Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann. Jakob Wassermann
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Читать онлайн книгу Gesammelte historische Romane von Jakob Wassermann - Jakob Wassermann страница 32
Es ist schwer zu fassen, daß Columbus nur die Feder anrühren konnte, um unter einen Vertrag seinen Namen zu setzen, durch den er sich für alle Zeiten seines Ansehens begab. Es läßt sich nicht durch den halb schmerzlichen, halb großartigen Verzicht erklären, der schwache Naturen in bestimmten Augenblicken ihres Lebens ergreift und der ihnen verstattet, alles Errungene mit einem Schlag und heroischer Gebärde hinzuwerfen. Er hing ja mit allen Fasern an der Macht, und beinahe waren ihm ihre äußeren Zeichen noch wesentlicher, ihr Schmuck und ihre Verbriefung noch wichtiger als die Ausübung, zu der ihm Mark und Haltung fehlten. Es ist wahr, er wußte sich in der Heimat nicht geliebt und nicht geehrt, von vielen, auf die er gebaut hatte, verraten. Hatte er doch auf den Bericht über Roldans Meuterei an die Königin statt der Ermächtigung zu scharfen Maßregeln vom Bischof von Bajadoz den Bescheid erhalten, Ihre Hoheiten wollten die Sache noch unerledigt lassen und zuvor in Erwägung ziehen, wie den Übelständen am tunlichsten abzuhelfen sei. Aber darauf hätte sich kein seines Ziels und seines Rechts bewußter Mann eingelassen, geschweige denn einer, der zur Tat geboren ist, Führer, Prodromos, Erschließer einer Welt. War er nicht eher ein Dichter als dieses alles? Ist Don Quichote nicht ein heimlicher Dichter, mit dem ganzen Grauen vor der Wirklichkeit, das den Dichtern innewohnt, der ganzen Unfähigkeit zu ihr? Es berührt fast wunderbar: inmitten der Bedrängnisse und bösartigen Wirren, während er durch schweigendes Geschehenlassen wie durch mißglückte kaufmännische Spekulationen feig und herzlos zur Ausrottung einer edlen Rasse beitrug und so das Christentum zur Phrase, die Religion zur Lüge machte, war sein Geist aufs angelegentlichste mit den genauen Plänen zum Aufbau des Tempels von Jerusalem beschäftigt. Er wußte nicht, was er tat. Vor dem höchsten Richter wird ihm das angerechnet worden sein, und der Herr wird ihm verziehen haben. Er wußte niemals, im Guten und im Bösen nicht, was er tat.
In Spanien war man von den Vorgängen auf Espanola bis ins einzelne unterrichtet, und die Feinde des Columbus hatten umfassende Anstalten zu seinem Sturz getroffen. Wer da in der Verborgenheit gewühlt hatte, läßt sich natürlich nicht mehr feststellen, es muß eine hübsche Zahl kleiner Mäuse und großer Ratten gewesen sein. Als der Bischof Fonseca durch seine Spione genug Material gegen den anmaßenden Genuesen gesammelt hatte, erachtete er den Augenblick für gekommen, sich seiner für immer zu entledigen. Dieser Bischof scheint ein Mann des wesenlosen Neids gewesen zu sein, einer, den fremdes Verdienst, gleichviel ob es ihn beeinträchtigte oder nicht, zu unversöhnlicher Verfolgung und Rachsucht reizte. Zwanzig Jahre später wurde er, ebenso grundlos, zum Widersacher des Fernando Cortez und beauftragte einen seiner Günstlinge mit der Ermordung des kühnen und allzu selbstherrlichen Eroberers.
Columbus hatte sich wohl mit Roldan verglichen, aber der geschlossene Frieden war von beiden Seiten nicht ehrlich gemeint. In seinem Unmut über die erlittene Vergewaltigung äußerte er, da er den Vertrag auf seinem Schiff als Herr zur See signiert habe, brauche er ihn als Vizekönig zu Land nicht halten, ein perfides Wort, dessen Doppelzüngigkeit mancherlei Schlüsse auf die Entartung zuläßt, der ein ursprünglich lauterer Charakter auf den lasterhaften Wegen der Politik ausgesetzt ist. Freilich, hätte er Talent dazu besessen und Erfolg damit gehabt, so wäre er nicht nur entschuldigt, sondern hätte auch, wie die Welt nun einmal ist, die Bewunderung der Jahrhunderte für sich, so aber ist ihm nur ihr Mitleid zuteil geworden, und das ist zu wenig für einen Unsterblichen.
Im Gefolge des Roldanschen Aufruhrs brachen noch andere Unruhen aus, der Admiral war sogar gezwungen, sich des Roldan als Bundesgenossen zu bedienen, es ist noch ein Schreiben vorhanden, worin er ihm für seine Hilfe expressiv dankt. Aber sein Schicksal war besiegelt, als er die Königin gebeten hatte, einen obersten Schiedsrichter zu schicken, der die Rebellen als Hochverräter zur Verantwortung ziehen sollte. Roldan war seinerseits nicht müßig gewesen, er hatte einflußreiche Freunde mit der Führung seiner Sache in Spanien betraut und schlau stilisierte Klageschriften überreichen lassen, gegen welche die aufgeregten und pathetischen Schilderungen des Admirals verworren und matt wirkten. So wurde der Commendator Franzisco Bobadilla, Kreatur des Königs, mit der Mission nach Espanola gesandt, die Verhältnisse der unglücklichen Insel zu ordnen und Recht zu sprechen. Am 29. August 1500 traf er in San Domingo ein. Er brachte ein Beglaubigungsschreiben mit, worin der Admiral trocken ermahnt wurde, sich den Befehlen des königlichen Kommissärs zu unterwerfen und ihm alle Festungen, alle Schiffe, alles Kroneigentum auszuliefern. Der Admiral befand sich in der Vega real, Bartolomè in Xaragua, der Kommissär ließ das königliche Handschreiben, das ihn zum Gouverneur einsetzte, sofort öffentlich anschlagen, bemächtigte sich der amtlichen Gebäude, enthaftete die Gefangenen, beschlagnahmte Wohnung und Vermögen des Admirals, eignete sich seine Waffen, seine Pferde, sein Gold-und Silbergeschirr an, ja sogar seine Briefe, Bücher und Papiere, ernannte neue Beamte, proklamierte die allgemeine Erlaubnis, Gold zu suchen, auf zwanzig Jahre unter der Verpflichtung, nur den elften Teil der Krone abzuliefern, während bisher der dritte Teil abgegeben werden mußte, und zahlte vor allem die rückständigen Löhne und Gehälter aus. Natürlich jubelten ihm die Spanier wie einem Erlöser zu.
Mönche, die dem Admiral ergeben waren, eilten bestürzt in die Vega und unterrichteten ihn von dem Geschehenen. Er schrieb an Bobadilla eine seiner hochtrabenden Episteln, beglückwünschte ihn zu seiner Ankunft und teilte mit, er sei bereit, auf der Stelle abzureisen und sich bei Hof zu rechtfertigen. Zugleich aber protestierte er gegen die Eingriffe in seine Gerechtsame. Er ritt allein in die Stadt. Hier wurde er von Bobadillas Söldnern ergriffen, in Ketten gelegt und auf die Festung gebracht, wo sich sein Bruder Diego bereits als Gefangener befand und Bartolomè bald in gleicher Lage ankam.
Zwei Monate dauerte es, bis die Schiffe mit den Brüdern nach Spanien absegeln konnten. Während dieser Zeit wurden sie wie Verbrecher behandelt. So lange hatte Bobadilla gebraucht, um alle Anklagen gegen sie zu sammeln und den umfangreichen Akt dem Ritter Alonzo de Vallejo einzuhändigen, der ihn nach Spanien bringen und zugleich die Gefangenen in Obhut und Bewachung nehmen sollte. Die hauptsächlichen Beschuldigungen gegen die Brüder Colon waren: daß sie den spanischen Mannschaften erdrückende Arbeiten und schmerzliche Entbehrungen bei karger Kost und strengen Strafen auferlegt; daß sie ungerechte Kriege gegen die Indios geführt; daß sie die Bekehrung er Indios verhindert, um sie besser als Sklaven verkaufen zu können; daß der Admiral Perlen und Gold, die er auf der Reise nach Paria gesammelt, verheimlicht und die Majestäten in Unwissenheit über neue Entdeckungen gelassen habe, um neue Privilegien von ihnen zu erlangen. Das alles klingt wie eine Satire auf eine Rechtsuntersuchung; sie gipfelt in der Behauptung, die Meutereien müßten als mutiger und gesetzlicher Widerstand gegen die Tyrannei des Admirals und seiner Anverwandten betrachtet werden.
»Die Sterne selbst erhoben sich gegen Columbus und seine Brüder«, sagt der Geschichtsschreiber Herrera. Als Villejo ins Staatsgefängnis kam, um den Admiral zu holen, johlte draußen der Pöbel so wild, daß Colon glaubte, er solle zur Hinrichtung geführt werden. »Villejo«, rief er bang, »wohin wollt ihr mich bringen.« — »Aufs Schiff, Exzellenz«, erwiderte der Offizier. — »Sprecht Ihr die Wahrheit?« — »So wahr Gott lebt«, antwortete Villejo, der ein ehrenhafter Mann und, obschon er im Dienste Fonsecas stand, von der unwürdigen Behandlung, die der Admiral erfuhr, schmerzlich betroffen war. Auch der Kapitän der Karavelle, Andreas Martin, fühlte Erbarmen und begegnete dem Gefangenen mit Achtung und Aufmerksamkeit. Beide wollten ihm während der Seefahrt die Ketten abnehmen, allein er gab es nicht zu. »Ihre Hoheiten befahlen mir schriftlich, mich den Anordnungen Bobadillas zu unterwerfen«, sagte er, »in ihrem Namen hat er mir die Ketten angelegt, ich werde sie tragen bis sie befehlen, daß sie mir wieder abgenommen werden, und ich will sie als Erinnerungszeichen des Lohns für meine Dienste bis an mein Ende aufbewahren.«
Das tat er auch, er bestand auf den Ketten wie auf einem Recht, als müsse er seinem Schicksal etwas damit beweisen. Er trug sie bei der Landung in Cadix, er trug sie auch bei der Ankunft in Sevilla. Las Casas, der Chronist, der um diese Zeit seine Studien in Salamanca beendigt hatte und in seine Vaterstadt Sevilla zurückgekehrt war, hat den Entdecker einer Welt selbst in eisernen Ketten gesehen.
Dieses Ereignis, ungeheuerlich, wie man es auch ansehen mag, war späterhin für die meisten Biographen Anlaß zu romantischer