Schloss Frydenholm. Hans Scherfig

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Schloss Frydenholm - Hans Scherfig

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das bin ich nicht! Und ich habe auch keine Ahnung, wovon du sprichst. Und du sollst nicht grob werden, Rasmus, und anderen irgend etwas nachsagen! Denn ich habe dich schon gekannt, als du noch so klein warst, daß du deine Hosen nicht alleine zuknöpfen konntest!“

      Obwohl der Graf bescheiden und natürlich sein konnte, auf dem Traktor fuhr und mit den Leuten Bier trank: er hatte Stil. Als natürlicher Abkömmling eines oldenburgischen Königs stand ihm das Recht zu, seine Lakaien rote Livree tragen zu lassen. Ein neuer, aristokratischer Geist war auf dem alten Herrenhof eingezogen. Die kleinliche Knauserei und die Schnüffelei in der Speisekammer, der sich der verstorbene bürgerliche Gutsbesitzer hingegeben hatte, war vorbei. Der Graf überwachte die Arbeit auf dem Gut, er ritt auf die Felder hinaus und munterte die Leute auf, doch er mischte sich nicht in die Haushaltsführung ein und zählte nicht die Zuckerstücke in der Tüte.

      Zu Skjern-Svendsens Zeiten hatte es nur einen einzigen Diener im ganzen Schloß gegeben, einen wortkargen, bleichen Mann namens Lukas. Er durfte bleiben, obwohl er eine undurchsichtige Vergangenheit und ein schlechtes Führungszeugnis hatte. Aber mit Graf Preben kamen mehrere neue Diener nach Frydenholm, kam ein neuer Verwalter, der in Deutschland ausgebildet worden war, kamen ein neuer Großknecht und eine Anzahl neuer Knechte. Es waren besonders ausgesuchte Leute, die der Graf eingestellt hatte, Leute mit Schneid; sie schlugen die Hacken zusammen, daß es knallte, und grüßten militärisch, wenn ihr Herr seine tägliche Runde ritt.

      Es kam auch vor, daß der Graf die Leute im Hof antreten ließ, mit weißen Hemden, schwarzem Schlips und Mützen und blankgewienerten Schaftstiefeln. Sie machten unter dem Kommando des Verwalters Freiübungen und marschierten und exerzierten mit Spaten, als seien es Gewehre. Sie machten „rechtsum“ und „linksum“, formierten sich zur Kolonne und sangen: „In allen Reichen und Ländern ...“ Der Graf sah von der Schloßtreppe aus zu und grüßte seine Leute mit erhobener rechter Hand, wenn sie den Spaten präsentierten.

      Graf Preben war nicht verheiratet. Er nahm seine Mahlzeiten gewöhnlich ganz allein im großen Speisesaal des Schlosses ein, wo altersdunkle Ahnen von den Wänden auf ihn niedersahen. Dabei ging es ganz feierlich zu. Jeden Abend setzte er sich in braunem Smoking und weißem Seidenhemd zu Tisch und ließ sich das Essen auf silbernen Tellern servieren. Wenn der junge Mann von einer Speise genug hatte, klatschte er in die Hände, und der Diener, der mit dem nächsten Gang bereitstand, kam eilends herein und richtete an. Neben dem Stuhl des Grafen lagen zwei große Schäferhunde; sie bekamen die gleichen Speisen auf den gleichen silbernen Tellern serviert und wurden vom dienenden Personal mit der gleichen Ehrerbietung behandelt.

      Der Graf war ein großer, hellblonder junger Mann, fast weißblond, mit hellblauen Augen und ohne Brauen. „In dem Mann steckt Rasse!“ sagte Niels Madsen, der dunkel war und wie ein Zigeuner aussah. „Das ist echt nordische Gestalt. Das ist die Sorte Mann, die berufen ist, Männer zu führen!“

      Der junge Führer sprach den weichen fünischen Dialekt, der zu Hause im Stall des Familiengutes in der Nähe von Assens gesprochen wurde. Den größten Teil seines Wissens hatte er im Pferdestall erworben, und er liebte Pferdegeschirr und Reitstiefel und Wichse. Dienende Geister hatten sich um seine Erziehung gekümmert und ihn gelehrt, Tabak zu schnupfen und Karten zu spielen. Von seinen Eltern hatte er nie viel gemerkt; sie waren ständig beschäftigt gewesen; Reisen und Gesellschaften, der Hofdienst und die rätselhaften Pflichten eines Kammerherrn hatten ihre Zeit in Anspruch genommen. Der Junge wurde vernachlässigt und war einsam, er war groß und stark für sein Alter, aber unbeholfen und bemitleidenswert. Er fürchtete sich vor den Gänsen des Gutes und hatte das Pech, bei allem, was er tat, zu Schaden zu kommen.

      Nachdem sich eine Anzahl ehrerbietiger und geduldiger Hauslehrer mit ihm beschäftigt hatte, gelang es, den Jungen im Internat Herlufsholm unterzubringen, aber schon nach zwei Jahren mußte man ihn auf eindringliches Ersuchen des Rektors von dort wieder wegnehmen, da ihn die anderen Jungen schrecklich mißhandelten. Danach blieb er als Eleve zu Hause auf dem Gut, war aber vor allem damit beschäftigt, einen Truthahn zu ärgern und einen im Schloß angestellten Jungen zu tyrannisieren, der nicht zurückzuschlagen wagte. Auf diese Art bereitete er sich darauf vor, einmal den Gewinn, den einige der größten Güter des Landes abwarfen, zu vereinnahmen.

      Nach einigen kleineren, inzwischen vergessenen Skandalen beschloß der alte Kammerherr, seinen Sohn nach England zu schicken, damit er sich dort bei den adligen Verwandten gute Manieren und britisches Benehmen aneigne, das ihm das Stallpersonal zu Hause auf Fünen nicht so recht beizubringen vermocht hatte. Graf Preben war neunzehn Jahre alt, als er nach England fuhr, ein großer, blonder Bauernjunge mit einem stets verwunderten Gesicht und unberechenbaren Armbewegungen.

      Er verbrachte gut zwei Jahre unter Britanniens Nobilität und wurde in aller Eile zum Gentleman ausgebildet. Als er zum fünischen Stall zurückkehrte, war er volljährig und somit berechtigt, über sehr bedeutende Mittel zu verfügen. Er empfand daher bald den Stall als zu eng und den Umgang mit dem Stallknecht als unzureichend. In den folgenden Jahren hielt er sich meistens in der Hauptstadt auf, wo er viele Dinge studierte und die verschiedenartigsten Freunde fand.

      In einem konservativen Jugendkorps bildete er sich seine politische Meinung. Der alte Kammerherr unterstützte die Organisation idealistisch. Ihre Mitglieder trugen grüne Hemden und schwarze Schaftstiefel–nach dem Vorbild der rumänischen Eisernen Garde – und grüßten einander römischgermanisch. Da diese Organisation ihr Hauptquartier in der Store Kannikestræde in der Altstadt hatte, geschah es häufig, daß die jungen uniformierten Herren nach ihren Zusammenkünften auf die jüdischen Bewohner des Krystalgade-Viertels trafen und jugendliche Späße mit ernsthaften alten Männern trieben. Diese abendlichen Zerstreuungen gaben Anlaß zu Klagen und Leserbriefen und zu kritischen Artikeln in der radikalen Presse.

      Der Grafentitel und die außergewöhnliche Blondheit verliehen ihm im Kreise der kecken „KUer“, wie die Grünhemden sich nannten, großes Ansehen. Aber auch unter den Zivilisten in den Weinstuben des Viertels wurde der junge Graf populär; er lernte eine ganze Reihe interessanter Persönlichkeiten kennen, die später in der Öffentlichkeit und im verborgenen eine Rolle spielen sollten.

      3

      Der verstorbene Gutsbesitzer Skjern-Svendsen hatte ursprünglich beabsichtigt, das restaurierte Hauptgebäude von Frydenholm – mit den eingemauerten Skeletten und der Sammlung deutscher feudalgeschichtlicher Denkmäler – nach seinem Tode in ein nationales Museum unter staatlicher Verwaltung umwandeln zu lassen, in ein machtvolles Monument zu Ehren der schöpferischen Tätigkeit der Gutsherren und ihres Einsatzes für die dänische Kultur.

      Das alte Schloß hatte in der Geschichte des Landes eine Rolle gespielt. Während des Schwedenkrieges im Jahre 1658 hatte Frydenholm Offiziere des schwedischen Heeres als Gäste in seinen Mauern gesehen. Der berühmte Oberst Sparre und seine Dragoner hatten längere Zeit hier in Quartier gelegen, und der damalige Herr des Gutes war ihnen ein heiterer und hilfreicher Wirt gewesen. Das Haus hatte Traditionen. Sogar der Schwedenkönig Karl X. Gustav hatte eine Nacht auf Frydenholm verbracht und im selben Himmelbett geschlafen, in dem Skjern-Svendsen nun erwürgt worden war.

      Der verstorbene Gutsbesitzer hatte sein Vermögen nicht nur für sich selbst angehäuft. Er war ein Idealist gewesen. Erst nach seinem Tode wurde bekannt, daß Skjern-Svendsen die mystische Person war, die unter dem Decknamen Danielsen den wohltätigen Institutionen große Summen hatte zukommen lassen. Anonym hatte er die Errichtung der beliebten mittelalterlichen Wegkruzifixe finanziert, die vor allem von amerikanischen Touristen bewundert werden und die, wie man sagt, so gut in die dänische Landschaft passen. Der Gutsbesitzer hatte auch geplant, in einem anderen Besitz, dem Gut Halling in Nordjütland, eine Internatsschule für Jungen einzurichten, denen seine besondere Aufmerksamkeit galt. Auf diese Weise wollte er sich – wie seinerzeit Herluf Trolle – selbst ein Denkmal setzen. Die Internatsschule auf Halling sollte selbstverständlich christlich sein. Die Innere Mission hatte Skjern-Svendsen sehr am Herzen gelegen. Er war Pastor Nørregaard-Olsen

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