Beim nächsten Mann bleib ich solo. Hella Heller

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Beim nächsten Mann bleib ich solo - Hella Heller

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mir irgendwie ein. Die Frau wird dann nicht für Freiwild gehalten, sondern gehört einem festen Halter. Da ließen andere Männer sie eher in Ruhe. So fiel ihr die Karriere leichter.

      Da Bini einen Doppelnamen wollte, aber keinen Mann, hängte sie sich den Mädchennamen ihrer Mutter an und verlängerte so gleich noch die matriarchale Linie. Das fand ich gut, aber unnachahmbar. Ich hatte hinter meine Mutter längst einen Schlusspunkt gesetzt – ein Bindestrich kam da gar nicht infrage! Außerdem war meine Mutter eine geborene Würgassel.

      Rosa erzählte dann genauer von ihrem Seminar bei Sabine: Der gesellschaftliche Knackpunkt sei Gender.

      »Das soziale Geschlecht«, bestätigte ich, um zu zeigen, dass ich auf dem Feld der Theorie Schritt hielt.

      »Ob du nun cis bist oder genderunkonform«, dozierte Rosa, »das Wichtigste ist: Geschlecht darf nicht binär gedacht werden. Sonst landest du auf der heteronormativen Matrix, und schwups, bist du mitten in der Zwangsheterosexualität.«

      Achilles nickte. Sein Bart nickte auch.

      Da ich das Cis bisher der Musik zugeordnet hatte und mir diese Norma Trix nichts sagte, hörte ich aufmerksam zu. Die Geschlechterverhältnisse hatten mich immer schon bewegt, aber wie heute darüber gedacht wurde, klang in meinen Ohren ziemlich verquer. Da gab es L-G-B-T-Q, und wenn überhaupt noch von Frauen und Männern die Rede war, trugen sie Sternchen und performten ihr Geschlecht nur. Nun haben die Verhältnisse zwischen Frau und Mann ja nie einfach gelegen. Allerdings war für uns damals in der Frauenbewegung alles eine Frage der Erziehung. Wie schon Simone de Beauvoir sagte, werden wir nicht als Mädels geboren, sondern dazu gemacht. Aus diesen Mädels machten wir Feministinnen dann Frauen – das meint nicht etwa Eierstockträgerinnen, sondern politische Wesen! Und die konnten so einiges bewegen! Das bot auch mir lange Trost: Powerfrauen konnten sogar Männer zurechtbiegen oder aber sie durch Lesbischsein strategisch umschiffen.

      Ich hatte zu der feministischen Fraktion gehört, die mit Männern schlief und sogar mit ihnen redete, weil ich dachte, dass selbst dieser Spezies mit Vernunft beizukommen sei. Im Laufe meiner vielen Ehejahre war ich aber zu der Überzeugung gelangt, dass die Geisteskraft des Mannes oder aber die Erziehungsfähigkeit der Frau oder sogar beides historisch überbewertet wurde. (Zugegeben, ich hätte schneller zu dieser Erkenntnis kommen können.) Jedenfalls hatte ich schon vor Jahren aufgegeben, mit Albert zu reden. Er auch mit mir. Ihm reicht ein Post-it, viel zu sagen hat er sowieso nicht. Albert ist kulturell und politisch desinteressiert, liest nur Medizinisches, hält Feminismus für gaga und Geiz für geil. Für mich war er noch nie ein echter Gesprächspartner. Inzwischen ist er nicht mal mehr mein Partner.

      Ich ließ mir von Rosa und Achilles noch ein paar steile Gender-Thesen erläutern, dann war der Trockner fertig und die Wäsche wurde in zwei karierten Riesenplastiktragetaschen verstaut.

      »Heut Abend ist Orgatreffen im Café Buntpunkt. Da bereiten wir das Programm für unser Sommercamp vor!«, informierte mich Rosa, die dabei die Öffentlichkeitsarbeit übernommen hatte. »Ich freu mich schon voll drauf!«

      Achilles hängte sich bereitwillig rechts und links eine von Rosas Riesenplastiktragetaschen über die Schultern und dann zogen sie wieder los. Sinnend blickte ich ihnen nach.

      Ich mag Männer, die aus freien Stücken und nach Kräften ihre patriarchale Dividende zurückerstatten.

       4. Annabell, oh, Annabell

      An der Kasse im Buchladen AnnaBella stand schon wieder so eine junge Frau, die ich nicht kannte. Und sie kannte nicht mal mich! Dabei hatte ich sechs Jahre lang im Laden mitgearbeitet! Gut, das war ein Weilchen her, Anfang der Neunziger, zu der Zeit hieß er noch AnnaConda und war ein Frauenbuchladen gewesen. Damals wechselten die Ladenfrauen kaum. Es waren immer dieselben zehn. Was auch daran lag, dass kaum eine bereit war, zwei Tage pro Woche irgendwo mitzuarbeiten, ohne Geld dafür zu kriegen. Bei AnnaConda gab es nur eine bezahlte Stelle, den Rest erledigte das sogenannte Kollektiv für lau. Diese Organisationsform musste sein, weil der Laden ein politisches Frauenprojekt war und nicht etwa ein kapitalistisches Geschäft. Den sich daraus zwingend ergebenden Überhang an Lehrerinnen, Arztgattinnen und Kinderlosen nahm das Ladenkollektiv in Kauf – welche Frau sonst hatte genug Zeit oder Geld und konnte sich eine Putzfrau leisten, die bei ihr daheim putzte, während sie selbst unbezahlt Bücher verkaufen ging? Gerechtigkeitshalber ließen wir die bezahlte Stelle jährlich rotieren; so erhielt jede im Kollektiv die Chance, im Laufe von zehn Jahren an die Reihe zu kommen. Das Rotationsprinzip an sich war kein Problem, weil damals alle alles oder nichts konnten. Sogar das Klo putzen. Mir fiel ein: Es gab da einen Mann, der sich bei AnnaConda als Kloputzer bewarb. Mit einem echten Bewerbungsschreiben, in dem stand, er wolle den Frauen unentgeltlich dienen, um damit seinen Beitrag zum Abtragen der Schuld für fünftausend Jahre Patriarchat zu leisten. Das Kollektiv diskutierte die Bewerbung und lehnte sie sehr zu meinem Bedauern ab.

      Ich nickte der jungen Unbekannten an der Kasse freundlich zu – denn schon bald würde ich ihre neue Kollegin sein. Mein Plan war, bei AnnaBella als Aushilfe einzuspringen, um mich schnell unentbehrlich zu machen und am Ende die Geschäftsleitung zu übernehmen.

      Da die Kollegin in spe offenbar noch zu tun hatte, besah ich mir die Ecke mit den Sachbüchern. Die Regalschilder ließen mich ungläubig den Kopf schütteln. Haufenweise »Lebenshilfe«! Sogar ein Fach mit »Trennungsratgebern«! Früher, da zeugten unsere Beschriftungen noch von feministischer Brisanz. Sie hießen »Subsistenzarbeit«, »Internationale Frauenbewegung« oder »Erotik / Sex / §218«! Unser neues Fach »Mager- und Esssucht« platzte bald aus allen Nähten, noch schneller das Brett »Sexueller Missbrauch«. Leider bescherte gerade dieses Schild uns den Besuch der Anarchas von der Roten Willma, die unserem Kollektiv null politischen Durchblick attestierten. Welche, die sexueller MISSbrauch schrieben, unterstellten ja wohl, dass es einen sexuellen GEbrauch gebe, der dann also okay sei?!

      Was denn ihrer Meinung nach auf dem Schild stehen müsse, fragte ich die Roten Willmas. Auf dem Schild müsse stehen: »Sexuelle Gewalt gegen Frauen und Lesben unter besonderer Berücksichtigung emotionaler sexualisierter Übergriffigkeit«, lautete die Antwort. (Zu der Zeit waren noch keine Sternchen über der Genderwelt aufgegangen.)

      Ich sagte, dann kapiere niemand mehr, was in dem Fach für Bücher stehen. Falls doch, ziehe es Triebtäter und Voyeure an. Eine Rote Willma entgegnete mir zornrot, dass wir Frauen vom AnnaConda-Kollektiv eh alle antifeministische Pseudas seien, weil wir Männer reinließen. Keine echte Frauenbuchlädin ließe Männer rein. Nicht mal Briefträger.

      Wir kamen am Ende nicht wirklich zusammen. Die Willmas zogen ab und ließen im Raum stehen, uns gelegentlich einen Molotowcocktail vorbeizubringen, was schon damals keine Einladung zu einem Drink war. Trotzdem blieb ich eisern, was die Beschilderung anging. Ich beharrte außerdem darauf, dass es nicht scheißreaktionär sei, lesbische Liebesromane ins Schaufenster zu stellen.

      Auch hierin erwies ich mich als Vorreiterin: Im Fenster von AnnaBella standen heutzutage sogar heterosexuelle Liebesromane! Tja. Generell waren die Zeiten an dieser Buchhandlung nicht spurlos vorübergegangen. Sonst ging aber vieles am Buchhandel vorüber: Der Laden war menschenleer. Was mir momentan nur recht sein konnte; wenn ich mich informieren oder spontan bewerben wollte, war ich am liebsten ungestört.

      Ich hielt gerade einen dicken roten Schmöker mit dem Titel »Reich ohne Geiz« in der Hand, als mir eine ältere Dame unverfroren über die Schulter schaute.

      »Willst du dich mal wieder von Albert trennen?«

      Irritiert sah ich auf und erblickte Sieglinde Lamar-Schadler. So hieß sie jedenfalls vor dreißig Jahren in ihrer Ehe mit Steuerberater Wolf-Dietrich Lamar.

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