Der Sommernachtsmörder. Marianne Berglund

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Der Sommernachtsmörder - Marianne Berglund

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offene Veranda. Auf dem Boden standen einige Pelargonien und ein mit Kippen gefüllter Aschenbecher. Scheinbar alles normal – doch etwas stimmte hier nicht, es stimmte ganz und gar nicht, und plötzlich und ohne Vorwarnung traf ein betäubender Schlag seinen Hinterkopf. Er verlor das Gleichgewicht und stürzte zu Boden. Als er die Augen wieder öffnete, schob sich ein schwarzer Vorhang vor seine Blicke. O verdammt, er war doch nicht allein, jemand hatte sich von hinten unbemerkt an ihn herangeschlichen. Er presste die Handflächen auf die groben Bretter und versuchte, sich hochzustemmen. Bis ein weiterer Schlag seinen Hinterkopf traf, und diesmal tat es so weh, dass er einige Sekunden lang nicht mehr wusste, wo er sich befand und warum. Als er diesmal die Augen öffnete, war das Licht verschwunden. Nichts war da, alles war leer, er sah nichts. Seine Finger fühlten sich an wie gelähmt. Als habe er keinerlei Gewalt mehr über sie. Und das Seltsamste von allem war, dass der Schmerz, den er zuerst im ganzen Kopf verspürt hatte, jetzt verflogen zu sein schien.

      Er wollte schreien, konnte es aber nicht, und wer hätte ihn hören sollen? Vor seinem inneren Auge flackerte ein vages und bleiches Bild auf. Er sah, wie er vorhin noch über einen Weg gegangen war, wie seine Beine sich bewegt hatten. Es war ein schöner, kurvenreicher Weg gewesen, mit gröberem Kies in der Mitte, feinerem außen, Gras am Rand, dahinter Tannen. Kilometer von strömendem Regen. Ein Blitz hatte den Himmel erleuchtet, und der Donner war wie Steine durch den Wald gerollt. Ja, daran erinnerte er sich. Auch wenn das Bild verschwommen war und alles schon eine Ewigkeit zurückzuliegen schien, obwohl es doch nur wenige Minuten her sein konnte.

      Er merkte, dass er auf dem Bauch lag, in einer seltsam verkrümmten Haltung, die Arme starr und unbeweglich. Er versuchte nicht mehr, sich aufzurichten. Ein Gewicht schien sich auf ihn gelegt zu haben, und das Letzte, was er noch wahrnahm, war ein langes, tiefes Grollen. Dann verschwand auch dieses Geräusch, und alles wurde so still, wie es das nur nach dem Sturm sein kann, wenn die Gewitterwolken wie graue Fetzen über den Himmel gezogen sind, in einer stillen Mittsommernacht, in der alles möglich ist, noch dazu, ohne dass man weiß, warum.

      Evelina Palm saß rauchend auf dem Sofa. Ungeduldig, die Zigarette zwischen zwei Fingern. Fast hätte sie sie auf dem Boden ausdrücken mögen, wenn es hier nicht so elegant und ordentlich gewesen wäre. Aber eigentlich war ihr das schnurz. Und ihr Boden war es schließlich auch nicht. Also ließ sie die Kippe fallen und trat sie mit ihrer Sandale aus. Ein schwarzer Fleck zeigte sich auf dem hellen Holz.

      Sie war als Letzte übrig geblieben. Die anderen Gäste hatten sich einer nach dem anderen verzogen. Eigentlich hätte sie es ihnen nachtun sollen. Eigentlich hätte sie sogar überhaupt nicht herkommen dürfen, aber niemand hatte doch voraussehen können, dass der Abend zu einem solchen Fiasko werden würde.

      Ja, verdammt, dachte sie. Was für ein tolles Scheißmittsommerfest!

      Im Haus war es jetzt verhältnismäßig still, während sie hier in dieses sicher viel zu teure Sofa versunken saß. Bosse verkaufte Bilder wie andere Leute Gummibärchen. Immer malte er sie von derselben Stelle aus, im Obergeschoss, mit Aussicht auf See und Wald. Im Moment war Annie dort oben, ihre Schritte waren zu hören, rasch und wütend, auf dem alten Dachboden, wo ein Stück Dach entfernt und auch ein Fenster ersetzt worden war, damit es jedes Mal dasselbe Motiv sein konnte. Nicht die geringste Variation gebe es auf seinen Bildern, sagten manche. Nuancen, meinten die eher Wohlwollenden. Ein ständiges Spiel mit Farbtönen, so, wie auch die Natur sich veränderte, langsam und schrittweise. Er selbst schien sich um die Kommentare der anderen nicht zu scheren, so lange er seine Werke für viel größere Summen verkaufen konnte, als sogar die Wohlwollenden für angemessen erklärten. Jetzt saß er ihr gegenüber und zog gierig an seiner Pfeife. Und oben im Obergeschoss lief, wie gesagt, Annie hin und her, mit Schritten, die die Dachbretter lauter als sonst knacken ließen. Evelina hätte gern gewusst, warum Annie so böse war. Warum sie und Bosse sich diesmal gestritten hatten.

      »Du hast ihn doch nicht gesehen, oder?«, fragte Evelina und schaute mürrisch zu Bosses mit Pantoffeln bekleideten Füßen hinüber, die lässig auf dem Tisch lagen. Bei dieser Hitze!

      »Hätte ich ihn sehen sollen?«

      Schlaffe müde Augenlider, Worte, die zähflüssig aus seinem Mund tropften. Dazu ein Lächeln, aber das galt nicht ihr, sondern ihm selbst. Er lächelte immer auf diese Weise in sich hinein.

      »Was ist denn so komisch?«

      Evelina konnte sich die Frage nicht verkneifen.

      »Dass du auf einen Trottel wartest, der gar nicht da ist.«

      »Er ist mit mir hergekommen, und jetzt ist er verschwunden.«

      »Du solltest deine Typen sorgfältiger aussuchen, Evelina.«

      »Im Moment habe ich nur einen Typen, und zwar diesen.«

      »Das ist aber eine schlechte Wahl.«

      Jetzt lächelte er wieder, und diesmal hatte er dazu sogar die Pfeife aus dem Mund genommen, so dass seine Zähne zu sehen waren. Wenn er nicht so aasig gelächelt hätte, dann hätte Evelina Bosse dieses eine Mal sogar zustimmen können – dass sie eine schlechte Wahl getroffen hatte, dass eine schlechtere kaum möglich gewesen wäre. Denn wie sollte man das sonst nennen, wenn er einfach verschwand, vor ihren Augen, vermutlich mit irgendeiner Frau, die er gar nicht kannte, und die er aufgelesen hatte, wie man einen Grashalm aus dem Boden zieht.

      Naja. Vor ihren Augen, das war wohl etwas übertrieben. Dann würde sie ja nicht hier sitzen und Bosse Fragen stellen, die sonst absolut unter ihrer Würde gewesen wären.

      »Du weißt also nicht, wo er hingegangen ist?«

      Bosse lachte vor sich hin und erhob sich vom Sofa. Streckte sich und gähnte.

      »Fahr nach Hause, Lina. Worauf wartest du denn noch?«

      Ja, worauf? Dass er wie ein Springteufelchen hinter dem Türpfosten auftauchte, um ihr dann um den Hals zu fallen?

      Sie litt sonst nie unter Schwermut, aber jetzt fühlte sie sich wie gelähmt. Sie hatte nicht einmal gesehen, dass er gegangen war. Das war wirklich übel, wenn sie es sich genauer überlegte. Eine Sauerei, Evelina Palm so zu behandeln.

      »Ja, dann werd ich wohl nach Hause fahren«, sagte sie. Fauchte sie. Sprang auf und wünschte, sie hätte mehr als nur eine Kippe auf dem Boden ausgedrückt. Das wäre Bosse nur recht geschehen, denn auf irgendeine Weise hatte sie das Gefühl, dass er an allem schuld war.

      »Danke für die nette Einladung«, murmelte sie dann, während sie sich die Tasche über die Schulter warf und auf die Tür zuging, die noch immer weit offen stand, nachdem alle anderen Gäste hinausgetorkelt waren.

      Sie lief zu ihrem alten grünen Wagen, der ein Stück entfernt im Gras stand. Als sie die Tür öffnete, hörte sie einen lauten Donner. Sie ließ sich auf den Sitz fallen, hatte das Gefühl, noch immer den Duft seines Rasierwassers wahrnehmen zu können. Einen unverkennbaren Hauch von Zitrone. Aber vielleicht war das ja auch Einbildung. Was wusste denn sie. Vielleicht hatte ihr eifriges Gehirn die gesamten Ereignisse dieser Nacht zusammenphantasiert. Und vielleicht wollte ihr Gedächtnis sie an der Nase herumführen.

      Nun legte das Gewitter richtig los, ein Wolkenbruch zwang sie dazu, einige Minuten am Wegesrand stehen zu bleiben. Als das Schlimmste vorüber war, fuhr sie schneller, mit Wut im Bauch. Der nasse Kies spritzte hinter ihr hoch, der alte Sitz ächzte und jammerte. Für einen kurzen Moment glaubte sie, jemanden am Straßenrand stehen zu sehen, jemanden, der zur Hälfte im Straßengraben verschwunden war. Aber die Scheinwerfer jagten hastig und trügerisch über den Boden, die wolkenverhangene Dunkelheit war kompakt, und auf nichts war wirklich Verlass. Vielleicht war es nur ein Schild gewesen,

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