Der Reiter auf dem Regenbogen. Georg Engel

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Der Reiter auf dem Regenbogen - Georg Engel

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ihr hatte vor wenigen Sekunden ihre Mutter mit ihrem starren bewegungslosen Gesicht gestanden, hatte die schmalen, verkniffenen Augen weit aufgerissen, um endlich barsch und gefühllos hervorzustossen, ob ihre Tochter denn nun „rein mall1)“ geworden wäre?

      „Sag’ eins — sag’ doch eins, mein Döchting,“ so hatte es giftig geklungen, während die knochige Hand sich nach der hübschen runden Mädchenschulter ausstreckte, als ob sie von da etwas herunterreissen wolle, „sag’ doch, mein Döchting, wozu hast du dir denn heut am Wochentag das neue rosa Kattunkleid angezogen? Ach, und kuck doch, auch noch die Schleife um den Hals? I, das is ja nett. Wirst du nun bald sagen?“

      „I, bloss so,“ stotterte Toni, aber gleichzeitig sah sie sich trostlos in dem kleinen weissen Dachzimmerchen um, ob kein Weg zur Flucht offen stünde.

      Jedoch Mudding Stark hielt den Ausgang gewichtig besetzt.

      „Bloss so?“ wiederholte die Angreiferin noch mehr gereizt, „na, denn will ich dir sagen, was du vorhast, du dummes Gör. Vor das Gymnasium willst du ziehen, um dort die Primaners zu erwarten, die halbwüchsigen Bengels — unser Karl is noch der vernünftigste darunter — damit sie dir Komplimente machen sollen, du unverständige Dirn. Schämst dich garnicht? Gleich ziehst du das Kleid aus.“ Und damit rüttelte die mütterliche Faust bereits an den hübschen Goldknöpfen, so dass die Taille aufging und von den Schultern herunter fiel.

      „O, Mudding — Mudding — bitte, bitte.“

      „I was, hier —“ die knöcherne Hand schlug leicht auf den entblössten runden Mädchenarm, so dass eine huschende Röte erschien — „gleich machst du, fix.“

      Aber dann schien Mudding Stark plötzlich ein beängstlicher Gedanke zu kommen. Rasch setzte sie sich die Hornbrille auf die Nase und sah ihrer Tochter untersuchend ins Angesicht:

      „Du?—Du klänst doch nich etwa gar mit Gust?“ fing sie drohend an, wobei ihre Stimme ins Heisere umschlug, „du — ich sag’ dir — doch nich etwa mit diesem Bengel, aus dem im Leben nichts wird? Dirn, wenn du solche Raupen im Kopf hast, dann werd’ ich dir eins ernsthaft kommen müssen. Verstehst du mir? Ernsthaft.“

      Dabei schob sie sich die Brille auf die Stirn, starrte ihrer Tochter bis auf den untersten Grund der Augen und versetzte ihr plötzlich einen solch heftigen Schlag auf den Arm, dass Toni vor Schreck laut aufschrie.

      „Liebes Mudding.“

      „I, was, — ist es Gust?“

      „Nein, nein.“

      „Sag’ die Wahrheit.“

      „Wahr und wahrhaftig nicht.“

      „Na, dann segen dich Gott — mehr sag’ ich nicht —. Und nu bleibst du hier, nimmst dir was zu arbeiten vor und sitzt mucksenstill, bis ich wiederkomm’. Hörst du? — Ich will selbst eins nach unsern Karl sehen, wie er geschrieben hat. Und nu fix, den Rock runter.“

      Damit war sie gegangen.

      Auf der Treppe jedoch hatte Mudding Stark noch einmal Kehrt gemacht, und die in Tränen aufgelöste Toni vernahm zusammenzuckend, wie sich der Schlüssel ihres Kämmerchens plötzlich von aussen scharf und geräuschvoll im Schlüsselloch drehte.

      Auch das noch?

      War sie gefangen?

      Halb ungläubig stürzte sie zur Tür. Dann rüttelte sie.

      Fest zugeschlossen.

      Und von draussen verklang noch das mahnende Wort der Mutter: „Mucksenstill.“

      Und sie schluchzte bitterlich.

      Vielleicht würde sie sich schneller getröstet haben, wenn sie hätte beobachten können, wie hübsch sie in ihrer kindlichen Not aussah, und wie rund und blitzend die Tränenperlchen ihr über Wangen und Schultern träufelten. Die Sonne allein lugte dabei durch das Dachfenster hinein, nickte ihr zu und spiegelte sich in den anmutigen Kugeln.

      Da polterten heftige Tritte über die Stufen. An der Tür wurde gerüttelt, das war vielleicht Befreiung.

      „Wer ist da?“ rief Toni hoffnungsvoll.

      „Ich —“

      „Gust?“

      „Ja, ich — ich bin als erster mit unserem Aufsatz fertig geworden und gehe bereits eine Stunde in der Stadt spazieren. Da wollte ich nur mal Nachfragen, wie Karl geschrieben hat? Ist er schon da?“

      Keine Antwort, aber nach einer Weile klang es von drinnen kleinlaut: „Ich hab’ mich eingeschlossen.“

      „So mach’ doch auf.“

      „Ja, aber der Schlüssel steckt draussen.“

      Gust war zu erregt, als dass er über dieses merkwürdige Spiel der Mechanik nachgedacht hätte. Ohne weiteres drehte er den Schlüssel um und drang hinein. Da sah er denn das Bild, das er lange Jahre nicht wieder bannen konnte.

      Das weinende Mädchen auf dem Bettrand, entblösst die Arme und Schultern. Die von schwarzen Strümpfen umspannten Füsse kaum von dem kurzen Röckchen bedeckt, und das ganze Geschöpf so in Trauer versunken, dass sie auf all die Unordnung nicht sonderlich zu achten schien.

      „Gut, dass du kommst, Gust,“ schluckte sie.

      „Herr Gott, warum weinst du, Toni?“

      „Ich? —“ sie unterdrückte ihr Schluchzen, „ich weine garnicht.“

      „Doch — hat dir jemand etwas zuleide getan?“ stammelte er und starrte auf sie hin.

      Wie er ihre weisse Haut glänzen sah, befiel ihn eine so ungeheure Ehrfurcht, als ob er vor einer Königin kniete. Unerreichbar hoch ragte sie vor ihm.

      „Setz’ dich,“ bat sie leise, während sie ihm mit dem Fuss einen Stuhl zuschob.

      Allein er beachtete die Aufforderung gar nicht, sondern konnte nur verstört hervorbringen:

      „Nein, das geht nicht, Toni.“

      Da wusste sie erst, was ihn bannte. Glühendrot schreckte es über ihre Wangen, und doch überlief sie ein heimliches Wohlgefühl, dass er so demütig und dienend vor ihr stände.

      Dann raffte sie hastig die grüne Schlafdecke um sich zusammen, und als er sich nun kleinlaut auf dem Stuhl niedergelassen, da sassen sie sich beide gegenüber in bangem Schweigen, beide zitternd und bebend, denn die geheimnisvollste Stunde der Jugend war über ihnen.

      Endlich schüttelte sich das Mädchen.

      „Das halt’ ich hier in dem Hause nicht lange mehr aus,“ hob sie mit geschnürter Stimme an, und die blitzenden Tränen quollen wieder aus ihren Augen, „denke dir, jetzt haben sie mich hier eingeschlossen, weil ich mit jemandem nicht zusammentreffen soll.“

      Als Gust diese Andeutung vernahm, legte sich ihm ein banger Druck aufs Herz, in unbestimmter Scham vermochte er nur zu forschen, wer das sei.

      Allein Toni schwieg trotzig, richtete ihre feuchten Augen auf die sonnenumglänzte

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