige und gewaltsame Unternehmungen sicherzustellen.
Daphnidion hatte in dem Augenblick, da sie sich vor dem nachsetzenden Phöbidas in die Grotte flüchtete, einen Ring von Dämonassen empfangen, welcher, an der rechten Hand getragen, nichts weiter als ein unscheinbares goldnes Reifchen war, aber unsichtbar machte, sobald er an den Goldfinger der linken Hand gesteckt wurde. Itzt beschenkte Dämonassa sie noch mit einem andern, der die Tugend hatte, jedes Zaubergebilde, sobald es mit dem darein gefaßten Stein berührt wurde, in seine natürliche Gestalt zurückzuzwingen. Mit diesen beiden Ringen konnte die schöne Daphnidion allen Zauberern und Hexen in ganz Thessalien Trotz bieten; und so überließ sie sich dann auch ihren gewöhnlichen Geschäften und Ergetzungen mit der ruhigsten Unbefangenheit.
Inzwischen hatte Hippalektor sich in den Stand gesetzt, seinem edeln Schützling bei ihrer nächsten Zusammenkunft hinreichende Nachrichten von seiner Unbekannten zu erteilen. Dämonassa (die schöne Spinnerin in der parnassischen Grotte) war der letzte Sprößling eines edeln Geschlechts, welches von sehr alten Zeiten her nahe bei Delphi am Fuß des Parnassus begütert war. Sie hatte einen Teil ihres beträchtlichen Erbgutes der jungfräulichen Zwillingsschwester des delphischen Gottes geheiligt und bewohnte an der Spitze einiger der Göttin geweihter Jungfrauen die zu ihrem Tempel gehörigen Gebäude. Das benachbarte Landvolk verehrte sie als eine heilige und von der Göttin hochbegünstigte Person, die durch Dianens unmittelbaren Beistand alles vermöge. »Und in der Tat«, sagte Hippalektor, »muß sie im Besitz großer Geheimnisse sein, da sie sich, ohne zu unserm Orden zu gehören, allen Genossen der magischen Kunst furchtbar gemacht hat. Jeder Versuch, mit Gewalt etwas gegen sie auszurichten, würde vergeblich sein.«
»Das gibt schlechte Aussichten«, sagte Phöbidas. »Aber in welchem Verhältnis steht meine Daphnidion mit dieser furchtbaren Dianenpriesterin? Sollte vielleicht der delphische Gott oder einer seiner Priester in seinem Namen...?«
»Es fehlt nicht an Beispielen, eine solche Vermutung zu rechtfertigen«, erwiderte Hippalektor; »aber Daphnidion ist wirklich die Tochter einer schon lange verstorbenen Schwester Dämonassens und zur Erbin der andern Hälfte ihres Vermögens von ihr bestimmt, wofern sie sich entschließt, die Gattin eines gewissen Terpsion zu werden, dessen Güter an die ihrigen stoßen und der in der Tat für einen Landmann liebenswürdig genug ist.«
»Ich