Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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Beklemmung führte er den Finger zum Munde, und grenzenlose Verlegenheit malte sich auf seinen Zügen.

      Er also? Herr Gott, war er tatsächlich so schlimm? Aber wenn Toni wirklich seinetwegen so leiden musste, ja, besass er dann nicht die dringendsten Verpflichtungen gegen sie? Ganz gewiss, er musste ihr seinen Beistand leihen, sie von diesen unwürdigen Fesseln lösen. Dazu war er doch Catilina, dass er die Unterdrückten von ihrer Sklaverei befreite.

      Und wie er jetzt auf dies Mädchen in der grünen Schlafdecke hinblinzelte, das so rührend hilflos vor ihm sass, da befiel ihn die weiche Zärtlichkeit des Beschützers für dieses weinende junge Weib.

      „Sei ruhig, Toni, ich will dir helfen.“

      „Ach, wenn du das könntest — aber ich glaub’s nicht, die Welt ist so schlecht.“

      „Ja, schlecht ist die Welt, man muss alles zusammenschlagen.“

      „Und dann bin ich auch so verlassen.“

      „Das sollst du nicht sagen. Ich bin ja dein Freund.“

      Toni wandte unvermutet ihre blauen Augen auf ihn hin.

      „Ach, Gust, bist du nicht der Freund von Martha?“

      Da bekam Gust plötzlich einen seelischen Stoss. Seine Gedanken und Gefühle verwirrten sich. Gehörte er im Moment wirklich der fernen, reinen Martha, vor der seine Einbildungskraft kniete wie der Diener, der seiner Herrin die Schuhe löst, oder war das Rauschen und Treiben, das jetzt durch seinen Körper flutete, stärker, war es das Irdische, das Wirkliche, was ihn zu Toni leitete?

      Als er noch so schwankend verweilte, da regte sich Toni, und die grüne Schlafdecke verschob sich etwas von ihrer Schulter.

      Gust wurzelte fest.

      Ah, — da erschien es wieder, dasjenige, was Toni so neu, so einzigartig machte, so reich, so hoch, so göttlich —

      Noch einmal riss er sich los, durchmass mit schweren Schritten den kleinen Raum und bezwang sich.

      Aber das schwere Rauschen in seinen Gliedern dauerte fort.

      „Höre, Toni, du musst selbständig werden,“ entschied er endlich mit kräftigem Entschluss.

      „Ja,“ rief die Angeredete, stürmisch aufspringend; „du hast recht. Aber wie soll ich das werden?“

      Er wandte wieder seinen Blick auf sie und sein Herz klopfte.

      Warum?

      Er begriff sich nicht. Vielleicht war er krank. Ganz zerschlagen fühlte er sich.

      „Sag’, was soll ich werden?“ drängte die Fortgerissene von neuem.

      In diesem Augenblick hatte die starke Einbildungskraft des Phantasten Macht über seine Zuhörerin gewonnen. Und nun ging es über Stock und Stein.

      „Was soll ich werden? Ich tu alles, was du sagst.“

      „Etwas recht Hohes — du sollst — sollst — ach, willst du nicht Schauspielerin werden?“

      „Ich?“

      Mitten in der kleinen Dachkammer und noch immer dicht umhüllt von der schützenden grünen Decke wuchs sie an. Zweifel kamen ihr.

      „Schauspielerin? Ich?“ wandte sie zaudernd ein.

      „Ja, ja, du hast eine schlanke Gestalt wie eine hübsche Weidengerte, Toni.“

      „Ja?“ wachte sie auf, „hab’ ich die?“

      „Und sprechende blaue Augen, die voller Leben sind.“

      „Findest du? Ist das auch wahr?“

      „Gewiss, wie kannst du nur zweifeln? In solch’ einem feierlichen Augenblick? Und dann — es geht von dir so etwas aus — —“

      „Was? Sag’ doch schnell —“

      „Solch eine Kraft — versteh’ mich recht — solch eine Macht, die bezwingt.“

      „Ach, du Lieber, du Guter.“

      Sie wollte auf ihn zustürzen, ihm die Hände drücken, sie küssen. Jedoch die Decke, die verwünschte lange Schleppe hinderte sie noch einmal.

      „Ja, und was du noch nicht kannst, das lehre ich dich — wir lesen Theaterstücke zusammen, ich spiele dir vor — pass’ mal auf.“

      „Ja, ja — alles, alles, was du nur willst, Gust,“ wollte sie jubeln, allein plötzlich verstummte sie. Ein erdrückender, niederschlagender Gedanke lähmte ihre Freude.

      „Was ist denn?“

      „Meine Eltern — die leiden es ja nie und nimmer.“

      „Eltern?“ wiederholte Gust verächtlich; ein trotziger, ablehnender Zug glitt über sein gutmütiges Antlitz. Dann schlug er herausfordernd die Arme untereinander. „Darin liegt es eben. Du brennst einfach durch.“

      Da schlug Toni schallend die Hände zusammen. Die Decke entglitt ihr, und die Sonnenstrahlen warfen kleine helle Tupfen auf ihre Haut.

      „Durch?“ echote sie, während ein Schauer von Freiheit und Glück sie zu überrieseln begann.

      Sie wusste nichts mehr von sich, sie ahnte nicht einmal, warum Gust ganz plötzlich und unvermittelt vor ihr zitterte.

      „Ja, durch,“ gab er in seinem hinstarrenden Traum zurück, und seine Stimme klang dumpf und gepresst, und seine Blicke hefteten sich verzweifelt auf das am Boden liegende Tuch, „zu Direktor Türckow nach Stralsund. Den kenn’ ich ganz genau.“

      „Du, das tu’ ich,“ schrie Toni im hellsten Glück. „Das tu’ ich.“

      Mit einem einzigen Sprung schnellte sie auf ihren Befreier zu, und während sie beide Arme um seinen Hals schlang, presste sie ihren schmalen blonden Kopf an seine Wange.

      Einen Augenblick dünkte es Gust, er stände auf einer neuen Erde, eine vorüberzuckende Minute glaubte er, er sei bis dahin noch nicht gewesen, und ein ganz fremder, neuer, riesenstarker Mensch wüchse in ihm empor. Dann aber tat er die Augen auf, und diese Augen nahmen wahr, wovor er bis jetzt brennende Furcht empfunden.

      Das Unverhüllte.

      Blutrot und peinigend schlug die Scham über ihm zusammen. Ihm war es, als ob er im Moment das halbnackte Mädchen dort hassen müsse.

      „Pfui,“ verwies er sie heftig, während er sich mit schweren Bewegungen loswand. „Pfui, Toni — besinn dich doch — das höchste an der Frau ist die Tugend.“

      Aber sein Ausbruch war zu unvermittelt, die stürmische Toni begriff ihn garnicht.

      „Tugend? Was hast du denn? Bleib doch.“

      „Nein — nein.“ — Er hatte sich losgerungen, und nun stürzte er zur Tür, nicht, als hätte eben das Leben seine lieblichste Gabe an die Brust des Unfertigen gelegt, sondern, wie wenn

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