Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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      „Ja, ja, dann bleib’ ich — adieu Mutter.“

      „Adieu Gust —“

      Auf geheimem Pfad, der hinter dem Hause zur Landungsbrücke des kleinen Dampfers führte, sprang Gust davon. Allein, wie sehr er sich auch zwischen die Stämme des Promenadenweges duckte, die heranschreitende Toni mit ihren hellen Augen erspähte ihn doch.

      Erschreckt wurzelte sie fest, hart am Bollwerk, dann warf sie die Lippen auf und ballte die Fäuste. „Solch dummer Bengel,“ schimpfte sie in sich hinein, als sie ihren Beschützer mit einem kräftigen Anlauf auf das kleine Dampfboot springen sah, „da läuft er wieder. Hat Angst vor mir, die Memme. O, du, wenn ich dich hätte, wie wollte ich dich — —“

      Blitzenden Auges hob sie die Hand zum Schlage, während sie trotzig kehrt machte. Und nur ein einziges Mal glitt ein beistimmendes Lächeln um ihren Mund. Das war in dem Moment, als der alte Jimm Kükeweih, der rauchend auf dem Bollwerk hockte, dem Flüchtling mit seiner fürchterlich dröhnenden Stimme nachbrüllte:

      „Kiek — kiek — Gust — will Professer werden — hollt em up — hollt em up2) — Gust, Hanswust.“

      Gust schritt durch Wedena.

      Das kleine ehemalige Klosterdorf liegt ganz in struppige Gärten eingebettet. Es hat eigentlich nur eine einzige Strasse, und die Häuschen rechts und links sehen kahl und müde aus. Als sehnten sie sich nach Ruhe. Oder als fühlten sie sich altersschwach und wunderten sich nur, dass sie noch immer daständen und nicht ebenfalls längst dem grausen Fluch des Versinkens und Vergessens anheim gefallen wären, in dem das stattliche Kloster dort drüben im Eichenhain vor Hunderten von Jahren längst verschwunden war.

      Nur ein paar rote Ruinen dämmern noch herüber und im Sonnenschein schütteln sie ihre verwitterten Häupter, und durch die langen Gänge seufzt klagend die Frage: „Wann? — Wann?“

      Wann wird endlich der Pflug mit eisernem Zahne sie hinwegbeissen? Wann wird hier wieder neues Leben blühen, Halmfrucht und Kohl?

      Aber das wusste keiner, Gust wusste es auch nicht, denn in der landwirtschaftlichen Schule, die sich hier angesiedelt hatte, und auch in dem nahen Dominium regte sich nicht viel — überall dieselbe dumpfe Stille, als hätten die toten Mönche die Gegend mit Verwünschung belegt.

      Immer bedrückter und beklommener fühlte sich Gust, als er dies unveränderliche Schweigen durchmass. Er schaute auf die Äste der Kirschbäume, die noch im Laub standen.

      Kein Vogel sang.

      Begierig blickte er durch die Zäune der kleinen Kathen. Allein nur ein paar alte Mütterchen sassen in der Sonne und wärmten sich.

      Schweigen — Schweigen.

      Plötzlich ergriff Gust eine heftige Sehnsucht nach Martha.

      Sie allein, — das empfand er ganz deutlich, wenn sie jetzt daher käme, sie allein könnte diese brütende Stille hinwegscheuchen — eine Handbewegung von ihr, und aus den Kirschbäumen würde es zwitschern, die alten Mütterchen vor den Häusern würden mit den Köpfen nicken und Jugenderinnerungen austauschen — und er? — er würde —

      „Nummer 12.“

      Er stockte. Hier befand sich Marthas Haus.

      Hinter der Biegung der Strasse lag es, hatte vor sich nur die holprige Chaussee sowie den unermesslichen Hain. Drüben hoben sich die Eichenwipfel starr in die blaue Luft, und in dem Hause regte sich nichts.

      Er durchmass den kleinen Vorgarten. Dunkle Schatten lagen hier. Die breiten Kastanien bildeten fast ein Dach. Dann stieg er drei Steinstufen in die Höhe. Die Glastür war nur angelehnt. Ungehindert gelangte er in ein Wohnzimmer. Alte blaugraue Gobelinmöbel standen hier herum, die Wände waren bis zur Hälfte mit einer Ledertapete ausgeschlagen, sonst waltete auch hier ein Halbdunkel, jene ungemütliche grüne Dämmerung.

      Beklemmt blieb der Eindringling einen Moment stehen, um verstohlen um sich zu spähen. Konnte sich nicht jeden Moment das scharf geschnittene Haupt des alten Kräplin aus einem dieser Sessel aufrichten, um mit ätzender Stimme zu fragen:

      „Nun? Woher, junges Deutschland? Wohin?“

      Aber die blaugrüne Stube lag weiter in ihrer dämmernden Lautlosigkeit.

      Auf Zehen schritt Gust fürbass.

      Noch ein paar kleinere Räume, sehr einfach mit Holzmöbeln besetzt, dann eine rotgepflasterte Diele, eine schwere, ungefüge Tür, und er befand sich wieder auf ein paar Steinstufen, die auf den Hofraum hinaus leiteten.

      Kaum aber knarrten die ächzenden Türangeln, da wurde wirklich die gefürchtete Stimme laut:

      „He — wer ist da? — Ah, Sie sind’s, junger Herr Petersen. Wollen Sie bereits Stunden geben? Kommen Sie doch, bitte, herunter.“

      In einer Ecke des Hofes, dicht neben den Holzplanken, die ihn begrenzten, war ein grosses tiefes Loch gegraben. Und auf dem ausgeworfenen Erdhaufen, da stand Marthas Vater in einer alten, grauen, zottigen Jacke, eine schwarze Brille zum Schutz gegen die Sonne vor den Augen, während sein junger Verwandter, Malte von Zingst, zu seinen Füssen auf einem Brett kniete und eben im Begriff stand, eine Massleine in den Brunnen herunter zu lassen.

      Befangen trat Gust näher und zog den Hut.

      „Guten Tag, Herr Kapitän.“

      „Tag,“ wünschte der alte Kräplin, verzog den Mund zu einem süsssauren Lachen und winkte geschäftig mit seinem gelben Meterstab. „Steigen Sie gefälligst hier herauf — so —. Wofür halten Sie das Ding, Herr Professor? — Na?“

      „Das?“ entgegnete Gust, der sich schüchtern über die Öffnung gebeugt hatte. „Das? — Das dürfte wohl ein Brunnen werden.“

      „Dürfte? — Da haben Sie wieder recht,“ tadelte der Grauzottige gallig —. „Angelegt ist das Ding ganz regulär, und unter den Meeresspiegel sind wir gleichfalls schon längst hinaus. Und doch läuft kein Tropfen Wasser hinein.“ — Er fuchtelte mit seinem gelben Stab: „Sehen Sie sich einmal um. Haben Sie eine Ahnung, woran das liegt? —“

      Gust blickte rund herum, auf die schwarze Brille, auf die Massleine, und schliesslich in die blaue Luft, um endlich kleinlaut zu gestehen, dass er den Grund der Erscheinung nicht recht zu erklären vermöchte.

      Dies schien Marthas Vater jedoch sehr zu erfreuen.

      „Aha,“ räusperte er sich befriedigt. „Kann es nicht erklären. Na, und du, Malte?“

      Der Kniende erhob sich und klopfte sich die Kleider ab:

      „Das ist doch nicht schwer, Onkel,“ entgegnete er dann ruhig; „das liegt an der breiten Tonschicht, die nichts durchlässt.“

      „Was du sagst?“ verwunderte sich der Alte und nahm die Brille ab, um seinen praktischen Verwandten beifällig zu mustern. „Na, und weshalb glauben Sie wohl,“ fuhr er wieder zu Gust herum, „habe ich den Brunnen nun gerade an dieser schlechten Stelle angelegt? Nur, weil ich ein Esel bin? Ein Schafskopf? Ein altes Dromedar? Wie?“

      Gust versank allmählich immer tiefer in die weiche Erde. Deutlich und kränkend empfand er obendrein die geringe

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