Beim nächsten Mann bleib ich solo. Hella Heller

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Beim nächsten Mann bleib ich solo - Hella Heller

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stürmten die Leute den Laden. Die Pizzeria war die Arche im kulinarischen Untergang Bornheims und Luigi der Noah. Auf Archen retten sich gewöhnlich Paare; ich war und bin da die Ausnahme. Als Studentin zog ich allein durch Kneipen, seit meiner Heirat gehe ich allein in Restaurants. Albert arbeitet ja entweder, oder er spart. Bei Luigi esse ich, seit er vor zweiundzwanzig Jahren zum ersten Mal seine Pforten öffnete. Wenn ich ins Restaurant komme, stürzt er gleich auf mich zu, haucht mir einen Kuss auf die Hand und geleitet mich an einen freien Platz. Für mich hat er immer einen.

      Ich schob mich durch die engen Reihen in den hinteren Teil des Raumes. »Konnte gerade noch den letzten Tisch für uns ergattern«, versicherte Mira in strahlendem Unwissen. »Gut siehst du aus!« Dabei glitt ihr Blick über mein Outfit.

      Das sagt sie immer. Schwer vorstellbar, dass ihr meine Kleidung wirklich gefiel. Ich trage gern Farben. Möglicherweise brachte mein Stil in ihrem tiefsten Innern eine ungekannte Saite zum Klingen. Sie selbst kleidet sich passend zu ihrem blassen Teint. Wenn sie einem Farbrausch verfällt, schmeißt sie sich in dunkelblau. Heute trug sie ein Twinset, darüber ein Perlenkettchen mit Kreuz. Sie kam direkt aus dem Büro.

      »Und jetzt erzähl!« Mit dieser Aufforderung tarnt Mira immer den Beginn eines ihrer Monologe. Einen Sepia mit Gemüse später wusste ich alles über ihren neuen Job. Wer wen mag, wer sein Büro neben wem hat, wer wessen Boss ist und wer wessen Bitch. Ihre neue Vorgesetzte glich der alten bis aufs Haar, was Mira nicht davon abhielt, mir auch die neue Vorgesetzte haarklein zu beschreiben. Ich kannte keine von beiden, hätte sie aber sicher auf der Straße erkannt.

      »Sie also so: Das und das gehört dann auch zu Ihrem Tätigkeitsfeld. Sie machen das ja wohl nicht zum ersten Mal, oder? Und dann schaut sie mich an, weißt du. Genau so, wie mich früher die Schmitter immer angeschaut hat. Mit diesem Blick, bei dem ich nie wusste, will die mich jetzt provozieren, damit ich was sage, worauf sie dann sagen kann: Aber Frau Birger, das versteht sich doch wohl von selbst – bei Ihrem Portfolio! Wie das die Schmitter halt gemacht hat, du weißt ja.«

      Ich wusste es, als hätten wir all die Jahre im selben Büro gesessen. »Was macht die neue Firma nochmal?«

      »Financial Outsourcing.«

      »Aha. Also dasselbe wie die alte.«

      Mira sah mich groß an. »Nee, was ganz anderes! HCPT war ja der Shareholder für den Megadeal mit Forcythe Geografics!«

      Wie hatte ich das vergessen können! Ich bestellte mir noch einen Rotwein. Falls es zum Härtesten käme und ich mir einen Job suchen musste, würde ich das Finanzwesen meiden.

      Während Mira mir der Reihe nach ihre neuen Chefs vorstellte und einen ausführlichen Überblick über die Aufgaben in ihrem neuen Job gab, dachte ich über den Sinn des Lebens und der Liebe nach.

      Wenn man solo lebt wie zum Beispiel Mira, sucht die Libido nach Ersatzbefriedigung und wirft sich schamlos aufs Feld der Arbeit. Das hatte schon der alte Sigmund durchschaut und Triebsublimierung genannt. Geiz ist geil, fand dagegen Albert, und in der Tat war es seit Jahren das einzige, was ihn noch geil machte. Seine protestantische Ethik blies ins selbe Horn. Mir erschien das alles zu lustfeindlich. Warum soll Geld mehr Spaß machen als Sex?

      Mira sah mich erwartungsvoll an. Hatte ich laut gedacht? Ich schaute erwartungsvoll zurück.

      »Wie auch immer«, gab sie sich selbst die Antwort. »Letzten Endes habt ihr nie wirklich zusammengepasst. Jedenfalls herzlich willkommen im Club! Let’s go!«

      Ich nickte, obwohl ich mir nur schwer vorstellen konnte, mit Mira in ein und denselben Club zu gehen. Zuletzt war das vor rund einem Jahrzehnt vorgekommen.

      Wir tranken die Grappini, die Luigi uns spendierte, und machten uns auf den Weg.

       7. Ein Abend mit Olivia

      Im Riverside tanzte der Bär, obwohl es erst kurz vor neun war. Das machte den Laden jeden zweiten Donnerstag im Monat zum Hotspot für das reifere Alter. Man musste nicht erst vorschlafen und um elf Uhr nachts von der Couch hochkommen, um sich müde aufzubretzeln, sondern konnte direkt nach dem After-Shopping-Häppchen in den Club gehen. Um zwanzig Uhr schlossen die Geschäfte und das Riverside öffnete.

      FOURTYPLUS hieß das Motto dieser Donnerstagabende und ziemlich viel Plus bot auch Usch, die DJane. Ihre Musikauswahl war aber große Klasse.

      Kaum hatten wir die Mäntel abgegeben, verschwand Mira schon wieder aufs Klo. Anscheinend litt sie unter Blasenschwäche. Ich schob mich an die Theke, von der aus man die Tanzfläche im Blick hat, und überflog die wogenden Häupter ein Geschoss tiefer. Nur vereinzelte grauweiße Schöpfe und wenige kahlnasse Glatzen. Also wieder kaum Männer da.

      Zwischen den zuckenden Leibern trudelte eine bunte Kugel wie in einem Flipperautomaten. Kaum stieß sie an einen anderen Körper, löste sie sich wieder und trudelte weiter. Offenbar hatte vor Beginn der Disko ein Kontakttango-Workshop stattgefunden. Gerade umkreiste die Kugel einen langen Kerl, der wie ein Mast aus dem Gewoge ragte. Sein weißes Hemd machte sich gut als Segel. Überraschenderweise hatte der Kerl dichtes Haar, ja sogar eine Haarfarbe und war mir kein Unbekannter – sondern mein Quasi-Lover Henri! Was für ein Zufall! Um ein Haar wären Henri und ich vor fünf, sechs Jahren im Bett gelandet, doch mit Rücksicht auf Kinder und Ehepartner hatten wir uns in sexuellem Verzicht geübt. Henri und ich waren zum leibhaftigen Beweis geworden, dass Freundschaft zwischen Mann und Frau möglich ist. Leider mussten wir unseren Angetrauten diesen Triumph verschweigen. Dabei hätten sie stolz auf uns sein können. »Sie haben einen echt tollen Mann! So sexy und dabei unkaputtbar treu!«, hätte ich Henris Frau am liebsten gesagt, als ich die beiden beim Edeka traf.

      Während ich mich zu erinnern versuchte, auf welche Weise Henri eigentlich in mein Leben ein- und wieder aus ihm hinausgetreten war, drängelte sich eine aufgedonnerte Diskotussi neben mich an den Tresen. Ihre Parfümwolke drängelte mit.

      »Zwei Apero!«

      Die Tussi war sehr stark geschminkt und hoch toupiert. Mein Blick blieb an ihrem schillernden Schuppenkleid hängen, das dem Fischschwanz einer Seejungfrau zur Ehre gereicht hätte. Oder dem Kleid einer Dragqueen.

      »Hier, für dich!«, sprach die Erscheinung und schob mir einen der Aperos zu. »Alles klar?«, fragte sie, als ich stumm blieb. »Tja, da staunst du, was?« Sie stippte die bauschige Haarwolke zurecht und verzerrte ihren grellroten Mund bis zu den Ohren.

      Nun verstand ich. »Du hast eine Wette verloren und musst als Olivia Jones gehen.«

      »Wieso, welche Wette denn? Nö, wir lassen heute einfach mal die Sau raus.« Zwei tiefe Grübchen erschienen in Miras Wangen, als sie am Strohhalm sog. Im Nu war das Glas leer. »Und? Hast du die Männerlage gepeilt? Was ich bisher so sehe, macht mir Lust, mich zu besaufen.« Ihr Blick blieb an meinem kaum berührten Prickelzeug hängen. »Wenn du nicht magst, gib her.«

      Wortlos reichte ich ihr das Gesöff. »Seit wann haben sie hier eigentlich einen Kostümverleih?«

      Mich traf ein strafender Augenaufschlag. »Spaßbremse! Und so was nennt sich beste Freundin! Ich hab natürlich alles dabei, Push-up, Make-up, künstliche Wimpern – oder dachtest du, ich tanze im Businessoutfit?« Damit zuzelte Mira auch meinen Apero aus, ließ den Strohhalm geräuschvoll über den Grund schnorcheln und schob das leere Glas von sich.

      »Los, come on! Let’s dance!«

      Auf silbernen Riemchen-High-Heels stakste sie vor mir her zum Parkett.

      Henri

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