Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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ihr Schafsköpp, das war doch man, weil er als Kapitänleutnant seine Fregatte auf den Sand gesetzt hatte. Da oben in den schwedischen Schären. Und das ganze Schiff war verloren.“

      „Ja, deshalb haben sie ihn abgesägt. Aber weshalb hat er nach seiner Entlassung alle patriotischen Bilder aus seinen Zimmern wegnehmen lassen? Merkt ihr was?“

      „Und dann die Reden, die er führt. Habt ihr die mal gehört? Du, ich glaub’, er is bestimmt ein Sozialdemokrat.“

      „Pfui, ihr dummen Kläs, wie kann ein Kapitänleutnant woll ein Sozialdemokrat werden?“

      „Ja, ja, darin hat Malte von Zingst recht. Republikaner is fein, aber Sozialdemokrat, das is gemein.“

      „Aber ein alter grober Kerl ist der alte Kräplin.“

      „Das is er. Er is ’n ollen groben Sweinigel.“

      Und nun stand der hohe, hagere Mann mit seinen grauen, peinlich und soldatisch nach vorn gekämmten Haaren vor Gust, und die scharfen, blitzenden Augen des alten Militärs hielten über den jungen Mann zuvörderst eine Musterung ab.

      Gust fühlte, dass der alte Kapitän in diesem Moment alles sah. Den Gehrock mit den abgeschabten Ärmeln. Aber auch die tadellose weisse Krawatte.

      „Setzen Sie sich, Fräulein,“ forderte endlich Marthas Vater mit scharfer, beinahe ätzender Stimme, während er sich ruckweise zu Tante Betti kehrte. „Dies also ist Ihr Neffe?“

      „Ja“, erwiderte Betti, vor dieser militärischen Kürze ein wenig befangen. „Dies ist Gustav Petersen — er ist der Sohn meines verstorbenen Bruders, und ich hoffe, Herr Kapitän — —“

      Der alte Kapitänleutnant schüttelte ungeduldig den Kopf. „Wie alt sind Sie denn?“ fragte er barsch dazwischen, während er sich jetzt direkt an den vor ihm verharrenden Gust wandte. Und gleich darauf ergingen die ebenso knappen Fragen, ob Gust jetzt sein Examen absolvieren und was er werden wolle?

      „Ich will — Historiker werden,“ versetzte Gust, obwohl er im Augenblick fühlte, dass er sich über seine Neigung garnicht recht im klaren wäre.

      „Jawohl,“ sekundierte Betti, sich zurücklehnend, „Professor, der die Geschichte studiert.“

      „Aha — so — so.“

      Der alte Kräplin beugte sich vor, verzog höhnisch den Mund und um die scharfe Hakennase zuckte es.

      „Also solch ein Mensch,“ warf er ablehnend hin, „der die Tatsachen fälscht, wie es gerade verlangt wird? Hofhistoriograph? was?“

      Da verliess Gust die Überlegung. Glühendrot wurde er, nein, er musste sich vor Marthas Vater zeigen:

      „Herr Kapitänleutnant,“ begann er mit zitternder Stimme. „Das werd’ ich nie und nimmermehr werden. Denn meine innerste Überzeugung führt mich zur Republik, und zwar im atheniensischen Sinne.“

      Diese letzte Einschränkung hielt Gust für besonders gut.

      Einen Augenblick wurde es ganz still.

      Man hörte deutlich einen schnarrenden Atemzug von Tante Betti, die, entsetzt, die Unterlippe sinken liess und vernahm, wie der alte Herr seinen Stuhl ein wenig rückte.

      Dann aber begann der Kapitänleutnant plötzlich in ein kurzes, knasterndes Lachen auszubrechen. Es blieb zweifelhaft, ob er sich ärgere oder heimlich amüsiere.

      „Hören Sie mal, junger Herr, Sie wissen wohl nicht, was Sie da reden?“ stiess er endlich abgehackt hervor, während er dicht vor Gust hintrat, als wolle er ihn nochmals von allen Seiten betrachten. „Solche Reden verbitte ich mir in meinem Hause. Verstehen Sie? Unreifes Zeug das — lauter Dummheiten. — Na und Sie,“ fuhr er höhnisch fort, wobei er sich einen schwarzen Hornkneifer aufsetzte, „Sie wollen meiner Tochter Literaturstunden erteilen? Haben dies Feld wohl auch bloss so von der grünen Seite beackert? Wie?“

      „Herr Kapitän,“ rief Gust, vor dessen Augen alles rötlich verschwamm.

      „Na, was denn, mein Jünging?“

      „Ich lasse mich von keinem Menschen beleidigen. Auch von Ihnen nicht.“

      Gust war es, als ob ihn bei diesem fürchterlichen Streite die ganze Klasse belausche, um ihm wie einem Gladiator zu applaudieren:

      „Um Gottes willen,“ sprang Tante Betti verstört dazwischen. „Herr Kapitän, ich gebe Ihnen mein Ehrenwort, dass ich bis heute — — —“

      „Setzen Sie sich, liebes Fräulein, setzen Sie sich doch. Was gibt es denn Grosses? Also Sie lassen sich nicht beleidigen, mein Söhnchen?“ Und wärmer setzte er hinzu: „Ist das auch Ihr Ernst? Ist das auch wirklich Ihre aufrichtige Meinung?“

      Jetzt konnte Gust die Tränen nicht länger zurückhalten, aber er nahm sich zusammen und erklärte mit schwankender Stimme, dass er nach dem Vorausgegangenen auf die Ehre verzichten müsse, Fräulein Martha Stunden zu erteilen. So gern er es auch getan hätte. Ja, so gern er es auch getan hätte.

      Es war nur ein ganz feines Schlucken, das ihn dabei befiel, und dann griff er nach seinem vergilbten Strohhut und machte seine Abschiedsverbeugung.

      „Herr Kapitän,“ schob Betti atemlos dazwischen, die schon mehrmals in unterdrückter Wut den Schirm auf die Erde gestossen hatte: „Ich versichere Sie, Gust muss krank sein. Die Angst vor dem Examen. Sonst ist es mir unerklärlich. — Aber nun komm, mein Jünging,“ setzte sie mit einem Zornblick für Gust hinzu. „Komm man.“ Allein, ehe sie noch zur Schwelle gelangen konnten, hatte der alte Kräplin bereits den Arm des jungen Mannes gefasst und hielt ihn zurück. Und dann fiel es halb ärgerlich, abgerissen und zerbröckelt von seinen Lippen, nicht so heiss nehmen — alter kränklicher Mann — alle pensionierten Offiziere seien so — man hätte ja auch sein Kreuz zu tragen — aber, was der junge Herr da von „nicht gefallen lassen“ gesprochen hätte, das sei gut, das sei sehr gut, das bilde Charaktere.

      „Ja, man müsse allerdings einen Charakter besitzen und einen Lebensplan dazu,“ warf Betti in ihrer Not dazwischen, „das wäre die Hauptsache.“

      „Na, dann geben Sie mir mal die Flosse, junger Petersen,“ knurrte der Hausherr. Und als Gust zwar das Haupt nicht hob, weil er noch Tränen in seinen Augen spürte, aber dennoch schüchtern die Finger zur Höhe brachte, da drückte sie ihm der Kapitänleutnant mit starker Umklammerung.

      „Schön. Nun geben Sie mir bitte Ihr Wort, dass in den Stunden von Politik und — na ja — also auch von Religion nichts gesprochen wird. Verstanden? Das bitt’ ich mir aus. — Gut. — Und im übrigen, da können Sie mit meiner Martha in Schöngeisterei schwärmen, so viel Sie Lust haben. Träumt leider sowieso schon zu viel, die Dirn. Übrigens, da nebenan sitzt sie mit ihrem Vetter. Gehen Sie ruhig rein, junges Deutschland, und besprechen Sie mit ihr den Stundenplan. Das Geschäftliche mache ich inzwischen mit Ihrem Fräulein Tante allein ab. Und nun wünsche ich Ihnen noch viel Glück zum Examen. — Wenn Sie sich da auch nichts gefallen lassen,“ fügte er mit einem nach innen gekehrten Seufzer hinzu: „so wird’s Ihnen gut tun. Für alle Fälle — adieu. Und nun bitte, liebes Fräulein, ich zahle also für die Stunde — — — — — — — — — —“

      Zur selben Zeit, als dies in dem weiten Staatszimmer der Kräplins geschah, sassen zwei junge Menschenkinder in dem

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