Beim nächsten Mann bleib ich solo. Hella Heller

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Beim nächsten Mann bleib ich solo - Hella Heller

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immer Professor Auerbach sich ausgedacht haben mochte – es konnte mir egal sein. Ich war von ihm getrennt!

      Hoppla!, sagte ich, als Albert von mir abfiel.

      Die Wohnung sah so aus, wie ich sie verlassen hatte. Alles wirkte ganz normal. Lächerlich normal. Als sei überhaupt nichts geschehen! Kein zerschlagenes Geschirr, keine verschlossenen Türen, keine gepackten Koffer. Nichts. Die schwarzen Rosen standen voll aufgeblüht in der Küche. Nur das Kärtchen mit meinem Scheidungsantrag fehlte. Und die Post-its waren weg.

      Ich schmiss die Tüte mit dem Croissant in die Ecke und kochte mir erst mal einen starken Kaffee. Dann saß ich wie benommen mit der dampfenden Tasse im Museum meiner Vergangenheit.

      Etwas tropfte auf meine Hand.

      Ich zog die Nase hoch und wischte mir über die Augen.

      Weil Kreativität das beste Mittel gegen Trübsal ist, trottete ich durch den langen Jammer in das Zimmer, das ich als Atelier nutze, und machte mich an die Skizze eines neuen Werkes. Auf diese Weise würde ich aktiv meine Trennung verarbeiten.

      Den Arbeitstitel hatte ich in null Komma nichts: »Selbst ist die Frau!« Auf meinem neuen Bild bohrt eine Heimwerkerin mit einem Schlagbohrer herzförmige Löcher in die Luft.

      Irgendwie fand ich den Entwurf noch nicht ausgereift. Erschwerend kam hinzu, dass Constanze-Wechselburger-Auerbach-Werke bisher in keiner Galerie hingen, sondern nur im Frauenzentrum, als es das noch gab. Ich schuf Politisches, nicht l’art pour l’art. Die Frage war, wie ich meine Kunst zu Kohle machen konnte. Wie man Bücher verkauft, wusste ich – aber Bilder? Dazu braucht man Ausstellungen und Kunstmäzene und Sparkassenstiftungen und … all das rief nach einer Denkpause.

      Kurz darauf lag ich in der Wanne und nahm ein Entspannungsbad, als Rosa anrief und mich mit ihrer Orgagruppe und dem Sommercamp vollquasselte. Erst hörte ich nur mit halbem Ohr hin, dann gar nicht mehr.

      »Krass, oder? – Mama?!«

      Ich nickte.

      »Ist irgendwas? Ey, hörst du mir überhaupt zu?«

      »Klar, mein Schatz. Alles supi!«

      Für einen Moment schwang Skepsis im Äther, dann erklang wieder Rosas Stimme. »Na dann … Ciao-ciao und danke! Du bist einfach die beste Mama der Welt!«

      Während ich mich einschäumte, staunte ich, seit wann meine Tochter so euphorisch reagierte, nur weil ich ihr mein mütterliches Ohr lieh. Wahrscheinlich hatten sie an der Uni gerade das Matriarchat oder nahmen Hannah Arendts Prinzip der Gebürtigkeit durch. Dass wir alle so auf die Welt kommen: aus Müttern heraus. Von Müttern niedergekommen werden. Gepressweht. Ins Leben gedonnert. Flutsch! Genau genommen ist das ja auch wirklich ein Hammer! Was für ein unbeschreibliches Gebären auf dieser Welt in endlosem Wehengewoge …!

      Vor meinem inneren Auge glitschten blutverschmierte Babys aus geblähten Weiberleibern, Frauenschreie gellten an mein Ohr. Das Wasser verfärbte sich rot. Ich stieg eilig aus der Wanne und ließ es ab. Gurgelnd verschwand die Brühe aus Fruchtwasser und Blut im Siffon.

      Zwei Minuten später saß ich in frischen Klamotten am Schreibtisch und fuhr mein Notebook hoch. Ich würde diese ganze brutale Schaffenskraft der mütterlichen Ursuppe jetzt sublimieren und endlich meine eigene Lebenskraft daraus schöpfen!

       10. Schwarze Romantik

      Ich schrieb ein Buch – also musste ich dranbleiben. Ich würde aber nicht den Fehler von Rowling wiederholen und mir dermaßen viel Arbeit beim Ausdenken machen. Mein Weg zum Erfolg würde Pilchers Pfaden folgen, aber natürlich feministisch gewendet.

      Als ich Albert abends die Tür aufschließen hörte, stand der komplette Plot meines Liebesromans. Es ist die Geschichte der griechischen Studentin Gala und des englischen Managers Ron Steward, die sich an einem Kultkinoabend bei »Pretty Woman« kennenlernen. Ron erklärt Gala die Welt. Sein Geschöpf soll sie werden und so denken, wie er es will. Und sie findet das super, bis sie begreift, dass er sie entmündigt und bevormundet. Doch Gala hat einen eigenen Kopf und benutzt ihn. Als sie von Ron um ihrer selbst willen geliebt werden will, nimmt das Elend seinen Lauf, der alte Kampf beginnt …

      Mit der Story würde ich meinem Lieblingsschriftsteller George Bernard Shaw ein Denkmal setzen, denn meine Geschichte war natürlich eine Adaption seines »Pygmalion«! Der wiederum die Adaption einer Erzählung aus Ovids »Metamorphosen« war: Bildhauer Pygmalion hat eine so genial weibliche Statue erschaffen, dass er sich in sie verliebt und sie dadurch zum Leben erweckt: Galathea – die antike Gala eben, Vorbild so vieler Traumfrauen, deren Existenz seither von Männern diktiert wurde … Bei Shaw hieß sie Eliza Doolittle und war eine Londoner Blumenverkäuferin. Ein Professor Henry Higgins, Sprachwissenschaftler, wettete, dass sie als Herzogin durchginge, wenn er ihr nur gutes Englisch und gutes Benehmen beibrächte. Wie wir auch aus »My fair Lady«, der Musical-Inszenierung des Stoffes wissen, gelingt das Experiment – doch als Eliza merkt, dass Higgins sie als Frau und Mensch nicht respektiert, verlässt sie ihn.

      Ich aber würde die Geschichte nicht so enden lassen! Meine Gala würde nicht wie Eliza einfach nur gehen, sondern sie würde ihren eigenen Weg gehen! Meine Gala würde nicht wie Vivian Ward in »Pretty Woman« zusehen, wie Edward auf ihre Feuerleiter steigt, sondern sie würde ihrem Ron aufs Dach steigen! Ich würde Galatheas Geschichte endlich zu Ende schreiben!

      Die ersten drei Kapitel meines Romans standen bereits. Ich hatte sie vor ein paar Jahren runtergetippt, beim Wiederlesen fand ich sie ganz passabel. Jetzt musste ich nur der Handlung eine neue Wendung geben, denn: Das neue Ende sollte ein Happyend sein!

      Diese Entscheidung hatte mich viel Hirnschmalz gekostet. Happyend heißt ja im Allgemeinen Unterwerfung der Frau. Kuss, Hochzeit und Schluss. Seid glücklich und mehret euch. Das Glück der Frau geht dann stracks Richtung Entzauberung, seines auch, aber um das Glück des Mannes schert sich sowieso niemand, nicht mal er selbst. Er funktioniert ganz klassisch, und das reicht, denn er ist Funktionsträger. Hinter dem ehelichen Glücksversprechen verbirgt sich das Interesse des Staats. Als idealer Gesamtkapitalist will er Nachwuchs, also die Kontrolle über die Reproduktionsfähigkeit der Frau, das wussten schon Marx und Engels, hatte mir Gottfried Schachtschnabel damals erklärt.

      Einer Ideologie, die dazu dient, nackte Staatsinteressen zu versüßen und Frauen wie Männer unglücklich zu machen, sollte meine Heldin auf gar keinen Fall auf den Honigleim gehen. Es reichte, dass ich selbst sie dreißig Jahre lang mit Albert praktiziert hatte. Unsere Ehe gab der Marxschen Theorie recht und der Liebe eine schallende Ohrfeige. Wobei die Heiraterei Alberts Idee gewesen war. Was schlüssig ist, schließlich leben wir im Patriarchat.

      Bisher hatte ich für meinen Roman einen offenen Ausgang geplant, um dem Geschlechterkampf Raum zu verschaffen. Jetzt aber wollte ich nicht mehr nur ein Buch schreiben, sondern ich schrieb einen Bestseller. Ich musste mir eine Existenz aufbauen! Der Bestseller an sich ist nicht das Problem, als Buchhändlerin weißt du, wie Bestseller gehen. Aber ein Bestseller braucht ein Happyend, auch mit Blick auf die spätere Verfilmung! Was wäre »Pretty Woman« ohne die Szene mit Julia und Richard auf der Leiter? Ein Flop, so viel stand fest.

      Mein Happyend wäre allerdings weit weniger kitschig. Dafür schüfe ich ein emanzipatorisches Vorbild, das kein Herz kalt und kein Auge trocken ließe. Mein Happyend stellte ich mir so vor, dass Gala und Ron sich harmonisch trennten! Ein Triumph für die Geschlechterdemokratie! Schon deshalb und wegen des gigantischen Honorars, das auf eine Bestsellerautorin wartet, konnte ich mit dem geänderten Ende sehr gut leben.

      Ich

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