Beim nächsten Mann bleib ich solo. Hella Heller

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Beim nächsten Mann bleib ich solo - Hella Heller

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am Ziel, sie stand schon immer auf Ärzte. In der Zeit, als uns ein zaghafter Versuch von Freundschaft verband, hatte sie sogar phasenweise Albert nachgestellt. Da hatte sie sich aber vertan! Man kann Albert vieles unterstellen, aber nicht, dass er blind ist, was Frauen angeht. Als dann der Zahnarztdampfer aufkreuzte, änderte Sieglinde ihren Kurs und wurde sein Beiboot. Soweit ich wusste, begegnete Albert dem Paar gelegentlich noch auf Medizinbällen oder wo man sich ärztlich so trifft. Hin und wieder luden sie ihn auch zu sich ein, auf einen Drink unter Freunden und Kollegen. Ohne mich. Als Nichtmedizinerin und angeheirateter Appendix zählte ich nicht für Sieglinde, die eine Ausbildung als Zahnarzthelferin vorzuweisen hat. So hatten wir uns schon ewig nicht mehr gesehen.

      Optisch war Sieglinde ganz bei sich angekommen. Kariertes Wollkostüm – das passte, auch wenn bei ihr der mittlere Knopf spannte. Der überm Bauch, nicht der überm Busen. Dazu Damenhandschuhe. Schon in unserer Jugend hatte sie ausgesehen wie ihre eigene Mutter. Ich verweigerte Make-up, Sieglinde stand die Gediegenheit im Gesicht wie fette Schminke. Ich warf meine BHs weg, Sieglinde trug ein Korsett aus Reife.

      Wenn ich sie so ansah, fragte ich mich, ob wohl auch sie sich neun Jahre jünger fühlte. Angeblich tun das ja alle. Ich selbst fühle mich wie achtundvierzigdreiviertel, und nicht nur das: Ich sehe auch so aus.

      Was suchte eine bekennende Nichtleserin überhaupt bei AnnaBella? Wenn mit Sieglinde hier an diesem Ort der Kultur öfter zu rechnen war, musste ich mein buchhändlerisches Comeback überdenken.

      »Und wann lässt du deinen Zahnarzt ziehen und überbrückst ihn mit einem Professor der Medizin?« Ein gelungener Seitenhieb, der Sieglinde entging, denn sie lachte sich scheckig.

      »Hahaha! Wo denkst du hin! Wir feiern nächste Woche fünften Hochzeitstag! Jetzt such ich für ihn ein Geschenk. Ich schenke meinem Mann grundsätzlich Bücher«, verriet sie mir. »Damit gehe ich auf Nummer sicher. Er kauft selber nie welche. Vorher schau ich hier im Laden vorbei und wenn mir eins gefällt, bestell ich es. Das ist heute ja unheimlich praktisch.«

      »Wieso kaufst du es nicht gleich an Ort und Stelle?«

      »In einer Buchhandlung? Aber da haben es doch schon tausend Leute betatscht!« Sieglinde schüttelte sich vor Ekel, ich verstand nun, wieso sie Handschuhe trug. »Die ganzen Bakterien! Außerdem kriegst du die Internetbestellung per Post zugeschickt. Bildbände sind ja so entsetzlich schwer!«

      Sie war sich also auch als Anhängerin abartiger Kauftrends treu geblieben. Einmal hatte sie Wolf-Dietrich ein schlammfarbenes Tandem von Eduscho zum Geburtstag geschenkt.

      »Komm, lass uns einen Kaffee trinken«, schlug Sieglinde vor, als seien wir zwei Freundinnen auf Shoppingtour.

      Ich winkte ab. »Keine Zeit.« Als ich ihren verständnislosen Blick sah, sagte ich: »Ich recherchiere Literatur.«

      »Besuchst du jetzt die Universität des dritten Lebensalters?«, kicherte sie. Ich fand das von Sieglinde ziemlich frech.

      »Ich schreibe ein Buch.«

      Sieglinde riss die Augen auf. Als sie sich wieder berappelt hatte, flötete sie mit einem Lächeln, das sie für weise hielt: »Das sagen viele!«

      »Mag sein. Aber ich tu’s.«

      Damit überließ ich sie ihrem ungläubigen Staunen.

       5. Der Antrag

      Ich schrieb ein Buch – im Gegensatz zu Menschen, die das nur von sich behaupten. Mein Konzept hatte ich in groben Zügen skizziert, seit zwanzig, dreißig Jahren lag es in irgendeiner Schublade. Keine Ahnung, in welcher, aber ich weiß auch so, worum es in meinem Buch gehen soll. Erstens um die Frauen. Zweitens um die Männer. Drittens um die Liebe. Den Rest würde ich ausarbeiten – und zwar bald. Darüber war ich mir soeben klar geworden. Es wurde Zeit, zu tun, was immer schon auf meinem Lebensplan stand: Bücher verkaufen und schreiben!

      Nachdem ich im Buchladen alle vorrätigen Trennungsratgeber und Selbstfindungshilfen durchgeblättert hatte, ging ich in aller Ruhe allein Kaffee trinken. Bis Albert zu Hause auftauchte, wollte ich den Tag nutzen, um meine Zukunft voranzutreiben.

      Kaum saß ich im Café Läuft, krähte das Handy. Der Hahnenschrei zeigt Nachrichten von Albert an (es gab keinen Kuckucksruf als Signalton). Mein Nochgatte ließ mich per SMS wissen, dass es spät werden könnte. Es stünden heute zwei, drei Not-OPs an.

      Früher hatte mir imponiert, dass Albert als Arzt Leben rettet. Inzwischen beschlich mich der Verdacht, dass er auch das nur aus Geiz tat. Er wollte nichts umkommen lassen.

      Ich trank zwei Espressi, rief alle meine besten Freundinnen an und unterrichtete sie von meiner Lebenswende. Drei gratulierten mir, zwei kondolierten mir, alle boten Unterstützung an.

      Danach fühlte ich mich stark genug, die heimische Frontlage zu klären. Irgendwie und irgendwann musste schließlich auch Albert erfahren, dass ich mich von ihm trennte.

      Auf dem Heimweg kaufte ich im Blumenladen Gothic Blooms dreißig schwarze Rosen.

      Zu Hause hängte ich als allererstes meine Kunst wieder auf. Abgehängt hatte Albert ausgerechnet meine feministisch-kritischsten Werke: »Er meint es doch nur gut«, »Beim nächsten Mann wird alles besser« und »Hilfe, ich bin die Weltputzfrau!« Das war in meinen Augen kein Zufall!

      Sorgfältig arrangierte ich die Rosen in einem Putzeimer (!) auf dem Küchentisch und nahm mein pinkfarbenes Briefpapier aus der Schublade. Mit Füller schrieb ich in Schönschrift:

      Albert —

      willst Du mein Exmann werden?

      Dann sag Ja zur Scheidung

      Constanze

      P.S.: u.A.w.g. bis morgen.

      Ich steckte den Bogen ins magentafarbene Kuvert, bestäubte es mit einem Hauch Parfüm und schob es zwischen die Rosen. Mein Scheidungsantrag machte ziemlich was her.

      Zuletzt stellte ich im Flur alle achtundzwanzig Kuckucksuhren auf fünf Uhr achtundvierzig und entsicherte die Schlagwerke. Albert würde ein frohes Erwachen haben! Höchste Zeit …

      Dann packte ich meine kleine Reisetasche und verließ das Haus.

      Als ich die Wohnungstür hinter mir zuzog, überkam mich Traurigkeit. Wie Albert wohl guckte, wenn er meinen Brief las? Würde er vielleicht sogar weinen? Vergrübe er verzweifelt den Kopf in meinem Duft? Hinge ihm Tinte an Nase und Stirn, wenn er sein tränennasses Antlitz wieder höbe, um dem Himmel seinen bitteren Schmerz zu klagen …?

      Wie schade, dass ich das nicht sehen konnte!

       6. Mamma Mia

      Im Mamma Mia winkte mir meine beste Freundin Mira zu, als sei ich in Seenot und sie Sea-Watch-Kapitänin. Das war nett von ihr, aber unnötig. Die Schlafcouch, die sie mir großzügig für eine Nacht angeboten hatte, reichte vollkommen. Vorher würden wir zusammen essen und ausgehen, damit ich nicht vom Fleisch fiel und mich von dem Ärger mit Albert ablenken konnte. Analytische Gespräche über meine Trennung würde ich heute Abend nicht führen. Mira brachte für das Schicksal anderer Leute Empathie auf, aber höchstens für fünf Minuten. Dann richtete sich ihre innere Kompassnadel wieder auf sie selbst.

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