Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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ist ja alles Schnack, Gust — hier, komm und fühl eins, wie rund und fest meine Arme geformt sind. Is das nich’ hübsch?“ —

      Allein Gust rückte schnell von ihr fort: Darauf käme es nicht an, bemühte er sich hochfahrend und belehrend vorzubringen, obwohl ihm die Stimme vor Verlegenheit zitterte. Das Zweckmässige und die Muskulatur seien die Hauptsache.

      Darauf schwiegen sie wieder eine Weile.

      Toni zog sich den Ärmel straff, und Gust bemühte sich, in die dunkle Nacht zu starren, die aus schwarzem, zahnlosem Mund zu ihnen herüber grinste.

      Die alte Urmutter spottete heimlich über das immer sich gleich bleibende Ringen der Geschlechter.

      Als der Regen jedoch stärker und immer stärker auf ihren Schirm zu trommeln begann, sagte Toni unvermittelt mit einer wegwerfenden Gebärde:

      „Wirklich, das ist ja alles Schnack. Ihr Jungen seid für vieles eben noch zu dumm. — Aber sag’ mal, wird Karl das Examen übermorgen bestehen?“

      Gust nickte gleichgültig und dachte nach.

      Tonis Bruder war gegen die Lehrer stets gefällig gewesen, zudem hielten sich seine Leistungen gewöhnlich auf einem anständigen Mittelmass. Warum sollte er die Prüfung nicht durchmachen?

      „Und du?“ fragte Toni nun gespannt und kehrte ihm rasch ihr Antlitz zu, dessen weisse und rote Farben sogar durch die Nacht zu leuchten schienen.

      „Bei mir ist das etwas anderes,“ gab Gust hochaufatmend zurück, und durch seine hagere Gestalt strömte etwas von dem Wesen Napoleons: „Sieh, Toni, du musst nicht darüber sprechen. Aber weisst du, warum ich nicht die geringste Furcht habe, sondern im Gegenteil die grösste Zuversicht? Das kommt daher, weil alle Nationen ihre gesamte Volkskraft, ihre besten Tugenden, wie Treue, Tapferkeit, Phantasie, Stärke in einzelnen Menschen verkörpern. So ist das auch bei Napoleon gewesen, und ich habe die Ahnung, dass das bei mir auch der Fall sein kann.“

      „Aber, um Gottes willen,“ erschrak Toni und ergriff unwillkürlich seine Hände. „Du wirst dich doch nicht neben den Kaiser stellen wollen?“

      Ohne es zu wissen, begann er krampfhaft ihre Finger zu pressen, und sie, die Freude an dem starken Druck empfand, überliess sie ihm willig. Und dann strömte es in stolzer Rede von seinen Lippen wie ein junger Gebirgsbach, der ungeheure Steine, die jahrtausendelang in ihrer ordnungsvollen Ruhe gelegen, schmetternd zu Tal stürzt.

      So klang es der Gebannten ins Ohr.

      Unermesslich wäre eben das Unglück, dass sich nicht neue Menschen neben die ganz Grossen zu stellen wagten. Die ungeheure Mutlosigkeit und Bedrückung, die auf dem jetzigen Geschlecht lägen, unter ihnen verkümmere alles. Aber jetzt sei endlich die Zeit der Erfüllung, denn nach dem Ausspruch eines genialen Philosophen, den er erst kürzlich gelesen, brauche man nur den Willen, den ganz festen, unerschütterlichen Willen zur Macht zu besitzen. Und den spüre er in sich, dass es ihm fast in den Händen zucke.

      O, du sollst mal sehn — du sollst mal sehn!“

      Toni sass neben ihm in ihrer frischen Natürlichkeit, die sich nur an das Greifbare hält, und alles, was sie von seiner Empfindung erfasste, das war der berauschende Klang seiner Worte und der sich immer mehr verstärkende Druck der Hand.

      Wie es in diesen Fingerspitzen fieberte, das teilte sich ihr stark und rieselnd mit.

      „Ach, Gust,“ stotterte sie endlich bewundernd.

      „Was, Toni?“

      „Ich wünschte, dass sich dir alles erfüllte. Und dass du mal ein recht reicher Mann würdest.“

      So — da hatte sie ihm in ihrer derben Erdenhaftigkeit den goldenen Stuhl hingesetzt und den silbernen Fussschemel davor gerückt. Strahlendere Schätze barg ihre Phantasie nicht, aber den aller Gegenwart Entrückten stach das plötzliche Wort, das so sehr der Erde gehörte, es verletzte ihn förmlich.

      „Lass das,“ gab er unsicher zurück.

      Zugleich empfand er, dass die Nässe an seiner Haut heruntertroff.

      Er stand auf und zitterte.

      „Komm,“ forderte Toni, die merkte, dass sie ihren Gefährten beleidigt haben könnte, „komm, die da drin sind ja doch noch nicht fertig; wollen ein Stück gehen. Bis zu Kükeweih. Wenn du dabei bist, fürchte ich mich nicht.“

      Dies letzte sagte sie ihm zur Versöhnung. Denn sie war sonst ein geschmeidiges, furchtloses Mädchen.

      „Nun gut,“ entgegnete Gust geschmeichelt.

      Sie gingen.

      Unter dem braunen Bollwerk, an dem sie entlang wanderten, tauchten bei jedem Schritt die schwarzen Umrisse von Schiffen auf. Starr und skelettartig ragten auf Augenblicke ihre kahlen Rahen aus der Finsternis, um gleich darauf wieder im Nebel zu verschwinden. Von Zeit zu Zeit mussten die Wandrer straff ausgespannten eisernen Ketten aus dem Wege gehen, mit denen die schweren Jachten ans Ufer geschlossen waren. Dicht über der murmelnden Wasserfläche, die man nicht sehen, nur hören konnte, zuckte zuweilen ein irrender Schimmer, gleich einem grossen Leuchtkäfer auf, der in den Nebeln sterbend mit den Wassern kämpfte. Das waren aber nur die verschwimmenden Lichter, die tief aus den Höhlen der Schiffe drangen, von wo man auch undeutliche Menschenstimmen vernahm.

      So waren die beiden Freunde eine Strecke weit gegangen, als Toni sich keck zu ihrem Begleiter wandte.

      „Du, Gust, warum gibst du mir eigentlich nicht den Arm?“ begann sie. „Oder fürchtest du dich, weil es von der Schule verboten ist?“ setzte sie spöttisch hinzu.

      „Ich fürchte mich nicht.“

      Gust erschrak.

      Dann blickte er sehr betroffen auf seine Bedrängerin.

      Toni betrug sich heute wirklich höchst merkwürdig. Es wurde Zeit, sie in die gebührenden Schranken zurückzuweisen.

      „Lass das,“ wies er sie deshalb ärgerlich ab. Und um eine Erklärung zu geben, stotterte er noch hinzu: „Das sind alles überlebte Formen.“

      Da zog sie den bereits erhobenen Arm entrüstet von ihm.

      „Du hast keine Idee, wie man mit jungen Damen umgeht,“ war ihre ganze Erwiderung. „Du kennst die Welt noch nicht.“

      „O, ich kenne die Welt,“ versetzte Gust siegessicher. Und er dachte im Moment an den dunklen, goldgeschmückten arabischen Hengst. Nur seltsam, dass zur gleichen Zeit sein Herz laut und ängstlich zu pochen begann.

      „Na, nu kommt man rein,“ forderte der alte Kükeweih die beiden an der Schwelle Stehenden auf. „Aber erst will ich hier noch ein bisschen Licht machen, sonst fallt ihr hin.“

      Damit erhob sich aus dem Halbdunkel der engen hölzernen Hütte, die vor Zeiten ein Anbau eines Räucherhauses gewesen war, eine riesige Gestalt. Im Scheine des Lichtstümpfchens erschien sie von so phantastischen Dimensionen, dass man garnicht begriff, wie sich dieser Hüne in einem derartig niedrigen Raume vom Platze bewegen könne, ohne sich an den Deckenbalken den Schädel zu zerschmettern.

      Auch sonst gab es hier Dinge, die verwunderlich waren.

      Da

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