Beim nächsten Mann bleib ich solo. Hella Heller

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Beim nächsten Mann bleib ich solo - Hella Heller

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zu weit geraten. Denn als ich die Hand wieder sinken lasse, rutscht er mir vom Finger und schwupp, springt das Mistding davon.

      Williams Blick treibt mir den Angstschweiß auf die Stirn. Entschlossen werfe ich mich auf die Knie und durchwühle den kenianischen Straßenstaub nach der Preziose. Die Paparazzi, diese Aasgeier, knipsen wie blöd, wie ich im Dreck umherkrieche …

      Vor Verzweiflung wurde ich wach. Und obwohl ich nun wieder Constanze Wechselburger-Auerbach hieß und mir Royals und Brillis schnurzpiepegal sind, war mir die Sache peinlich. Der Verlust dieses Ringes würde dem armen William das Herz brechen! Wo er doch gerade dabei war, mir das heilige Band der Ehe zu versprechen!

      Zum Glück hat Albert mir vor dreißig Jahren genau den gleichen Ring geschenkt. Er ist zwar nicht ganz so teuer gewesen (89,– Mark bei Tchibo), sieht aber richtig echt aus. Falls William in meinen nächsten Träumen weiter um seinen Verlobungsklunker trauern würde, konnte ich ihm den von Tchibo schenken. Gesetzt den Fall, mir fiele ein, wo Alberts Ring war. Weggeworfen hatte ich ihn bestimmt nicht. Schon weil es das einzige geblieben ist, was dieser Geizhals mir überhaupt je geschenkt hat.

      Gerade wollte ich beruhigt wieder eindösen, da rief ein Kuckuck. Ich wusste, was nun kam. Im Abstand von je einer Minute würden sechs weitere rufen. Die übrigen lauerten auf ihren Einsatz, mussten aber stumm bleiben. Das war eine meiner Bedingungen dafür, dass Albert im Flur unserer Wohnung achtundzwanzig Kuckucksuhren aufhängen durfte. Albert und ich bemühen uns beziehungstechnisch um Ausgewogenheit.

      Unsere Altbauwohnung liegt im Frankfurter Nordend und ist riesig. Als wir von Berlin-Kreuzberg in die Mainmetropole umgezogen waren, weil Albert hier seine erste Stelle als Assistenzarzt bekam, hausten wir anfangs zu siebt in zwei Tür an Tür liegenden Etagenwohnungen. In der WG wohnten lauter Leute, die Medizin studierten oder gerade in der Chirurgie anfingen. Meist war noch ein Haufen Besuch da, der vom Job her auch Körper flickte, deshalb ging es schon beim Frühstück um unappetitliche Themen. Als Frau mit filmischem Auge war das für mich eine Herausforderung. Andererseits könnte ich seither manch eine Operation medizinisch präzise durchführen – gewusst wie!

      In den Jahren darauf kamen Rosa und Ben zur Welt. Die WG löste sich auf, wir rissen die Wand zwischen den beiden Wohnungen ein, und ab da verfügten Albert und ich mit unseren Kindern über 155 Quadratmeter. Der einzige Nachteil ist, dass alle sieben Zimmer von einem endlosen dunklen Flur abgehen. An sich läuft man in unserer Wohnung ewig durch diesen Schlauch. Wir nennen ihn darum den langen Jammer.

      Im langen Jammer ist die linke Wand über und über mit Kuckucksuhren behängt. Eine Uhr neben der anderen. Ich finde Kuckucksuhren völlig bescheuert, aber ich stamme auch nicht aus dem Schwarzwald. Albert dagegen kommt vom Titisee. Er behauptet aber, er sammele nicht aus Heimatverbundenheit. Das sei echte Uhrmacherkunst. Der internationale Markt lechze nach der schwäbischen Kuckucksuhr. Als Anlageobjekt! Ein Vogelhaus mit Gehängen dran … haha! In meinen Augen war und blieb das billiger Touristenkitsch.

      Zum Ausgleich sicherte ich mir die Gestaltungshoheit über die rechte Flurseite. Auf der gesamten Länge der Wand habe ich selbstgefertigte Kunstobjekte verteilt – Gemälde und Zeichnungen. Mein Stil ist sozialkritisch-feministisch, bewahrt dabei aber das mädchenhaft Naive, mit dem ich als Fünfjährige zu malen anfing. Der Flair des Kindhaften steht im bewussten Spannungsbogen mit der Schärfe meiner politischen Botschaft. »Küss mich, ich bin keine Beischlafmaschine« heißt eines meiner Werke, »Henne und Ei« ein anderes. Mein größtes Kunstobjekt ist einen Meter fünfzig breit und behandelt das Thema »Jugendwahn«. Es ist eine Blümchenwiese aus Plastik, die ich mit Gold- und Silberfarbe übergossen habe, und aus dem Ganzen ragt ein dreckigweißer alter Chuck! Das Objekt trägt den Titel »Fit wie ein Turnschuh!«.

      Um die sozialkritisch-feministische Note meiner Bilder noch zu unterstreichen, habe ich meine Flurwand plus Deckenhälfte himmelblau grundiert und mit Schäfchenwölkchen bepinselt. Sozialkritische Kunst gegen Wolkenkuckucksheim! Ha!

      Vierundzwanzig Minuten nach dem letzten Kuckucksgeschrei hörte ich die Wohnungstür ins Schloss fallen. Albert war weg. Er frühstückt nie, selbst seinen Kaffee trinkt er in der Klinik. Mir blieben die Leere und die Stille.

       2. Heiliger Bimbam!

      Gegen die Stille half mir immer schon Madonna. Madonna singt für uns, seit Albert und ich zusammen sind. Unsere Tochter Rosa wuchs mit Madonna auf, ebenso Ben, unser Sohn. Ihm ist sie inzwischen oberpeinlich, seine Schwester sieht in ihr eine historische Ikone. Er steht jetzt auf Punk, sie auf Pink.

      Nach »Material Girl« fühlte ich mich stark genug, um aufzustehen und auf den Flur hinauszutreten.

      An der Lamperie lehnten drei Ölgemälde nebeneinander. Nicht zu fassen! Der Mistkerl hatte doch glatt Bilder von mir abgenommen und an die Wand gestellt!

      Von den anderen hingen vier schief. Weil Albert natürlich wieder drangestoßen war! Um beste Sicht auf seine Uhren zu haben, schiebt er sich immer so eng wie möglich an meiner Wandseite entlang. Dabei ist ihm völlig egal, ob er meine Bilder anschrappt und kaputtmacht. Im Grunde glaube ich, dass ihm das sogar recht wäre. Mein Mann verachtet mein Schaffen.

      Dafür macht er einen Riesentamtam um seine Uhren. Heiliger Bimbam! Jeden Abend zieht er sie auf. In Latex-OP-Handschuhen! Mir ist das streng verboten. Ich könnte die Unruhe zerstören, sagt Albert. Pah! Kein Hahn kräht danach, dass diese albernen Dinger meine Ruhe zerstören.

      Ich schwor Rache für Alberts Übergriff auf meine Kunst.

      Auf dem Küchentisch lag ein Post-it für mich.

      Post-its sind Alberts Kommunikationsmittel, wenn er mir etwas mitzuteilen hat. In seinem Arbeitszimmer lagern mindestens noch drei Kartons voll mit Pappzettelblöcken. Noch unsere Urenkel werden aus Alberts Post-it-Vorräten schöpfen dürfen. Wobei schon heute kein Mensch außer Albert mehr Notizzettel benutzt. Ich versende Sprachnachrichten und erwäge Alexa. Albert ist eben hoffnungslos unmodern.

      Das am Rand verblichene Post-it war mit ärztlicher Krakelschrift bedeckt.

      Guten Morgen, Zuckerlämmchen,

      Auge um Auge, Zahl um Zahl!

      3 Uhren weniger => 3 Bilder weniger!

      1:1 für mich!!!!!!

      Vergreif dich nie wieder

      an meinen Kuckucksuhren!

      Dein dich gleichwohl ewig liebender

      Albert

      Als Beweis für seinen zwanghaften Geiz hatte er das alles auf ein einziges Post-it gekritzelt! Zum Geiz passte, dass er 3:3 auf 1:1 herunterrechnete. Unentschieden bleibt aber unentschieden! Okay, Albert war kein Mathematiker, sondern Mediziner. Und ja, unsere Vereinbarung lautete eigentlich, dass jeden Morgen zehn Kuckucksuhren krähen durften. Gestern hatte ich kurzerhand dreien davon einen Riegel vorgeschoben. Aus Notwehr! Den Lärm hält einfach niemand aus, den muss man abstellen! Genau dafür bauen die Uhrenmacher den sogenannten Schlagabsteller ein! Nichts, aber auch gar nichts gab Albert das Recht, sich aus Rache an meiner Kunst zu vergreifen! Meine Bilder stellen politische Aufschreie dar, aber sie krähen nicht herum!

      Ich riss das Post-it ab und schmiss es zusammengeknäult in die Ecke. Auf dem Zettel drunter stand in Krakelschrift:

      ALDI Rasierschaum 1,37 EUR!!

      PLUS Uhu zum Preis der Woche!!

      PENNY

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