Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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glänzten sie gleich einer Fürstenkrone. Und wie stolz ragte nicht seine Hakennase?

      „Ich glaube, Moltke hat auch so eine besessen,“ dachte Frau Miete. Und als sie ihren Sohn so schön vor sich sah, da begann plötzlich ihr Herz bang und ungestüm zu klopfen in der Vorahnung, dass man sie um ihren Schatz womöglich berauben könnte.

      Die vielen Mädchen in der Stadt, Gott ja, man konnte es keiner übel nehmen, jede einzige mochte es wohl auf Gust abgesehen haben.

      „Gust,“ sprach sie halb ängstlich, halb verlegen: „Ich bin deine Mutter — wenn du dir einmal eine Braut aussuchst, dann musst du sehr vorsichtig sein, mein Sohn, nicht die erste beste — sondern wählen — wählen — hörst du? — Wir brauchen nicht all und jede zu nehmen. Nein, das brauchen wir wahrhaftig nicht.“

      Damit setzten sie sich an den Kaffeetisch. Und während Frau Miete mit mütterlicher Zufriedenheit beobachtete, wie ihr Gust die Semmel eintauchte, befand sie sich im Geiste, angetan mit ihrem würdigen schwarzen Seidenkleide, auf einer langwierigen Brautwahl. Bis sie endlich im Hause des ersten Bürgers der Stadt, des Senator Hansen, atemlos anlangte. Und da sie die Gewohnheit besass, aus ihren Träumen gelegentlich etwas verlauten zu lassen, so sprach sie plötzlich mit Zurückhaltung vernehmlich vor sich hin: „Ja, gewiss, ich habe nichts dagegen, Herr Senator — dann können wir ja.“

      Worauf Gust, der eben heimlich an die nächtliche Szene mit Toni dachte, zusammenfuhr, dann aber laut auflachte, so dass Frau Miete jetzt vergnügt errötete.

      „Na lass man, mein Jünging, ich hab’ um dich gar keine Bange.“

      „Nein, Mutter,“ erwiderte Gust und zwang sich zu heller Siegeszuversicht. „Ich hab’ vor dem Examen nicht die geringste Furcht.“

      „Ja, ja, darin hast du ganz recht. Du bist ja der primus om — —“

      „Omnium, Mutter.“

      „Ich weiss. Und nu iss man, mein Jünging, nu iss man.“

      Die Sonnenstrahlen tanzten weiter, und das mütterliche Herz drehte sich in ihrem Reigen mit.

      Punkt 11 Uhr trat plötzlich und unerwartet Tante Betti in diesen Frieden ein.

      „Du siehst nicht schlecht aus,“ urteilte sie mit einem prüfenden Blick, nachdem sie Gust in seinem Glanz gewahrt hatte. Und dann richtete sie sich auf, stolz wie ein Schlachtross, denn sie selbst erschien heute in einer Pracht, von der sie zuversichtlich hoffte, dass sie Frau Miete in staunende Verwirrung setzen musste.

      Und diese Absicht ward erreicht.

      Die Frau Kapitänin faltete nämlich beinahe vor Andacht die Hände, als sie den Aufzug ihrer Schwägerin gewahrte. Mein Gott, was konnte das bedeuten?

      Das perlgraue, seidene Kleid, das bei jedem Schritt bedeutungsvoll rauschte? Der grosse Rembrandthut mit seiner wallenden Straussenfeder? Und vor allen Dingen die kostbare goldene Kette, die sich schwer und gewichtig dreimal um Bettis Hals schlang?

      „Das alte Erbstück hast du auch umgelegt?“ murmelte Gusts Mutter ungläubig.

      „Ja,“ erwiderte Betti kalt.

      Dann stellte sie sich wohlgefällig vor den Spiegel und stiess hinten mit dem Fusse kräftig aus, damit ihre Schleppe noch majestätischer fallen möchte. Hierauf wandte sie sich befehlend an Gust:

      „Nun setz dir den Hut auf und komm mit.“

      Und die Fragen von Mutter und Sohn, wohin sie ihren Neffen denn zu führen gedächte, mit einer entschiedenen Bewegung abschneidend, schritt sie aufrecht und fest zur Tür.

      „Man muss endlich einmal Ernst machen,“ war das einzige, was sie bereits an der Schwelle noch verloren hinwarf.

      Gust trottete verwundert hinterdrein.

      Es war ein seltsames Paar, das da im hellen Sonnenschein durch die Strassen der alten Boddenstadt wanderte; der Junge in seinem unbehilflichen Bratenrock, mit weisser Krawatte und einem vergilbten Strohhut auf dem Kopfe, und die alte Jungfrau, angetan in die solide Pracht eines verschwundenen Jahrhunderts.

      „Es handelt sich nämlich um den Ausbau deines Lebensplanes,“ erklärte Tante Betti endlich nach langem Schweigen, wobei sie einen ernsten Blick auf ihren Begleiter heftete. „Und es sollte mich freuen, Gust, wenn du die Hoffnungen, welche ich in dieser Beziehung auf dich setze, rechtfertigst. Verstehst du?“

      Statt einer Antwort neigte Gust nur demütig das Haupt.

      Es war wohl erwiesen, dass er ein Held wurde, der eine neue Zeit heraufzuführen bestimmt war, allein vor Betti, ja freilich, vor Betti machte dies alles Halt. Betti war etwas Festes, Uneinnehmbares, befähigt, die neue Zeit durch ein verächtliches Lächeln zurückzuscheuchen.

      So waren sie immer näher den Strassen gekommen, die auf den Markt einmündeten. Hier wohnten nur die Patrizier der Stadt.

      Gust starrte ängstlich auf seine Führerin. Er sah, wie seine Tante, je näher sie dem Markt gelangten, desto energischer ihre perlgraue Taille zurechtzupfte, und nahm wahr, dass sie ihren Schirm noch etwas aufrechter und stolzer trug etwa wie eine Fahne oder einen Legionsadler.

      Sollte sie —? Das war doch nicht gut möglich —??

      „Hier sind wir,“ unterbrach ihn Betti.

      Gust durchfuhr es wie ein Blitz. Ja, da standen sie vor einem altertümlichen Hause mit breiter Freitreppe, die zu einem hohen Portal hinaufführte.

      Grosser Gott, hier wohnte Martha Kräplin.

      „Hast du Handschuhe,“ hörte er es noch wie durch einen Nebel hindurch klingen, „auch ein Taschentuch?“ Und als er etwas Konfuses darauf erwidert hatte, wurde er von Betti am Arm gefasst, er hörte undeutlich, wie seine Schritte auf der langsam sich windenden, hölzernen Treppe knarrten, und vernahm neben sich das imposante Rauschen von Bettis Seidenröcken.

      Nach vielen Jahren gestand er noch, dass dieses Rauschen ihm damals unendlichen Trost eingeflösst hätte.

      Vor einem weisslackierten Gitter, das mit seinen runden Stäben die halbe Treppe sperrte, wurde Halt gemacht. Hier musste der Porzellangriff einer Klingel gezogen werden.

      „Dies ist besonders vornehm,“ stellte Betti fest, „ein solches Gitter findet man nur in sehr alten und aristokratischen Häusern. Sieh, darin liegt etwas Solides und Abgeschlossenes.“

      Gleich darauf wurden sie von einem Dienstmädchen mit weissem Häubchen über eine weite Diele geführt, die sich rings um den Treppenaufgang herumzog und ganz mit altersgeschwärzten Danziger Schränken umstellt war. Auch ein paar Kirchenstühle aus Schwarzeiche fanden sich vor. Altertümlich geschnitzt.

      „Danzig ist besonders vornehm,“ sagte Tante Betti wieder beifällig vor sich hin. Und dann stiess sie ihn leicht an, er solle einen Diener machen.

      Gust steckte das Herz in der Kehle, denn da — da — kaum einen Schritt von ihm entfernt, in dem weiten, teppichbelegten Zimmer, da stand der Vater Marthas vor ihm, der alte Kräplin, über den so viele seltsame Sagen in der Stadt umgingen.

      Im Moment fiel ihm ein, was sie als Knaben auf dem Gymnasium über den hohen, hageren Mann gefabelt hatten.

      „Der

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