Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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er musste ja auch Soldat werden.

      Und dann — wer konnte das Ende wissen? — Schlachten, ein unerhörter Aufstieg — Napoleon.

      Da war er wieder — sein Lieblingsgedanke.

      Wenn er diese Ideen durchfieberte, dann umrauschten ihn gischtende, perlende Ströme, in denen sich seine Seele gesund badete.

      Es war so vieles morsch im Vaterlande. Thron, Staatsleben, Religion, alles war alt geworden, verbraucht. Hatten sie nicht in dem Schülerverein, den Gust heimlich gegründet, das alles ausführlich und oft besprochen? Und er musste sich stolz gestehen, dass er Karl Stark, der Bankbeamter werden wollte, und sogar den Junker Malte von Zingst zu seinen Ansichten bekehrt hatte.

      Alle seine Mitschüler gaben zu, dass man nach neuen Formen und nach neuem Inhalt lechze.

      Nur der starke Mann fehlte, der gnadenspendende Diktator, der Napoleon und Christus zugleich sein musste.

      Aber er fehlte ja garnicht, er sass ja da — hier auf der feuchten Bank, und hob im Augenblick spürend die schmale Hakennase in die Luft, als vernehme er bereits die Hufschläge des Rosses, das man ihm bringen würde.

      Von fern wieherte etwas.

      Gust fuhr zusammen.

      Er sah ihn deutlich vor sich, den schwarzen arabischen Hengst.

      Und dann aufgesessen und mit dem Degen nach Russland gewiesen, wo der Feind aller Kultur zertrümmert werden musste.

      Hörst du sie klingen?

      Tausend helle Trompeten schmettern: „Freiheit — Freiheit — —“ Die ungeheuren Ödstrecken werden bebaut, überall verkünden jauchzende Sendboten des Kaisers neues Evangelium: das irdische Paradies.

      Ein schwerer Regentropfen, der gerade auf Gusts Nase fiel und auch auf die Augen abspritzte, öffnete diese wieder dem gewöhnlichen Leben.

      Eben kamen leichte Tritte die Strasse herunter, und schon von weitem erkannte Gust, dass man keinen arabischen Hengst bringe, sondern dass es nur Toni Stark wäre, deren schlanke Gestalt halb von einem aufgespannten Regenschirm verdeckt wurde.

      Als sie an ihm vorbei gehen wollte, streckte er plötzlich die Hand nach ihrem nassen Röckchen aus.

      Darüber erschrak die Siebzehnjährige.

      „Bist du’s, Gust?“ fragte das blonde Mädchen, während sie den Schirm sinken liess, um den Sitzenden in der Dunkelheit deutlicher zu erkennen.

      „Ja, ich, Toni.“

      Und nachdem er ihr erklärt hatte, warum sie beide hier draussen warten sollten, setzte sie sich neben ihn. Feiner und durchdringender stäubte der Sprühregen auf die beiden nieder, von ihnen nicht beachtet, weil sie gerade durch das Rouleau spähen mussten, hinter dem der hagere Schatten von Tante Betti im Moment ganz vernehmlich die Worte sprach:

      „Ihre Vorschläge, Herr Winkelmann, sind so, wie ich sie erwartet habe. Ich nehme sie also im Namen meiner Schwägerin dankend an.“

      Darauf erhob sich der Schatten des Herrn Winkelmann und verneigte sich.

      Dann wurde drinnen wieder alles still.

      Nur der Fluss plätscherte an das Bollwerk. Und ganz vom Ende der Gasse, wo der alte Kückeweih wohnte, den die Stadt als Leichenfischer angestellt hatte, klang eine verstimmte Geige herüber.

      Der alte Fischer sang dazu:

      „Ich hatt’ einen Kameraden,

      Einen bessern find’st du nicht.“

      Da rückte Toni dicht an Gust heran, und nachdem sie den Schirm über sich und den Jugendfreund ausgespannt hatte, schob sie auch noch den Arm vertraulich unter den seinen, was sich der Gymnasiast ohne besondere Regung gefallen liess.

      „Du, Gust,“ hob sie fröstelnd an, während sie rasch hinter sich auf den erleuchteten Vorhang wies, „bei uns zu Hause, da wird auch schon wochenlang beraten. Über Karl. Er soll ja durchaus viel Geld verdienen. Immer bloss Karl. Um mich kümmert sich wieder kein Mensch.“

      Als sie das sagte, zitterte plötzlich ihr Körper, und ihre vollen roten Lippen bebten wie im Frost.

      Gust starrte sie durch die Finsternis an.

      Und sein Geist ward abgelenkt.

      Wirklich, er war all die Jahre hindurch so vollkommen in dem gläsernen Hause seiner Träume eingeschlossen gewesen, dass er das allmähliche Aufwachsen dieser Seele neben sich überhört oder übersehen haben musste. Ja, jetzt war er im höchsten Grade erstaunt, dass da überhaupt etwas sich Entfaltendes neben ihm sässe.

      „Du, Toni?“ fragte er verwundert, „entbehrst du denn das?“

      „Was?“

      „Dass man sich um dich zu Hause weniger kümmert?“

      Sie wischte sich mit einer raschen Bewegung die Nebelperlen von dem dunklen Jackett, und ihr frisches Antlitz entfernte sich etwas von Gust.

      „Ich bin jetzt in dem Alter,“ gab sie trotzig zurück, „wo man jemand besitzen muss, den man lieb haben kann. Das verstehst du noch nicht.“

      So sprach die Siebzehnjährige.

      Gust ging ins neunzehnte Lebensjahr.

      „Du hast doch deinen Vater,“ tastete Gust vorsichtiger, der zu seiner grössten Überraschung empfand, dass er hier an etwas Fremdes, ihm bisher Unbekanntes rühre.

      Das war das Weib.

      Aber Gust, der bereits von braunen Zöpfen und schlanken Hüften träumte, wusste es trotzdem nicht.

      Neben ihm bewegte sich das Mädchen und blickte vor sich nieder.

      „Ja, meinen Vater,“ erwog sie. Und dann setzte sie rasch entschlossen hinzu: „Aber er hat nichts zu sagen. Wenn ich bloss ein Mann wäre wie du, o wie wollte ich dann —“ Hier schwieg sie und breitete die Arme aus, als wünsche sie etwas an sich zu ziehen.

      „Was würdest du?“ forschte Gust, zur Seite rückend.

      „Nichts — nein — das weisst du noch nicht.“

      Dieses Urteil war für einen Helden, der eben noch auf arabischem Hengst der Welt vorangeritten war, ein wenig zu unfreundlich.

      Verletzt zog Gust deshalb seinen Arm von dem ihrigen fort und äusserte mit festem Ton: „Du bist in letzter Zeit sehr hochmütig geworden, Toni.“

      Da wurde sie auf einmal ganz bestürzt, und indem sie sich sachte mit ihrem Arm wieder an den seinen drängte, lächelte sie verlegen: „Ach nein, das musst du nicht glauben, Gust; zu dir nicht.“

      „Es kommt auch einem Mädchen garnicht zu,“ vollendete nun Gust stolz. „Der Mann ist überall mehr wert. Sogar nach kunstästhetischen Gesetzen ist der männliche Körper schöner, als der weibliche.“

      „Wirklich?“ räusperte sich Toni erstaunt und dabei

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