Das Evangelium nach Lukas. Ambrosius von Mailand

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Das Evangelium nach Lukas - Ambrosius von Mailand Die Schriften der Kirchenväter

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Schwangerschaft, die einem anderen Alter zusteht, der Schoß, der von einer Leibesfrucht schwillt, die nicht zu ihrer Zeit reift, etwas Beschämendes. Betagten Gatten zieht ja das Alter selbst die Grenze für die Verrichtung der ehelichen Werke und mahnt der mit Recht beschämende Verdacht der Unenthaltsamkeit hiervon ab. Selbst junge Gatten schützen zumeist das Verlangen nach Kindern vor und glauben so das Feuer ihres Alters mit dem Wunsche nach Kindersegen entschuldigen zu sollen: wieviel schmachvoller wäre für Betagte ein Tun, das selbst Jugendliche einzugestehen sich genieren! Noch mehr: selbst jugendliche Gatten, die in Entsagung ihr Herz aus Gottesfurcht abtöten, verzichten, sobald sie Nachkommen empfangen, gar häufig auf jene Werke der Jugend.

       44.

      [Forts. ] Und was darf uns das von Menschen wundernehmen, wenn selbst Tiere durch die stumme Sprache ihres Verhaltens zu verstehen geben, daß sie der Trieb nach Geschlechtserhaltung, nicht die Gier nach Geschlechtsbefriedigung beseelt? Denn sobald sie einmal merken, daß sie begattet sind und den Samen in ihr Geschlechtsorgan201 aufgenommen haben, frönen sie nicht mehr geschlechtlichem Umgang und ist es nicht mehr sinnliche Lüsternheit, sondern die elterliche Sorge, die sie auf sich nehmen. Die Menschen dagegen kennen keine Rücksicht weder auf das Kind im Leibe noch auf Gott. Ersteres beflecken, letzteres verletzen sie. „Ehe ich dich bildete im Mutterleibe, spricht er, habe ich dich gekannt und im Mutterschoße dich geheiligt"202. Deiner Geilheit wehrend gewahrst du gleichsam die Hand deines Schöpfers, der im Mutterleibe den Menschen bildet. Er schafft darin: und du willst das stille Heiligtum des Mutterleibes durch Wollust schänden? Nimm dir entweder das Tier zum Beispiel, oder aber fürchte Gott! Doch was rede ich von den Tieren? Sogar auch die Erde ruht oftmals aus vom Werke der Fruchterzeugung und straft, wenn ungestüme menschliche Gier sie mit zu häufiger Samenart vergewaltigt, den unverschämten Landmann und kehrt ihre Fruchtbarkeit in Unfruchtbarkeit. So beseelt denn das Natur- wie das Tierreich eine Art natürliche Scham, die ein Abweichen vom Zeugungszweck verhütet.

       45.

      Mit Recht genierte sich also die heilige Elisabeth über ihre Begnadigung, obwohl sie sich keiner Schuld bewußt war. Denn wenn sie auch vom Manne empfing ― anders über den Ursprung eines Menschen zu denken, wäre ja nicht recht ―, so schämte sie sich doch des Alters, in welchem sie Mutter geworden. Und andernteils freute sie sich, der Schmach ledig zu sein; denn Frauen empfinden es als beschämend, der lohnenden Früchte der Ehe entbehren zu müssen, wenn sie allein aus diesem Grund die Ehe eingegangen hatten. So war denn die Wegnahme dieser Schmach ein Trost (für Elisabeth), ob sie auch mit Beschämung für sie verbunden war, mit jener Beschämung, wie gesagt, die sie wegen des Alters empfand. Es läßt sich daraus ersehen, daß die beiden Gatten nicht mehr den ehelichen Umgang unter sich pflegten; denn ein Weib, das im hohen Alter des Beischlafes sich nicht geschämt hätte, würde auch der Mutterschaft sich nicht geschämt haben; und doch schämt sich Elisabeth der Mutterschaft, solange sie das religiöse Geheimnis nicht kennt.

       46.

      [Forts. ] Sie, die sich verbarg, da sie einen Sohn empfing, beginnt offen ihre Freude zu bekunden, da sie einem Propheten das Leben geben sollte; die vorher in Scham errötete, bricht in Segensworte aus; die vorher in Zweifeln schwankte, wird gestärkt: „Denn sieh", ruft sie aus, „sobald die Stimme deines Grußes an mein Ohr traf, hüpfte das Kind freudig auf in meinem Schoße"203. Mit lauter Stimme also jubelte sie, sobald sie des Herrn Ankunft merkte, indem sie nun von der religiösen Bedeutung ihrer Geburt überzeugt war. Denn aller Grund zur Scham fiel weg, sobald die Geburt eines Propheten die Beglaubigung erbrachte, daß die Zeugung ihren Grund in einer Gnadengabe, nicht in Begierlichkeit hatte.

      Zweites Buch, Luk. 1,26-3,22

      1. Marias Verkündigung, Luk. 1, 26―28

      

       Die jungfräuliche Gottesmutter „einem Mann verlobt“; Gründe: der Ruf der Jungfrau (1), das Interesse des Kindes, die Bezeugung der Jungfräulichkeit durch den Gemahl (2), die Täuschung des Teufels bezw. des Fürsten der Welt (3). — Marias Jungfräulichkeit trotz der Vermählung; Zeugen: Maria, Lukas, die Propheten, Christus der Herr (4); Joseph, der „Gerechte“, ein schriftbeglaubigter Zeuge. Die Bezeichnung ,Gemahlin' (5) und die Wendung: „er erkannte sie nicht, bis sie den Sohn gebar” keine Instanz dagegen (6). Die Jungfrau-Mutter Typus der Kirche, der makellosen Braut des Hl. Geistes (7). Maria, das Bild und Vorbild der züchtigen Junghau (8). Maria, die kluge Jungfrau. Unterschied zwischen einer schamhaften Jungfrau (Maria) und Frau (Elisabeth) (9). Die Größe Christi im Vergleich zur Größe des Johannes (10—11). Die Größe Christi in sich. Die Schriftbezeichnung Christi als des „Ersten“, bezw. des Vaters als des „Alleinigen“ keine Instanz gegen die Konsubstanzialität des Sohnes mit dem Vater (12—13). Marias Frage an den Verkündigungsengel keine Zweifelsfrage über das Daß, sondern eine Glaubensfrage nach dem Wie des Geschehens (14). Marias Verhalten dem Verkündigungsengel gegenüber im Gegensatz zu dem des Zacharias (15—18).

       1.

      „Zur nämlichen Zeit aber ward der Engel Gabriel vom Herrn gesandt in eine Stadt in Galiläa mit Namen Nazareth, zu einer Jungfrau, die verlobt war einem Manne mit Namen Joseph, vom Hause Davids, und der Name der Jungfrau war Maria"204.

      Verborgen zwar sind die göttlichen Geheimnisse und unmöglich kann nach prophetischem Ausspruche ein Mensch Gottes Ratschluß erkennen205, aber gleichwohl können wir aus den sonstigen Heilstaten und -lehren des Herrn ersehen, wie auch das auf einem gewichtigeren Ratschlusse beruhte, daß zur Mutter des Herrn vor allem eine solche auserkoren wurde, „die einem Manne verlobt war". Warum aber wurde sie nicht vor ihrer Verlobung erfüllt? Vielleicht um dem Gerüchte vorzubeugen, sie habe im Ehebruch empfangen206. Und mit gutem Grunde stellte die Schrift beides fest, daß sie Verlobte und Jungfrau war: Jungfrau, damit sie unberührt vom Umgange mit einem Manne erschiene; Verlobte, damit sie nicht wegen Verletzung der Jungfräulichkeit in Verruf käme und gebrandmarkt würde, wenn der schwangere Leib ihr offen das Schandmal der Entehrung aufzudrücken schiene. Lieber aber wollte der Herr Zweifel über seine eigene Herkunft als über die Keuschheit seiner Mutter zulassen ― er wußte nämlich, wie zart jungfräuliche Scham und wie gefährdet der Ruf der Keuschheit ist ― und glaubte nicht die Glaubwürdigkeit seiner Herkunft auf die Gefahr ungerechter Verdächtigungen seiner Mutter sichern zu sollen. So verbleibt also der heiligen Maria Jungfräulichkeit wie in der Reinheit unversehrt so im Rufe unverletzlich. Es sollen ja die Heiligen „auch von denen gutes Zeugnis haben, die draußen sind"207. Auch wäre es nicht geziemend gewesen, wenn Jungfrauen von üblem Ruf als Deckmantel zu ihrer Entschuldigung die Ausrede verbliebe, es seien auch über die Mutter des Herrn schlimme Nachreden gegangen.

       2.

      Was aber hätte man es den Juden, was dem Herodes verübeln können, wenn sie anscheinend einem Kinde aus dem Ehebruch nachstellten? Wie hätte Christus selbst sprechen können: „Ich bin nicht gekommen, das Gesetz aufzuheben, sondern zu erfüllen"208, wenn er schon mit seinem ersten Schritt ins Leben den Schein der Gesetzesverletzung erweckt hätte, nachdem doch außereheliche Geburten durch das Gesetz verpönt waren?209 Noch mehr! Gerade der Gemahl war der vollgültigste Zeuge der Schamhaftigkeit, der beigezogen werden konnte, imstande, Unrecht mitzufühlen und Schmach zu rächen, wenn er auch nicht in das Geheimnis eingeweiht war. Und wie? Mußte hierdurch nicht auch der Aussage Marias erhöhte Glaubwürdigkeit gesichert und einem Grund zur Lüge der Boden entzogen werden? In schwangerem Zustand außer der Ehe hätte sie wohl den Anschein erwecken müssen, durch eine Lüge ihre Schuld verschleiern zu wollen. Als Unvermählte nur hätte sie einen Grund zum Lügen gehabt,

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