Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel
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„Sie? Ach wirklich?“ entfuhr es seiner Zuhörerin. „Hat Vater nachgegeben?“
„Du?“ wunderte sich auch Malte.
„Ja, ich — und ich freue mich furchtbar darauf.“
„Ich nicht weniger,“ gestand Martha Kräplin. „Verzeihen Sie, hatten Sie schon eine Schülerin?“
„Nein — niemals — Sie sind die erste.“
Und nun fuhren die Fragen herüber und hinüber. Die beiden spannen sich ein in ein wundersames Netz, das die bunte Jugend so leicht zu weben vermag, und in welchem es von Edelsteinen, Gold und Purpur nur so funkelte. Immer auffälliger vergassen sie des Zeugen, der ernst und befremdet auf sie herunterblickte.
„Was lesen Sie im Moment, Fräulein Martha?“ sprudelte Gust, der nicht genug hören konnte, heraus.
„Ich? — Ach Gott, ich weiss kaum, ob es das rechte ist? Ich lese eben den Egmont.“
„Und das soll nicht das rechte sein? Das ist ja gerade das, was ich mir gewünscht habe, das Schönste, was ich überhaupt mit Ihnen durchgehen könnte. Denken Sie doch nur, diesen prachtvollen Gegensatz. Auf der einen Seite den stolzen, freien, offenen, hochgemuten Aristokraten, und tief in der Dämmerung einer engen Seitengasse das kleine Bürgermädchen, das schöne Klärchen. Alles wirkt dunkel und holländisch in Klärchens Zimmer. Das liebende Mädchen selbst, das Spinnrad, die alte Mutter, der unglückliche Brackenburg, alles liegt wie im Schatten, als hätte es Rembrandt gemalt. Sie haben doch Rembrandts Hauptwerke schon gesehen, Fräulein Martha? Aber da plötzlich — Hörnerschall — Egmont mit seiner Wache zieht durch die Strasse. Hören Sie den Hufschlag? Und jetzt jubelt Klärchen und springt ans Fenster. Und da wird es auch licht — so hell, dass die engen vergitterten Fenster all den Sonnenschein nicht durchlassen können Er ist da — die Liebe reitet durch die Strasse. Da reitet er,“ rief Gust und warf die Hand vor.
„Ja, das ist er, das ist wunderschön,“ murmelte Martha Kräplin.
Ihre Augen taten sich weit auf.
Leuchtend, gross, umfassend.
Deutlich sah sie den lachenden Reiter an sich vorüberziehen, besass sie doch gleichfalls jene gottgesegneten Augen, die das Zauberland erschauen können, jene luftigen, sonnenhellen Schatten, die hinter dem Leben walten, die aber das gewöhnliche Werkeltagsauge nimmermehr erblickt.
„Ja, da zieht er,“ wiederholte sie im glücklichsten Traum.
Malte von Zingst griff langsam nach seinem Hut: „Ich will nun gehen,“ entschuldigte er sich, doch sprach er gedämpft, als fürchte er die beiden Fernen zu stören, „ich will noch etwas für die Prüfung repetieren — Guten Morgen!“
Und er ging wirklich, ohne, dass die Versunkenen ihn vermisst hätten. Wohl nickten sie zum Abschied mit den Häuptern, allein ihre Seelen weilten nicht hier, sondern in den volksbelebten, morgengrauenden Gassen von Brüssel, von denen nun Gust, um den Hintergrund zu malen, stossend und hackend erzählte.
„Ja, das ist der Hintergrund, Fräulein Martha. Sehen Sie nur, wie er das geschildert hat? Die engen Zeilen, wo man die gegenüberliegenden Häuser mit den Armen erreichen kann. Hier in unserer Stadt gibt es auch derartige Gässchen. Unten am Rik. Und nun beginnen die Glocken zu wimmern. Hören Sie dies Wehklagen? So haben sie neulich auch bei uns geheult, als der Speicher vom Dampfmüller Jarchow abbrannte. Sie erinnern sich doch? Und nun sehen Sie das niederländische Volk — die Bürger, wie es wimmelt, wie es sich drängt, stösst und schiebt. Laut, mit spitzen Worten hetzt sie der Schreiber. Aber pfui, sie schleichen dennoch zur Seite. Und warum? Weil eine lumpige spanische Scharwache durch sie hindurch schreitet — feige, spitzbärtige Spione mit riesigen Pumphosen. Bemerken Sie nur, Fräulein Martha, wie argwöhnische Blicke die Tyrannenknechte auf die Handwerker heften. Und wirklich, die Furcht ist gross, alles schweigt, alles will in die Häuser kriechen, um sich zu verstecken, — da, — im letzten Moment, hören Sie diesen gellenden Schrei? Ja, das ist sie, das ist das wahnsinnig gewordene Klärchen, das alles vergisst, das in fliegenden Haaren auf die Strasse stürzt, schreiend: „Egmont — soll sterben, Egmont, der euch alles war, rettet Egmont —“
„Rettet Egmont —“ schrie Gust ganz laut, indem er mit rollenden Augen und vorgeworfenen Armen aufsprang. „Rettet Egmont.“
Als er vom Schall seiner Worte geweckt wurde und nun linkisch und entsetzt eine entschuldigende Verbeugung zu machen gedachte, da bemerkte er etwas Seltsames.
Mit überfliessenden Augen lehnte Martha auf ihrem Sofa und schluchzte laut und leidenschaftlich vor sich hin, während ihre Hand sich fest in die Lehne gekrampft hatte.
„Um Gottes willen, Ihnen fehlt doch nichts?“
„Nein — nein, — aber wie schön — wie wunderschön Sie das vortragen können.“
„O, nicht doch,“ wehrte Gust mit klopfendem Herzen ab, denn der Anblick des weinenden Mädchens lähmte ihn beinahe.
Aber durch seine Sinne lärmte dennoch laut der Gedanke: Wie weich, wie engelsgut und liebevoll diese feuchten, braunen Augen blicken konnten. O, die Stunden mit ihr mussten Himmelsseligkeiten werden.
„Ja, und übermorgen,“ fuhr sie fort, ziehn wir in unser kleines Häuschen draussen am Bodden. Und wenn Sie erst Student sind, dann sollen Sie mir dort weiter all das Schöne erzählen, immer mehr, und immer weiter. Nicht wahr? Sie wollen?“
Sie reichte ihm die Hand.
Wohl spürte er eine zuckende Wärme, aber ob er die weissen Finger wirklich wieder gedrückt hatte, das wusste er im nächsten Moment nicht mehr.
Wie kam das?
Er befand sich plötzlich auf der Strasse, ohne Betti, die er vergessen, und laut eine Siegeshymne vor sich hin singend, eilte er in wilden Sprüngen dem Flusse zu, an dem seine Wohnung lag.
Seine Wangen erschauerten, und immer höher und heiliger tönten seine Siegesweisen.
Dasjenige aber, was er unverrückbar vor sich sah, das war der grünumgebene Bodden, um dessen Wiesen die Wasser leise schlugen und plätscherten. Oben aber auf den Strandsteinen, da hoben sich zwei Gestalten scharf von dem sonnenhellen Himmel ab. Das waren Martha und er.
Ja, das sind sie, und sie spähen beide dorthin, wo die Flut am fernsten Rande sich golden färbt. Ein grosser, breiter, goldener Strom, der sich ins Unendliche ergiesst.
So blinkt die Zukunft herüber.
Leuchtend, tausendfarbig, ohne Grenzen. Und alles sein, alles sein. O, das fasst das kleine Herz nicht, stille, stille, Sieg — Sieg.
IV.
Eine Tür fliegt ins Schloss. Mit dröhnendem Nachklang. Durch die Korridore hallt es weiter.
Krach — bumm.
Dann bängliche Stille.
Zeisig ist da. Professor Zeisig, der Löwe des Gymnasiums, vor dessen Brüllen Rebellenklassen erzittert haben; der