Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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      „Mudding,“ fragte der alte Seesteuerkontrolleur ganz gemütlich dagegen: „Haben wir nich’ eigentlich schon gegessen?“

      Aber der Wille seiner Frau war niemals durch solche Einwendungen zu brechen. Hart und kalt blickte sie ihn an, legte die Hand auf den Tisch und durchschnitt kurz allen Widerspruch mit dem Satz:

      „Marie gibt es uns gern.“

      „Na, Mudding, ärger dir nich’,“ lenkte der Seebeamte ein, während er sich schwerfällig niederliess, wobei er seinen grünen Uniformrock aufknöpfte: „Und du, Mariing,“ wandte er sich augenzwinkernd an die Frau Kapitänin, die ziemlich ratlos auf die ungeladene Gesellschaft blickte, „mach’ dir keine Umständ’ — en bitschen Butterbrod und Käs, das is für uns ganz genug.“ Er setzte sich zu seiner Ehehälfte: „Nich’ wahr, Mudding? — Seggst du wat?“

      Mit diesen Worten, die in höchster Verträglichkeit vorgetragen wurden, pflegte der brave Seemann stets die nachträgliche Ansicht seiner Gattin einzuholen. Allein in dem straffen Sphinxgesicht der Frau regte sich nichts, worauf der alte Mann befriedigt erklärte: „Mudding seggt nix“ und sich seine kurze Tonpfeife entzündete.

      Gemütlich zogen die Wolken gegen die Lampe.

      Gust starrte auf sie hin.

      Nahm nicht eine derselben immer deutlicher die Form eines Daches mit spitzen Giebeln und allerlei Zacken und Rankenwerk an?

      „Das ist das gotische Haus am Markt,“ dachte Gust. „Wenn ich erst Professor bin und Martha lebt bei mir — die schlanke Martha mit den schönen braunen Zöpfen um das Haupt, und meine Mutter — dann — dann — —“

      Tante Betti wurde ungeduldig. Viel zu lange war die öffentliche Aufmerksamkeit von ihrer Person abgelenkt. Auch drängte es sie, zu erklären, warum sie nicht mit leeren Händen käme.

      „Also setzen Sie sich, Herr Winkelmann,“ forderte sie den dritten Teilnehmer der Konferenz ziemlich heftig auf, wobei sie mit dem spitzen Zeigefinger hart auf den Tisch stiess, und als das dürre Männchen mit dem bartlosen, feinen Junggesellenantlitz, den wohlgepflegten Händen und den ängstlich gescheitelten weissen Haaren sich vorsichtig in der dunkelsten Ecke des Zimmers dicht unter der alten Wanduhr niederlassen wollte, da scheuchte ihn Betti noch einmal mit hochfahrenden Worten auf:

      „Nein, bitte, hierher an den Tisch, Herr Winkelmann — jawohl, hier auf den Stuhl neben mir. Meine Schwägerin weiss sehr wohl, dass Sie im Auftrage unserer guten alten Freunde, der beiden Herren Kladow, erscheinen, in deren Anti—quitätengeschäft Sie ja seit langem als Prokurist tätig sind. Nicht wahr?“

      Der alte Junggeselle Theodor Winkelmann verbeugte sich ehrfürchtig vor Betti. Dann verneigte er sich der Reihe nach vor jedem der Anwesenden, so dass sogar Gust dieser Ehrenbezeugung teilhaftig wurde, worauf er sich verlegen zu räuspern begann, um endlich mit seiner feinen, Nachsicht heischenden Stimme zu erwidern, das gnädige Fräulein möge gütigst verzeihen, allein Prokurist — nein — das könne er doch so ohne weiteres nicht behaupten. Freilich im nächsten Jahre, bei seinem fünfundzwanzigsten Jubiläum, könnten vielleicht — ohne jedoch irgendwelche Ansprüche seinerseits — die beiden Herren Kladow sich veranlasst fühlen, eine solche Erhöhung — — —

      „Jawohl — ganz recht,“ unterbrach ihn Betti schonungslos. Dann wandte sie sich plötzlich unvermittelt an das Kontrolleur-Paar, denn sie fühlte sich völlig als die Präsidentin der Versammlung.

      „Was habt ihr also zu sagen?“

      „Mudding, seggst du wat?“ murmelte jetzt Vatting Stark in grosser Verlegenheit, wobei er steif unter den Tisch blickte.

      „Ach was —“ begann dagegen Tante Emma und ihr unbewegliches Gesicht spannte sich nur noch straffer: „Jeder muss auf das Seine sehen. Marie kann uns das nich’ übelnehmen. Du, Adolph, bist in solchen Dingen eine Bangbüx. Also,“ — sie wandte sich direkt an die Frau Kapitänin, durch deren massige Glieder unwillkürlich ein Zittern lief, während Gust in der Vorahnung der Atem stockte.

      O, die Welt war ohne Traum so grau und hässlich. —

      „Also, liebe Marie, seit voriger Woche weiss ich, dass dir Stark jeden Monat zehn Taler gibt; es ist mir nicht bekannt, ob du es ihm jemals wiedergeben kannst — aber da unser Karl übermorgen gleichfalls sein Examen macht und dann auf Universitäten muss, so meine ich, dass wir diese Summe unserem Jungen nicht länger entziehen können. — Das siehst du hoffentlich ein?“ setzte sie, bereits sicherer, hinzu.

      „Aber Emma,“ flüsterte die dicke Kapitänin, wie um Schonung flehend vor sich hin, und ihre grossen blauen Augen wandten sich voller Scham auf ihren Sohn, dem sie die Sorgen der Welt so lange verschwiegen hatte.

      Jetzt sank der rosige Schleier und nebeldampfend lag das Leben da.

      „Herr Gott,“ murmelte Gust und fasste sich an den Kopf, und der alte Junggeselle hauchte in seinem Schrecken unwillkürlich heraus: „Bitte tausendmal um Verzeihung.“

      Nur Betti blieb ungerührt.

      „Ist das alles?“ forschte sie kalt.

      „Ja,“ meinte Tante Emma immer freundlicher, denn das Wesentliche lag ja nun hinter ihr. Den Ausfall könnte sich ja Gust auch durch Stundengeben decken. Er hätte ja eine Menge gelernt. „Nicht so, Gust, mein Jünging?“

      „Ja, Tante,“ stotterte Gust furchtsam.

      „Und wenn du nicht so merkwürdige Redensarten machtest,“ schloss Tante Emma nun gänzlich beruhigt, „und nicht so komische Einfälle hast, dann würdest du auch gute Stunden bekommen. Nicht so, Stark?“

      Aber Vatting Stark hatte während dieser langen Rede gestöhnt, als läge er im Wasser und könne nicht ins rettende Boot gelangen. Jetzt machte er einen ungeschickten Versuch, der Hausfrau unter dem Tisch auf den Fuss zu treten, und brachte so recht gutmütig und aus unterstem Herzen hervor:

      „Mariing, ’s wird allens nich so schlimm. ’s wird allens wieder gut. Nicht so?“

      Da verbeugte sich auch der alte Junggeselle windschnell gegen Gusts Mutter und bestätigte mit seiner altertümlichen Galanterie, die er sich aus der Rokokoabteilung seines Antiquitätenladens erworben haben musste:

      „Meine verehrte Frau Kapitänin, es kommt alles zum glücklichen Ende — ich habe nämlich seitens meiner Prinzipale den Auftrag — —“.

      „Halt,“ rief hier Tante Betti beleidigt.

      Wenn sie jetzt nicht als Mädchen aus der Fremde das Füllhorn ausschütten konnte, dann hatte sie die Führung verloren.

      Das sah sie ein.

      „Halt, Herr Winkelmann,“ sagte sie spitz, „ich habe noch einiges zu bemerken. Erstens, liebe Emma, geht es dich garnichts an, ob Gust Redensarten braucht oder komische Einfälle hat. Um dieses beurteilen zu können, muss man selbst den gebildeten Kreisen näher stehen. Ich habe wenigstens noch nichts dergleichen an unserem Gust bemerkt. Und zweitens braucht er überhaupt über seine Zukunft nicht gar so besorgt zu sein.“

      Sie rückte sich zurecht und sah so selbstzufrieden drein, dass sich der Antiquar unwillkürlich vor ihr verneigte.

      „Ich danke Ihnen, Herr Winkelmann. Durch die vielen Einladungen, durch die ich beehrt werde,

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