Der Sommernachtsmörder. Marianne Berglund

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Der Sommernachtsmörder - Marianne Berglund

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sagte er etwas lauter: »Herein.«

      Die Frau, die vorsichtig seine Tür öffnete und das Zimmer betrat, mochte um die siebzig sein, sie atmete schwer, trug einen schockrosa Nylonmantel, hatte einen großen Busen und mindestens drei Kinne. Ihre blondierten Haare umgaben ihren Kopf wie Zuckerwatte. Ihre Augen waren klein und farblos und zur Hälfte hinter schweren Augenlidern verborgen, ihre Lippen waren bleich und schmal, und zwischen ihren Vorderzähnen klaffte ein Spalt.

      Sander seufzte lautlos. Die Frau kam ihm irgendwie bekannt vor, er konnte jedoch nicht sagen, warum.

      »Worum geht es?«, fragte er.

      »Ich glaube, mein Nachbar ist verschwunden«, sagte sie mit leiser Stimme.

      Erik Sander räusperte sich, ging widerwillig zurück zum Schreibtisch, setzte sich hin und forderte die Frau mit einer Handbewegung auf, es ihm nachzutun. Sie blieb stehen. Er ließ sich im Bürostuhl zurücksinken und versuchte gelassen, ihren Blick zu erwidern.

      Irre gibt es genug, dachte er. Warum er das dachte, wusste er auch nicht so genau, vielleicht lag es einfach nur daran, dass ihre Mundwinkel so zitterten. Er fühlte sich plötzlich schlecht. Wie kam er dazu, sich ein Urteil über diese Frau zu erlauben?

      »Ach. Und warum glauben Sie, dass Ihr Nachbar verschwunden ist?«

      »Warum ich das glaube?«

      Die Frau sprach mit einer Spur von einem nördlichen Akzent, aber der war wirklich sehr verwässert. Offenbar war sie schon vor langer Zeit von dort weggezogen. Sie spitzte den Mund, der nun aussah wie eine in weißen Teig gedrückte Rosine.

      »Ja, wann ... äh, haben Sie das entdeckt?«

      »Gestern.«

      Sander konnte einen weiteren Seufzer unterdrücken. Er drehte den Stuhl halbwegs herum, zum Bildschirm hin, und ließ seine Finger über die Tasten gleiten.

      »Aha. Dann brauche ich einige Auskünfte. Wie heißt Ihr Nachbar?«

      Seine Stimme hatte automatisch einen militärischen Klang angenommen, der ihm eigentlich überhaupt nicht gefiel. Die Frau biss sich auf die Lippe.

      »Himmel, was hat denn das mit dem Fall zu tun?«

      Sander schaute die Tastatur an, seine Finger schienen nicht gehorchen zu wollen. Er mahnte sich zur Ruhe. Langsam atmen, die Schultern senken.

      »Aber wir müssen doch wissen, nach wem wir suchen sollen«, sagte er.

      Die Frau starrte ihn misstrauisch an.

      »Reicht es denn nicht, wenn Sie wissen, wie er aussieht?«

      »Naja, vielleicht nicht so ganz.«

      Sander gelang ein Lächeln. »Also, wie heißt er?«

      »Hören Sie, junger Mann, ich bin nicht hergekommen, um ...«

      Sander seufzte nun doch. Zeitverschwendung. Unnötige Arbeit. Aber na ja, wenn es die Frau beruhigen konnte, dann bitte. Wenn es nur schnell ging.

      »Wir brauchen seinen Namen, wenn wir nach ihm suchen sollen. Oder wie sehen Sie das?«

      »Ich glaube, Sie nehmen mich nicht ganz ernst«, sagte sie plötzlich leiser.

      »Ach, und warum sollten wir das nicht tun?«

      »Im Moment kann man doch kaum jemandem vertrauen.«

      Sander spürte, wie seine Wangen zuckten. Er versuchte, sich zusammenzureißen. Die Frau starrte ihn aus ihren Schneckenaugen wütend an.

      »Aber wollen Sie denn nicht fragen, wie er aussieht?«

      »Doch, natürlich. Wie sieht er aus?«

      »Dunkle Haare, so an die eins achtzig, schätze ich, ist meistens schwarz gekleidet.«

      Sander schrieb. »Weitere Kennzeichen?«

      »Ja. Oft hat er die Haare im Nacken zusammengebunden.«

      »Das haben Sie sich ja gut gemerkt.«

      »Wir wohnen auf derselben Etage. Ich sehe ihn morgens immer.«

      »Wissen Sie, wie alt er ist?«

      »Tja, so um die fünfunddreißig, vielleicht vierzig. Glauben Sie, Sie können ihn finden?«

      »Ich glaube sicher, dass er wieder auftauchen wird, ja.«

      Die Frau schaute sich um, zog scharrend den Besuchersessel über den Boden, ließ sich hineinsinken und atmete dabei so heftig aus, dass alle Papiere vom Schreibtisch geweht worden wären, wenn sie etwas tiefer gesessen hätte. Jetzt aber traf der Luftstrom direkt auf Sanders Gesicht, und instinktiv wandte er sich ab. Der Bildschirm flackerte ein wenig. Früher war alles besser gewesen, mit Formularen, Kugelschreibern und Ordnern. Jetzt, nach einem langen Tag am Bildschirm, brannten seine Augen und er fühlte sich ungeheuer müde. Mit Mühe und Not konnte er ein Gähnen unterdrücken.

      »Wie haben Sie bemerkt, dass Ihr Nachbar verschwunden ist?«

      »Ich sehe ihn morgens, wenn er losgeht, wie gesagt. Aber das ist jetzt nicht mehr der Fall.«

      »Dann ist er vielleicht verreist?«

      »Das wüsste ich doch. Wenn er sonst verreist war, und sei es nur für zwei Tage, hat er immer bei mir geklingelt und mir Bescheid gesagt. Es ist ihm nämlich sehr wichtig, dass seine Topfblumen versorgt werden.«

      »Er kann diesmal doch jemand anderen darum gebeten haben«, sagte Sander.

      Die Frau machte ein beleidigtes Gesicht.

      »Das glaube ich nicht. Warum hätte er das tun sollen? Um seine Post kümmert sich jedenfalls niemand, denn als ich heute in den Briefkasten geschaut habe, war der ganz voll. Das fand ich komisch.«

      Sander fuhr sich über die Stirn.

      »Hat er denn irgendwelche schweren Krankheiten?«

      Die Frau schnaubte kurz.

      »Behaupten Sie, dass er tot in seiner Wohnung liegt?«

      »Das kann leider vorkommen.«

      Sie zuckte mit den Schultern und schaute zum Fenster hinüber. Draußen war es durch den Regen ungewöhnlich dunkel, und in der beschlagenen Scheibe spiegelte sich die Neonröhre.

      »Er sieht jedenfalls ganz gesund aus.«

      »Er ist also seit einigen Tagen verschwunden«, murmelte Sander. »Und er hat Ihnen nicht gesagt, dass er verreisen wollte?«

      »Ich glaube nicht. Auch wenn meine Erinnerung nicht immer die beste ist. Wenn Sie verstehen, Herr Wachtmeister.«

      Aber sicher, dachte er. Das verstehe ich nur zu gut.

      Ein Jammertal, dachte er dann und warf einen Blick auf die Uhr. 17:46. Er hätte jetzt zu Hause sein und sich für den Abend fertig machen müssen. Es war Freitag,

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