Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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in das Heim eines Spielwarenschnitzers?

      Beides konnte für wahrscheinlich gelten.

      Überall an den Nägeln, Holzklötzen und Pfosten hingen und standen Violinen, Flöten, alte zerbeulte Trompeten, ja sogar eine bejahrte Kesselpauke herum, während auf dem Tisch und auf kleinen Eckbrettern allerlei halbfertige Holzfiguren, bewegliche Soldaten, schnappende Krokodile von lächerlichen Formen, sowie alle möglichen Papphampelmänner ihrer farbigen Vollendung harrten. Und wenn durch all den Leimgeruch hindurch, den ein blauer, auf zuckendem Holzfeuer stehender Tiegel von seinem Backsteinherde aus verbreitete, wenn durch diesen fetten Brodem sich nicht noch ein ätzender Trangeruch gedrängt und man nicht aus den dunklen Ecken Ruder und Netze wahrgenommen hätte, man würde niemandem auf sein Wort geglaubt haben, dass man sich bei dem Fischer Jeremias Kükeweih befinde, dem die Stadtverwaltung das vielbegehrte und feierliche Amt eines Leichenfischers anvertraut hatte.

      Auf diesem kleinen Gebiete jedoch leistete Jeremias Nieerreichtes.

      Wer vermochte, wie er, wenige Stunden, nachdem ein Unglücklicher sich und sein Schicksal in den Wassern geborgen, die irdische Hülle still und unbemerkt in seinem langen schwarzen Kahne wieder zurückzubringen?

      Keiner.

      Wer tröstete, wie er, die ernsten, hingestreckten Gestalten, wenn sie zur Nachtzeit unter dem braunen Segeltuch verborgen lagen, heimlich durch passend ausgewählte Flöten- und Geigenstücke?

      Hört zu:

      „Freut euch des Lebens,

      Weil noch das Lämpchen glüht,

      Pflücket die Rose,

      Eh’ sie verblüht.“

      Das wusste er besonders neckisch vorzutragen.

      Was konnte Jeremias dafür, dass er nicht sah, wie die Toten, die es nun besser wussten, zu dieser Ansicht meistens still die Köpfe schüttelten?

      Denn erstens lagen sie der Nacht wegen verdeckt und zweitens besass Jeremias überhaupt nur ein Auge — das zweite war ihm bei einem Fall ausgelaufen — und dieses einzige lag unter ungeheuren grauen Büschen verborgen, so dass ihm beinahe jede Aussicht versperrt wurde.

      Aber dies beeinträchtigte die Achtung, die man dem Führer der Toten entgegenbrachte, keineswegs, und wenn die fremden Matrosen ihn in der Frühstunde mit seiner Ladung still und lautlos an den Flussufern entlang gleiten sahen, dann sagten sie:

      „Jimm hat wieder seinen Walfisch.“

      Denn diese Abkürzung hatten sie seinem Namen beigelegt.

      Und dann wurde über den guten Witz gelacht.

      „Na, nu kommt man,“ lud Jimm ein und strich sich seinen gewaltigen grauschwarzen Bart, der ihm wirr und weit über die Brust herunter fiel, und als Gust und Toni etwas verschüchtert in den Leim- und Tranduft eingedrungen waren, packte Jimm mit seinen gewaltigen Schaufelhänden Gust um den Leib, als gedächte er ihn zu seinen Holzsoldaten auf den Tisch zu heben, um ihm dort die fehlende rote Farbe zu verleihen, und brummte mit seiner alten, verrosteten Stimme:

      „Na, willst nu Professer werden, mein Jünging?“

      „Ja, ich hoffe,“ versetzte Gust und hustete ein wenig verlegen.

      „Das ist nichts,“ stellte Jimm nachdenklich fest, wobei er seinem Besuch auf dem Kopf herumpätschelte. „Das ist garnichts.“

      „Weshalb nicht?“ rief Gust verletzt.

      „Na, sag’ eins, sitzt du da nicht den ganzen Tag hinter Büchern?“

      Gust nickte.

      „Na und was lernst du daraus?“

      Gust dachte nach, blickte auf Toni, die sich kaum das Lachen verbiss, und gab endlich kurz zurück:

      „Wozu soll ich dir das erklären? Das verstehst du doch nicht, Jimm Kükeweih.“

      „Na nu aber doch,“ forderte der Alte und stiess ungeduldig mit dem mächtigen Transtiefel auf den Estrich.

      Alles zitterte.

      Selbst die Holzsoldaten fielen um, und die Krokodile schnappten.

      „So sag’ doch,“ warf Toni schnippisch dazwischen.

      „Ja, aber er begreift es doch nicht,“ ärgerte sich Gust, der sich plötzlich stark in die Enge getrieben sah. Dann platzte er plötzlich heraus:

      „Aus den Büchern lernt man zum Schluss — die — die grossen Zusammenhänge. — Ja, die grossen Zusammenhänge,“ wiederholte er jetzt ganz stolz und erleichtert.

      Der Leichenfischer liess sich auf seinen Schemel nieder und schüttelte das mächtige Haupt. „Das ist nichts,“ stellte er endlich fest und schlug sich schallend aufs Knie. „Zusammenhänge? — Das ist allens dummes Zeug. Was nicht zusammenhängen will, das klebt man einfach zusammen, wie ich es hier mit meinem Leimtopf mache. Was is da Grosses? Nein, das bedeutet garnichts. Aber lernst du denn nicht das Letzte, Gust?“

      „Welches Letzte?“

      „Das Allerletzte?“

      Gust war es plötzlich, als ob der Brodem, der die Hütte füllte, sich ihm lähmend auf die Brust legen wolle. Und er sah, wie auch Toni mit grossen, erschrockenen Augen zu dem Alten herüberstarrte.

      „Du meinst doch nicht etwa — —?“ stotterte er.

      „Woll,“ murmelte Jimm und wackelte mit seinem Schemel. „Das gerade mein’ ich. Weisst du nich’, was aus dem Menschen wird? Und wo er hingeht?“

      „Nein,“ wehrte Gust erblassend ab und er spähte wie unwillkürlich nach dem Ausgang:

      „Darüber gibt es keine Auskunft.“

      Diese Antwort schien der Alte jedoch gerade erwartet zu haben. Halb befriedigt und halb verächtlich nickte er mit dem grossen Kopf, dann vergrub er die Riesenfäuste mit grobem Lachen in die Taschen und streckte geräuschvoll die Beine von sich.

      „Kuck,“ grunzte er, „was hab’ ich gesagt? Keine Auskunft. Na, Gust, folg’ mir, und werd’ kein Professer. Und weisst du auch, warum, mein Jünging? — Ne? Nu dann will ich es dich kund tun. Hör’ zu: Im Grund fürchten sich nämlich die Professers alle vor dem Letzten und möchten gern wissen, wie es damit steht. Deshalb schneiden sie auch so graulich in den Toten ’rum, die ich ihnen auf den Saal bringen muss. Aber meine Walfisch’ sind ihnen zu klug. Die halten fest den Mund zu und geben keine Antwort. I wo, da muss schon ein andrer kommen. Ein ganz andrer.“

      „Antwort?“ echote Toni, die sich vor Angst wieder an Gust gedrängt hatte. Und ohne, dass er es merkte, schlang sie den Arm um ihn und ihr schlanker Körper presste sich gegen den seinen.

      Wie eine dunkle Fledermaus schwebte die Furcht über den beiden. Der Alte und seine Umgebung hatten es ihnen wieder einmal angetan. Und doch drängten sich die Kinder der ganzen Stadt wie magnetisch gezogen in die Hütte des alten Jimm.

      „Geben die Toten denn Antwort?“ flüsterte Gust, halb im Frost.

      Er

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