Der Sommernachtsmörder. Marianne Berglund

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Der Sommernachtsmörder - Marianne Berglund

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Fragen stellte, auf die sie plötzlich einfach nicht antworten konnte.

      Wie dumm von ihr. Was ging das Ganze sie überhaupt an? Vielleicht hatte sie einfach nur zu wenig zu tun? In letzter Zeit hatte sie oft herumgesessen und darauf geachtet, wann die Nachbarn kamen und gingen, hatte in den Hausflur hinaus gelauscht. Sie hatte das Radio satt, sie mochte nicht mehr am Küchentisch sitzen und das gegenüberliegende Haus anstarren. Das andere war besser, auf irgendeine Weise fühlte sie sich so näher am wirklichen Leben. Und dann war ihr aufgefallen, dass es in der Wohnung gegenüber so still war.

      Aber eigentlich ging das alles sie überhaupt nichts an. Sie stand auf und blickte zur Bushaltestelle hinüber. Wie peinlich, der Polizist hatte ihr nicht geglaubt, aber es war zu spät gewesen, als sie auf seiner Türschwelle gestanden hatte, er war außerdem viel zu gestresst gewesen. Ja, die Polizei hatte sicher viel zu tun, man hörte ja, dass in der Stadt so viel passierte, und dann kam auch noch sie und sagte etwas, das sie nichts anging und das sie außerdem gar nicht hatte sagen wollen.

      »Sjögren« stand an der Tür. Sie dachte an den jungen Mann. Er sah sympathisch aus. Sie beobachtete ihn immer heimlich durch ihren neuen Türspion. Er nickte ihr zu, wenn er sie sah, hatte sogar einmal zu dem Türspion hin genickt, als wisse er, dass sie dort stand. Wenn sie einander im Treppenhaus begegneten, lächelte er sie immer an, machte gelegentlich eine Bemerkung über das Wetter. Und einmal, als er verreisen wollte, hatte er sie gebeten, seine Blumen zu gießen. Ja, das hatte er wirklich getan. Er hatte gesagt, seine Topfblumen seien ihm wichtig, und zum Dank hatte er ihr die Haare neu gelegt, ganz umsonst. Er arbeitete als Friseur. Hatte sogar seinen eigenen Salon. Und jetzt war er wieder verreist. Und niemand kümmerte sich um seine Blumen oder seine Post. Drei Tage lang hatte vor seiner Tür ein großer Brief gelegen. Am Ende hatte sie den in den Briefschlitz gesteckt, und dabei hatte sie gesehen, dass unten schon sehr viel Post herumlag. Ja, das war wirklich seltsam. Aber welches Recht hatte sie, sich einzumischen?

      Märta Olofsson erhob sich. Ging langsam über den schmalen Parkweg zur Bushaltestelle. Warf die Brottüte in den Papierkorb. Bald würde der Bus nach Andersberg fahren, und dann würde sie wieder zu Hause sein. Sie würde sich mit einer Tasse Kaffee an den Küchentisch setzen und diesen peinlichen Zwischenfall so rasch wie möglich vergessen.

      Als Henrietta Sander sich an diesem Freitagnachmittag über ihre Spülmaschine beugte, um das benutzte Geschirr hineinzuräumen, stellte sie trocken, aber ein wenig enttäuscht fest, dass ihr Mann sich offensichtlich wieder verspätete und während der nächsten Stunden wohl nicht auftauchen werde. So war es schon dreimal gewesen, wenn sie beschlossen hatten, zusammen auszugehen, erst ins Kino und dann in irgendein Restaurant. Immer auf Eriks Vorschlag hin. Sie hatte zuerst gezögert, nicht, weil sie nicht gewollt hätte, sondern weil sie sich fragte, ob sie das überhaupt schaffen und ob sie nicht viel zu müde sein würden. In letzter Zeit hatten sie an den Abenden zumeist träge vor dem Fernseher gesessen und waren dann dort eingeschlafen.

      Jetzt stand die Babysitterin in der Tür und trat in ihren viel zu warmen Turnschuhen von einem Fuß auf den anderen. Sie trug ein dünnes weißes Baumwollhemd mit einem roten Herzen. Die Kinder hatten schon aufgemacht und drängten sich nun lachend um die Beine des schmächtigen Mädchens; sie fanden es immer wunderbar, einige Stunden mit ihr allein zu sein, da das Mädchen sie, anders als die Eltern und vermutlich aus purer Gleichgültigkeit, auf dem Sofa herumhopsen und im Bett Purzelbäume schlagen ließ, bis ihre Gesichter glühten und ihre Haare schweißnass waren. Henrietta wusste das, wollte die Babysitterin aber nicht zurechtweisen. Wenn man mal jemand Zuverlässigen gefunden hatte, musste man sich alle Mühe geben, ihn zu halten, auch wenn sie den Kindern zu viele Freiheiten erlaubte.

      »Komm rein«, sagte Henrietta, trocknete sich an einem Geschirrtuch die Hände ab und ging in die Diele. »Es wird wohl auch heute Abend nichts. Erik ist noch nicht zu Hause, und wenn er in zehn Minuten nicht da ist, dann schaffen wir es nicht mehr.«

      Rebecka stand unschlüssig auf der Türschwelle und biss sich auf ihre rosa Lippe.

      »Soll ich nach Hause gehen oder ...«

      »Warte bitte noch. Man weiß ja nie. Und du wirst auf jeden Fall bezahlt, es ist ja nicht deine Schuld ...«

      Nein, es war nicht die Schuld der Kleinen, dass Erik zum x-ten Mal so viel zu spät kam, dass Kinobesuch und Essen sich mal wieder erledigt hatten. »Wir holen das an einem anderen Freitag nach«, hatte Erik beim vorigen Mal gesagt, aber ohne ihr in die Augen zu schauen, und Henrietta schien es, dass er selbst nicht glaubte, was er da sagte. Seine Arbeit fraß immer mehr von den Abenden auf, während Henrietta sich zu Hause um alles kümmerte und die Kinder rechtzeitg ins Bett steckte. Oft kam Erik erst so spät, dass er ihnen nicht einmal mehr gute Nacht sagen konnte. »Wo ist Papa?«, fragten sie manchmal. »Der arbeitet«, antwortete Henrietta dann, und obwohl sie es nicht wollte, hörte sie doch ein gewisses Maß an Bitterkeit in ihrer Stimme mitklingen. Als beiße sie die letzte Silbe des Satzes ab, um sie dann wütend auf den Teppich zu spucken und zu zertrampeln. Als wolle sie auch Eriks Erklärungen und Ausflüchte zertrampeln und sagen, jetzt hör verdammt noch mal auf, so viel zu arbeiten. Ich oder die Arbeit, entscheide dich. Aber so weit kam sie nie, lief nur verärgert hin und her und starrte ihn wütend an. In der Hoffnung, dass er nun endlich begriff.

      Ich bin zu nachgiebig, dachte Henrietta, ich zeige nicht, wie mir wirklich zumute ist. Und drückte Rebecka einen Hunderter in die Finger, die anstandshalber protestierte, sich aber sichtlich darüber freute, für gar nichts so viel bezahlt zu bekommen.

      »Wir vergessen das für heute Abend«, sagte Henrietta und schaute in die großen, braunen, von zu viel Wimperntusche eingerahmten Augen. »Aber nächste Woche, vielleicht, wenn du dann Zeit hast?«

      Rebecka nickte lächelnd, während Henrietta dachte, dass sie sich den letzten Satz hätte sparen können. Sie wusste nur zu gut, dass ihr Mann auch am nächsten und am übernächsten Freitag Überstunden machen würde. Und nur Gott, falls überhaupt, wusste, wie lange das noch so weitergehen würde.

      Ab und zu, manchmal, wenn es abends so spät wurde, dass sie fast schon einsam vor dem Fernseher eingeschlafen war, ehe sie seinen Schlüssel im Schloss hörte, hatte sie darüber spekuliert, was er da eigentlich machte. Musste er wirklich arbeiten? Oder hatte er eine andere, war das mit der Arbeit nur ein Deckmäntelchen für etwas, das Henrietta in ihrer Naivität nicht durchschaute? In solchen Momenten schaute sie in den Spiegel und sah dort eine Frau mit viel zu schmalem Gesicht, mit eingefallenen Wangen und gerunzelter Stirn, die so leicht an der Nase herumzuführen war, dass sie jede Lüge schluckte, die ihr vorgelegt wurde. Sollte sie etwas sagen? Immer wieder wirbelten dieselben Fragen durch ihren Kopf, blieben aber zu vage, um wirklich Form anzunehmen. Darüber hinaus war sie sich nicht sicher, dass sie die Folgen der möglichen Antworten tragen wollte.

      Also saß sie auch an diesem Abend brav da und wartete. Wenn auch die Wut irgendwo im Hinterkopf auf der Lauer lag. Als Erik Sander um zwanzig nach sechs mit tausend gestammelten Erklärungen und Entschuldigungen in die Diele trat, sah sie ihn kurz an, starr und durchdringend, und machte dann kehrt, ging ins Schlafzimmer der Kinder, sagte, die müssten jetzt ins Bett, hob das Pu der Bär-Buch vom Boden auf, putzte den beiden widerstrebenden Jungen die Zähne und steckte sie ins Bett. Nachdem Erik den Kindern gute Nacht gesagt hatte, fing sie an zu lesen. Die Geschichte von Pu dem Bären im Hundertmorgenwald machte sie ein wenig schläfrig, dämpfte den Zorn, der immer noch in ihr tobte, und versetzte nicht nur die Kinder, sondern auch sie selbst in eine seltsame Ruhe. Es war schon fast halb neun, als sie neben den schlafenden Kindern erwachte, überrascht, weil sie so schnell eingeschlafen war. Sie fühlte sich müde und schlaftrunken, zwang sich aber zum Aufstehen. Vielleicht kam ja etwas im Fernsehen. Als sie zum Sofa ging, war Erik nicht dort, war auch nicht in der Küche. Eine eben erst benutzte Kaffeetasse stand im Spülstein, Sie blickte hinter das Regal, das sie im Wohnzimmer als Raumteiler benutzten, und sah auf dem Bett seine Beine. Er hatte nicht einmal die Tagesdecke weggenommen, so schnell war er eingschlafen.

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